McLaren mit Halo: Button in Monza, Alonso in Singapur

Von Mathias Brunner
​Der Engländer Tim Goss (53), Technikchef von McLaren-Honda, spricht über den Formel-1-Kopfschutz Halo: «Wir haben viele Hürden zu überwinden, aber wenn wir offen bleiben, finden wir für alles eine Lösung.»

Vielleicht war es unvermeidlich, dass Tim Goss im Motorsport landen würde. Seine Abschlussarbeit am Imperial College von London: die Zündung in Turbo-Motoren. Seit 1990 arbeitet der Engländer bei McLaren, er war Renningenieur von Mika Häkkinen, wurde 2005 zum Chef der Renningenieure befördert, wenige Jahre darauf zum leitenden Ingenieur für den ganzen Formel-1-Rennstall. Seit 2014, als sich Paddy Lowe zu Mercedes abgeseilt hatte, bekleidet Tim Goss den Posten des Technikchefs von McLaren.

Nach dem ersten Versuch von McLaren mit dem Kopfschutz Halo (Heiligenschein) hier in Monza spricht Goss auf der firmeneigenen Internetseite von McLaren über die Herausforderung, das System einzupassen.

Tim Goss holt aus: «Ich bin Teil einer Arbeitsgruppe, die sich um Auswirkungen von Unfällen kümmert. In dieser Gruppe sind auch Vertreter von Ferrari, Mercedes, Renault, Red Bull Racing sowie der FIA zu finden. Die FIA hat eine sehr umfassende Studie über den Halo durchgeführt. Es wurden Unfälle aus den letzten fünfzehn Jahren angeschaut, auch über die Formel 1 hinaus, mit der Frage – was wäre passiert, hätte der entsprechende Fahrer an seinem Rennwagen einen Halo gehabt?»

Die FIA-Spezialisten stellten im Rahmen des Ungarn-GP den Formel-1-Piloten die Ergebnisse dieser Studie vor. Die Fahrer waren überaus beeindruckt. Lewis Hamilton sagte: «Ich nehme Sicherheit sehr, sehr ernst. Ich finde noch immer, der Halo schaut grauenvoll aus. Von aussen wirkt der Halo wie ein Fremdkörper, der einfach nicht ans Auto passt. Und er entspricht für mich nicht dem Geist der Formel 1. Aber wenn du hörst, dass du bei schweren Unfällen eine um 17 Prozent erhöhte Überlebenschance hast, dann werde ich hellhörig. Ich schätze, früher oder später werden wir sowieso geschlossene Kanzeln haben. Wenn man den Halo noch etwas hübscher gestalten könnte, dann hätte ich gewiss nichts dagegen. Wenn es nicht geht, dann eben nicht. Sie haben uns einen GP2-Renner gezeigt, der auf einer Mauer gelandet ist. Der Fahrer hätte leicht geköpft werden können. Mit einem Halo wäre das nicht möglich.»

Der 53jährige Tim Goss sagt weiter: «Das grösste Thema für den Fahrer ist die Sicht. Kann der Pilot die Startampel sehen? Wie ist es, wenn es auf einer Strecke wie Spa-Francorchamps oder Austin hoch und runter geht? Wir haben viele Hürden zu überwinden, aber wenn wir offen bleiben, finden wir für alles eine Lösung. Notfalls könnten wir im Cockpit Startlichter installieren.»

Der Halo ist möglicherweise, wie es Lewis Hamilton angedeutet hat, nur der erste Schritt. Red Bull Racing hat seinen Aeroscreen getestet, bei welcher eine Scheibe noch besseren Schutz bietet. Die FIA will diesen Weg weiter verfolgen. McLaren hat eine Zukunftsstudie namens MP4-X präsentiert, bei diesem Renner der Zukunft finden wir eine geschlossene Kanzel wie an einem Kampfjet.

Tim Goss weiter: «Jenson Button konnte sich in Monza schon ein sehr gutes Bild machen, wie es sich damit in den Schikanen fährt und in schnellen Kurven. In Singapur soll dann Fernando Alonso damit ausrücken, dort haben wir Kunstlicht und enge Kurven. Die ganzen Erfahrungen unserer Piloten fliessen zurück in die Arbeitsgruppe.»

Dazu gibt Charlie Whiting, der Formel-1-Starter und –Sicherheitsdelegierte im GP-Sport, allen Piloten einen Fragebogen, in dem sie Eindrücke mit dem Halo festhalten.
«Der Test war ganz okay», meinte Button in Monza. «Vielleicht ist die Sicht beim Start und bei einem Boxenhalt etwas eingeschränkt. Zudem finde ich es ein wenig gewöhnungsbedürftig, bei 300 Sachen einen Bügel über dem Kopf zu haben.»

Tim Goss zur Aufgabe des Ingenieurs: «Strukturell gibt es keine grossen Kompromisse, die wir beim Einpassen des Halo eingehen müssen. Aber klar hat der Halo aerodynamisch einen Einfluss, auf die generelle Aero-Effizienz des Autos und auch auf die Luftströmung zur Airbox hin. Es wird erlaubt sein, aerodynamische Hilfsmittel zu verwenden, um die zu optimiren. Wir müssen auch sehen, wie sehr der Luftfluss um den Halo herum sich auf den Helm des Piloten auswirkt, dass es also keine unerwünschen Wirbel gibt, die den Kopf herumwerfen, wir nennen das „buffeting“, oder zum Effekte führen, dass der Helm vom Kopf des Fahrers gesogen wird, das nennen wir „lifting“. Weil wir das alles durch und durch prüfen wollen, kam letztlich die Entscheidung der FIA, den Halo erst auf 2018 einzuführen.»

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