Wo Baden von den Sachsen lernen kann!

Von Guido Quirmbach
So soll es sein: Volles Haus am Sachsenring

So soll es sein: Volles Haus am Sachsenring

Auch 2010 war der Motorrad-GP von Deutschland am Sachsenring besser besucht als der Formel 1-WM-Lauf in Hockenheim.

Die Motorsport-Saison 2010 befindet sich bereits in der zweiten Hälfte. Die deutschen Grossereignisse sind mit Ausnahme des Superbike-WM-Laufes (03.-05.09. Nürburgring) bereits gelaufen. Formel 1, MotoGP, 24h Nürburgring, Norisring. Erfreulich dabei: Die Zuschauerzahlen waren durchweg in Ordnung, meist sogar mehr als im Vorjahr. Bemerkenswert: die MotoGP am Sachsenring hatte wieder bedeutend mehr Zuschauer als der Formel 1-GP, obwohl in Hockenheim sechs deutsche Piloten am Start waren, darunter mit Sebastian Vettel ein WM-Kandidat und Michael Schumacher gab seinen ersten Einsatz in Deutschland nach seinem Comeback. Nach Hockenheim kamen laut Aussage des Veranstalters rund 65.000 am Sonntag, die gesamte Anlage fasst aber 120.000.

Was hat der Sachsenring, wo es keine sichtbaren Lücken auf den Plätzen gab, besser gemacht? Beim grossen Neubau in den 1990ern ist es den Sachsen gelungen, mit bescheidenen Mitteln eine zweckmässige Anlage an die Landschaft anzupassen, die zwar von der Infrastruktur nicht vergleichbar ist mit den Protzbauten in Hockenheim oder am Nürburgring, in der es aber dennoch niemandem an irgendetwas fehlt. Und der Sachsenring wird von den Fans angenommen, das ist im Endeffekt das Entscheidende! Doch die Zahlen von Hohenstein-Ernstthal beweisen auch, dass der Zuschauer immer noch an Motorsport auf hohem Niveau interessiert ist und die Anzahl der Lokalhelden eigentlich zweitrangig ist, solange Rennaction und allgemeines Programm  stimmen.

In Baden hingegen wurden in der Vergangenheit viele Fehler gemacht, die man erst in den letzten Jahren schmerzhaft spürt. Am Hockenheimring gab es auch schon ausverkaufte Ränge vor dem Schumi-Boom. 1989 und 1990 gab es Radiodurchsagen, die vor der Anreise nach Hockenheim ohne Ticktets warnten. Auch damals waren die Preise schon unverschämt teuer, die teuren Tickets tragen sicher viel zum Zuschauerschwund bei der Formel 1 bei, sind aber nicht alles. Sie waren auch schon teurer.

Meines Erachtens gibt es sowas wie ein Generationsproblem. Denn von den Besuchern, die schon vor 1992 ins Motodrom zogen, kommen heute nur noch ganz wenige. Neben der natürlichen Fluktuation wurde ein grosser Teil auch Opfer des Schumacher-Booms. Nein, dafür konnte der Kerpener nichts. Nur die Veranstalter hatten angesichts des gestiegenen Interesses an, nein, nicht der Formel 1, sondern an Schumi, nur noch Blick für die schnelle Mark. Die unverschämten Preise schossen nochmals in astronomische Höhen, Bestellungen von Stammplätzen oder Sammelbestellungen für private Gruppen waren nicht mehr machbar, Campingplätze wurden gestrichen zu Gunsten von Promotion-Flächen. Die bei der Formel 1 schon immer grosse Distanz zwischen Aktiven und Fans wurde noch grösser. So zog sich der jahrelange treue, zahlende Rennfan mehr und mehr aus Hockenheim zurück, das Stammpublikum fehlte.

Doch das merkte zunächst keiner, denn es gab in den 1990ern weit mehr Nachfrage als Angebot. Und da es damals besonders «In» war, Schumi zu sehen, war der GP weiter ausverkauft, egal was es kostete. Doch was einmal «In» ist, wird irgendwann auch mal wieder «out». Der Mensch braucht schliesslich immer wieder neue Sensationen. So fehlen heute die Schicki-Mickis ebenso wie der altgesottene Stamm. Bis der sich soweit wieder aufgebaut hat, werden noch Jahre vergehen. Wenn man ihn nicht wieder vergrault oder aber sich Ferrari noch öfter nicht an die Spielregeln hält.

Am Sachsenring werden die Ränge sicher auch in den nächsten Jahren voll sein. Den Machern dort gebührt ein Lob für die letzten 12 Jahre Motorrad-Grand-Prix. Sie haben sich eine von der Fan-Gemeinschaft akzeptierte Veranstaltung geschaffen und neben den naturgemäss wechselnden Besuchern ein grosses Stammpublikum. Und sollte ein deutscher Zweirad-Artist wirklich einmal in die Weltspitze der MotoGP vorstossen, dann hat der Sachsenring mit Hockenheim ein mahnendes Beispiel, wie man es nicht machen sollte. Für alles andere sollten die deutschen Formel 1-Veranstalter eher einmal den Blick nach Sachsen werfen, dort können sie zumindest zu diesem Thema einiges lernen.

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