Yamaha steht vor Einigung mit neuem Kundenteam

Honda: Klare Vorteile des zero-shift-Getriebes

Von Günther Wiesinger
Marc Márquez: Das zero-shift-Getriebe funktioniert vorbildlich

Marc Márquez: Das zero-shift-Getriebe funktioniert vorbildlich

Yamaha machte am Misano-Weekend viel Wirbel um das neue Seamless-Getriebe. Aber das zwei Jahre alte Honda-Getriebe ist viel ausgereifter.

Das nahtlos schaltende Getriebe von Yamaha stand beim ersten Renneinsatz in Misano im Mittelpunkt des Interesses. Jorge Lorenzo gewann mit der «seamless gearbox» den WM-Lauf auf dem Misano World Circuit Marco Simoncelli.

Seamless bedeutet nahtlos und nimmt Bezug auf die Kraftübertragung. Das heisst: Die Kraftübertragung zum Hinterrad läuft bei einem Schaltvorgang beim Seamless-Getriebe fast ohne Unterbrechung weiter. Dadurch kommt beim Schalten in Schräglage keine Unruhe ins Fahrwerk.

Dieses Seamless-System wird in der Formel 1 schon längere Zeit verwendet. Es gibt mehrere Ausführungen, aber weil meistens auch ein Klauen-Getriebe verwendet wird, fällt die Schaltunterbrechung nicht so kurz aus wie bei ausgeklügelten zero-shift-system von Honda, das seit zwei Jahren im Einsatz ist und seither ständig verbessert wurde.

Eine einprägsame, kurze deutsche Bezeichnung oder Übersetzung für «seamless gearbox» ist schwierig zu finden. Man muss das System umschreiben: Getriebe ohne Unterbrechung der Kraftübertragung oder ohne Schaltzeit-Unterbrechung.

Dieses Seamless-Getriebe ist nichts anderes als eine schlaue Umgehung des Technikreglements, das keine Doppelkupplung erlaubt und kein Automatic-Getriebe. Damit sollten die Kosten überschaubar gehalten werden.

Aber das zero-shift-System von Honda ist alles andere als preiswert. Die Kundenteams sollten dafür 2012 zusätzlich 700.000 Euro bezahlen.

Honda hat nie verraten, was die Entwicklung des zero-shift-Systems gekostet hat. Es war ein Vermögen.

Yamaha-Rennchef Lin Jarvis lamentierte in Misano: «Wenn Honda nicht so viel Geld für die seamless gearbox investiert hätte, hätten wir nicht so eine Riesensumme ausgeben müssen, um das nachzumachen.»

Aber der Wettbewerb verlangt solche Investitionen. «Wir sind immer auf der Suche nach einer besseren Technologie», gab Jarvis zu. «Bisher gab es das Seamless-System noch nie auf einem Strassenmotorrad. Aber wir wissen nicht, was in zehn oder 15 Jahren passiert.»

Livio Suppo, Teamprinzipal bei Repsol-Honda, stellte einen anderen Punkt zur Diskussion. «Es gibt heute viele Sportmotorräder im Verkauf, die eine elektronische Suspension haben. In der MotoGP ist sie verboten. Die Vorschriften sollten im Einklang mit der Serienproduktion stehen. Aber das ist ein schwieriges Thema.»

Honda-Getriebe funktioiniert optimal

Der ehemalige Aprilia-Renndirektor Jan Witteveen meint, Honda habe beim Getriebe immer noch klare Vorteile gegenüber Yamaha und Ducati. «Bei Honda liegt die Schaltunterbrechung bei einem Gangwechsel bei maximal 0,005 Sekunden», weiss Witteveen. «Wenn man den Honda auf der Strecke zuschaut, sieht man, dass sie Vorteile haben beim Schalten in maximaler Schräglage. Da funktioniert es wirklich nahtlos. Vor allem im ersten und zweiten Gang kriegen sie das bei der neuen Version am besten hin. Beim Schalten vom fünften in den sechsten Gang ist diese nahtlose Übertragung nicht mehr so wichtig, weil diese Gänge weniger verwendet werden und weil es da keine so brutale Beschleunigung mehr gibt. Ausserdem ist das Motorrad bei diesem Speed meistens gerade aufgerichtet. Honda hat sogar den Leerlauf, der normal zwischen dem ersten und zweiten Gang liegt, aus diesem Grund rausgenommen und ganz nach oben verlegt. So klappt die Beschleunigung zu 100 Prozent. Yamaha und Ducati haben da immer noch Nachteile. Bei ihnen fängt das Seamless-Getriebe erst im zweiten Gang an. Ihr Getriebe wurde von Getrieben aus der Formel 1 und Rallye-WM abgeleitet, sie sind für die Autos entwickelt worden. Die Getriebe von Yamaha und Ducati sind nicht so perfekt entwickelt wie jenes von Honda. Bei Ducati und Yamaha konnten die Getriebe deshalb sogar im bisherigen Gehäuse untergebracht werden.»

«In der Formel 1 und Rallye-WM haben sie hydraulische Pumpen im Auto, diese werden zusätzlich genützt, damit die Schaltvorgänge schneller gehen», erläutert Witteveen. «In einem normalen Auto müssen diese Schaltvorgänge mit der Hand manuell erledigt werden – oder von der Automatic. Das wäre für ein Rennfahrzeug viel zu langsam. Wenn du eine hydraulische oder pneumatische Hochdruckpumpe im Auto hast, kannst du die Gänge mit 40 oder 50 bar blitzartig reindrücken. Das geht beim Motorradsport nicht, weil du keine solchen Pumpen an Bord hast.»

Witteveen weiter: «Man sieht ja in der Formel 1 und bei den Rallye-Autos im Fernsehen, dass sie nur auf den Knopf drücken, um den Schaltvorgang zu beschleunigen. Beim Motorrad kann ich das nicht machen, weil die Pumpe fehlt. Yamaha hat deshalb so lange gebraucht, bis sie ein Seamless-System hatten. Sie brauchten Daten vom Motor, über Drehzahl und so weiter, sie brauchen genaue Informationen, damit es keine Kraftübertragung gibt für den Moment, in dem geschaltet wird. Wenn das nicht 100-prpzentig perfektioniert ist, ist es für den Fahrer gefährlich. Es darf beim Schaltmanöver einfach keine Kraft übertragen werden, bis der Gang wirklich eingelegt ist. Das sind kritische Momente. Deshalb ist das Seamless beim Bike so kompliziert.»

Witteveen bezeichnet das Honda-Zero-Shift-System als vorbildlich. «Das Honda-Getriebe hat keine Klauen, es ist deshalb viel kleiner und viel schmaler, dadurch biegen sich die Wellen nicht durch», weiss der Niederländer. «Es ist schon von der Mechanik her viel ausgefeilter und besser. Ducati und Yamaha haben jetzt das Problem, dass sie rausfinden müssen, wie sie beim Getriebe technisch in die Nähe der Honda-Qualität kommen.»

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