Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Willy Bauer erinnert sich an Paul Friedrichs

Kolumne von Thoralf Abgarjan
Willy Bauer auf Suzuki

Willy Bauer auf Suzuki

Im 'Interview der Woche' erinnert sich Willy Bauer an seine Begegnungen mit dem ersten deutschen Weltmeister Paul Friedrichs in der WM. Zwei deutsche Stars, die Welten trennten.

Im letzten 'Interview der Woche' erklärte Willy Bauer, wie ihm im Jahre 1973 sein WM-Titel durch eine umstrittene nachträgliche Änderung des Reglements der Punktevergabe wieder weggenommen worden ist. In den ersten Jahren seiner erfolgreichen WM-Karriere fuhr Willy Bauer gegen den ersten deutschen Motocross-Weltmeister Paul Friedrichs.

Bauer wäre nach Paul Friedrichs der zweite deutsche Weltmeister gewesen. Es wäre gleichwohl der erste und einzige Motocross-WM-Titel für die Bundesrepublik Deutschland gewesen. Erst mit Ken Roczen konnte im Jahre 2011 wieder ein deutscher Fahrer den Titel im Motocross gewinnen - allerdings dann bereits für das wiedervereinigte Deutschland. Der Bundesrepublik Deutschland blieb der Titel durch die Entscheidung des FIM-Herbstkongresses von 1973 versagt.

Die deutsche Teilung spielte natürlich auch im Sport eine wichtige Rolle. Im zweiten Teil des 'Interviews der Woche' berichtet Bauer über sein Verhältnis zu Paul Friedrichs, ein Landsmann, der aus einem anderen Staat kam. Sie sprachen nicht den gleichen Dialekt, aber die gleiche Sprache. Und dennoch trennten sie Welten.

Wie bist du Paul Friedrichs im Fahrerlager begegnet?
«Es war kein Problem mit Friedrichs als Person zu sprechen. Aber er hat immer einen Aufpasser dabei gehabt. Und diese Leute haben schon versucht, ihre Leute von uns fernzuhalten. Friedrichs selbst war ein ganz netter und umgänglicher Mensch. Er hat in einem restriktiven System gelebt. Er wäre gern auf ein anderes Motorrad umgestiegen, aber das war für DDR-Fahrer unmöglich.»

Es ist ja auch eine Kapriole der Geschichte, dass ausgerechnet die Russen, die ja das System definiert haben, dass osteuropäische Fahrer ausnahmslos auf osteuropäischen Marken starten durften, in den 1970er und 1980er Jahren mit Moiseev und Kavinov auf KTM umgesattelt sind.
«Ja, das war ja auch eine windige Sache. Ich glaube das war in Holland, wo sie den Sowjets die Motorräder gestohlen haben und KTM hat ihre Motorräder schon dabei gehabt, auf denen sie dann gefahren sind. Das war alles ein bisschen undurchsichtig.»

Teilweise waren in diesen Jahren doch auch noch andere Fahrer aus der DDR am Start?
Ja, Heinz Hoppe zum Beispiel und auch Manfred Stein, aber Friedrichs war schon ein anderes Kaliber. Für uns war Friedrichs die Persönlichkeit, mit der man geredet hat, wenn es Probleme gab mit der Strecke oder den Zuschauern. Wenn wir Unterstützung gebraucht haben, sind wir zu Paul gegangen. Er war eben auch nie allein, da waren immer zwei drei Stasi-Leute mit dabei, die aufgepasst haben, dass da nicht irgendwann mal wieder einer fehlt.»

Gab es später noch Kontakte zu ihm?
«Ich habe mit ihm auch nach der Wende noch Kontakt gehabt. Er war auch bei mir hier in Sulzbach, als sein Sohn irgendwo in der Schweiz gefahren ist.»

Später war ja im Osten erst einmal mit internationalem Motocross Schluss. Die Fans sind dann nach Holice in die CSSR gepilgert und haben deinen Sieg mit der deutschen Nationalhymne gefeiert.
«1975 habe ich mit Suzuki dort gewonnen. Die Fans standen am Zaun und meinten, wir sollten gewinnen, damit sie endlich wieder die deutsche Hymne hören dürfen. Die Leute haben versucht, mit uns Kontakt aufzunehmen oder ein T-Shirt zu ergattern. Aber auch dort sind die Leute sehr stark zurückgedrängt worden, dass sie mit uns möglichst wenig Kontakt hatten.»

Die Geschichte hat sich dann 1982 in Holice mit Rolf Dieffenbach wiederholt. Das war auch eine seiner schönsten Erinnerungen, weil ihn die DDR-Fans auf dem Siegerpodium gefeiert haben.
«Ja, die Leute durften ja nirgendwo hinreisen. Das war sehr emotional. Die Fans haben ja die Hymne mitgesungen. Das war schon ergreifend und etwas ganz Besonderes.»

Du verfolgst die WM sicher heute auch noch? Vermisst du solche Strecken wie Holice oder Sittendorf in Österreich?
«Nun ist man ja immer von dem begeistert, was man selber gemacht hat. Aber die Naturstrecken waren für mich mehr Motocross als die heutigen Pferderennen, wo sie einen Sprunghügel nach dem anderen haben.»

Im Internet tauchen ja immer mehr dieser früheren Rennen auf und diese Filme haben auch die besten Klickraten.
«Naturbelassene Strecken sind interessanter. Natürlich darf dort auch einmal ein Hindernis stehen, aber nicht alle 5 Meter ein Sprunghügel.»

Was war deine Lieblingsstrecke in deiner Karriere?
«Das war Gaildorf. Aber emotional war für mich natürlich auch Namur, wo ich zweimal gegen DeCoster gewonnen habe. Namur war eine spezielle Strecke, 80 Prozent der Strecke war im Wald. Aber in einem Land zu gewinnen, wo der Hauptgegner herkommt, das ist immer etwas Besonderes.»

Du hast in deiner aktiven Zeit die Blütezeit des Motocross erlebt.
«Ich denke, es war die schönste Zeit. Wir sind ja noch mit PKW und Anhänger zum WM-Lauf gefahren und nicht mit einem Sattelzug. Ich denke, wichtig ist, was Fahrer und Motorrad bringen, wobei beim Motocross noch immer der Fahrer die entscheidende Rolle spielt. Heute kommen sie mit Sattelzügen an und das Motorrad sieht man gar nicht. Da wird sehr viel Geld für unwichtige Dinge ausgegeben.»

In jener Zeit passierte auch viel im technischen Bereich.
«Es ist viel experimentiert worden und die Marken haben sich gegenseitig angetrieben. Heute ist alles gleich. Aber irgendwann werden die Schritte eben auch kleiner, weil man an die Grenzen stößt.»

Der spätere traurige Niedergang von Maico ist ja dann bekannt. Aber daraus ist immerhin Zabel hervorgegangen, die bis heute erfolgreich im Seitenwagenmotocross sind.
«Seitenwarensport war für uns kein Motocross. Das war eine andere Sportart. Bei Gespannen kann die Kraftentfaltung wegen des hohen Gewichts ja auch viel ruppiger als beim Solomotorrad sein.»

Ich habe aber auch den Eindruck, dass im Seitenwagenmotocross noch etwas weniger Politik im Spiel ist.
«Vor allem ist dort nicht jemand dahinter wie Luongo, um Geld zu verdienen. Dort sind noch viele Idealisten dabei. Und wo Idealisten sind, ist der Sport immer noch schöner.»

Man darf aber bei aller Kritik des Promoters nicht vergessen, dass durch ihn auch viel Positives passiert ist. Die Medienpräsenz hat sich verbessert, die infrastrukturelle Ausstattung, zeitgemäß ausgestattete Fahrerlager oder dass zum Beispiel auch Umweltschutzbelange eine Rolle spielen.
«Richtig. Das stimmt alles. Nur kann sich ein deutscher Veranstalter keinen WM-Lauf mehr leisten. Das ist der große Fehler. Nationen, die viel mit Motocross zu tun gehabt haben, müssen 20.000 oder 25.000 Zuschauer mit 30 € Eintritt zusammenbringen, dass sie das Rennen überhaupt bezahlen können.»

In diesem Zusammenhang muss man aber auch bedenken, dass viele Entwicklungen nicht durch den Promoter in eine Schieflage gekommen sind, sondern durchaus auch durch die Werke. Zum Beispiel resultieren ja die Anforderungen an die Fahrerlager aus den Trucks, mit denen die Werksteams heute anreisen wollen.
«Ab dem Moment, als diese Anforderungen an die Größe der Fahrerlager kamen, dass es auf ebenem Gelände und eingeschottert sein muss, hatte sich die WM für viele Veranstalter schon erledigt.»

Vielleicht ist ja dann die Corona-Krise auch eine Chance, dass man sich wieder auf die Wurzeln des Sports besinnt und vielleicht auch einen Gang zurückschaltet?
«Es wäre schön, wenn das passieren würde.»

Das komplette Interview mit Willy Bauer:


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