Eine Rennstrecke ist kein Stadion

Von Guido Quirmbach
Keine gute Stimmung rund um die Nürburg!

Keine gute Stimmung rund um die Nürburg!

Am Nürburgring ist 2009 das Jahr der Veränderungen. Über Sinn und Unsinn kann man streiten.

Letzten Donnerstag hab ich am Nürburgring eine leckere Currywurst gegessen. Aufmerksam geworden bin ich durch eine Werbekampagne der «Box 77», das ist eine der beiden Imbissbuden innerhalb des Hauptfahrerlagers, die mich voll angesprochen hat. Vor dem Büdchen stand nämlich auf einer Tafel angeschlagen: «Heute Barzahlung möglich!»

Denn bei Veranstaltungen am Nürburgring zählt der alte Spruch «Nur Bares ist Wahres» seit diesem Jahr nichts mehr. Um an einer Imbissbude eine Wurst zu kaufen, braucht man die «ring°card» Die lädt man sich mit einem Geldbetrag auf und kann damit bargeldlos am Nürburgring bezahlen. Es ist das einzige Zahlungsmittel am Nürburgring, egal ob ihm Fanshop, an der Frittenbude, «ring°werk» oder in den Restaurants im neuen Eifeldorf «Grüne Hölle»

So lange Geld auf der Karte ist, dann muss man sie sich neu aufladen. Wenn man den Ring verlässt, geht man zu einer Ausgabestelle und lässt sich den Restbetrag auszahlen. Ausgabestellen sind alle festen Kassen, der Ring verspricht, dass eine Ausgabestelle immer 24 Stunden geöffnet ist.

Soviel zur Theorie.

Die Praxis ist für den Besucher eher aufwändig. Denn Aufladekarten haben immer genau den Nachteil, dass sie meist leer sind, wenn man sie braucht. Es ist nervend, sich dann wieder eine Ladestation zu suchen. Und es ist einfach ärgerlich, wenn man noch viele Meter laufen muss, um sich das Restguthaben auszahlen zu lassen. Als Einwohner von Adenau, erkenne ich an der «ring°card» vielleicht Vorteile, als Gelegenheitsbesucher bei 300km Anreise sicher nicht.

Wenn einmal der Parkplatz näher liegt als die noch offene Ausgabestelle, dann geht der Rennbesucher schon mal eher zum Auto, schliesslich verfällt das Guthaben nicht. Es bleibt bis zu zwei Jahre auf der Karte gültig. Oder er lässt den Restbetrag verfallen, weil er nicht für einen Euro noch die noch offene Ausgabestelle suchen möchte. Das ist natürlich schön für den Nürburgring, wenn er 20,-€ erhält und der Kunde zunächst mal nur 10,-€ ausgibt oder sogar noch Guthaben verfallen lässt. Summiert ist das viel Geld, mit dem man arbeiten kann. Und wer schleppt schon eine Kundenkarte dauernd in seinem Geldbeutel mit, die er maximal einmal im Jahr braucht? So vergisst der ein oder andere die Karte beim nächsten Besuch und muss sich eine neue besorgen. Wenn er überhaupt wiederkommt. Damit verbleibt auf der ring°card viel Restguthaben. Das Ziel ist damit erreicht, Einnahmen für nichts. Andere nennen es Abzocke!

Es wurden jedenfalls sicher schon wesentlich mehr Würstchen am Ring verkauft als 2009, wie mancher Budenmitarbeiter hinter vorgehaltener Hand klagt. Ich werde weiter die Wurst dann genüsslich verzehren, wenn «Box 77» wieder die ansprechende Werbung draussen hat. Denn ich möchte mich spontan entscheiden, wenn ich etwas essen oder trinken will und nicht noch überlegen müssen, wie ich wo wieder an mein Restgeld komme!

Damit hat sich für mich auch das Eifeldorf erledigt. Aber Essen kann ich auch sehr gut in den Restaurants in Nürburg selbst, wo mein Bargeld noch gerne gesehen ist. Und wo auch die Bedienungen freundlich sind, denn dort können sie noch ein Trinkgeld erwarten. Im Gegensatz zu ihren armen Kollegen und Kolleginnen im Eifeldorf, die dank der «ring°card», auf das Trinkgeld weitgehend verzichten müssen. Denn wo kein Bargeld fliesst, gibt es auch kein Trinkgeld.

Es herrscht schlechte Stimmung rund um die Nürburg. «Grössenwahn» ist noch die harmloseste Bezeichnung der Einheimischen für das neue Projekt und die Nürburgring-Geschäftsführung. Ein Hotelbetreiber hat Zeitungsberichte über die Finanzierungspleite fein säuberlich ausgeschnitten, eingerahmt und im Gastraum aufgehängt. Sicherlich engstirnig, aber bezeichnend für die Situation in der Eifel. Die selbstständigen Gastronomen fürchten um ihr Geschäft. Der Nürburgring, einst gebaut, um die Region wirtschaftlich zu stärken, braucht selbst jeden Euro, das regionale Umfeld interessiert nicht mehr. Ein Wirt: «Am liebsten würden die eine Mauer um den ganzen Ring samt Eifeldorf ziehen, damit ja niemand mehr auf die Idee kommt, ausserhalb zu nächtigen oder zu essen!“

Die Zeiten, wo die Familie des Rennbesuchers sich aus der Kühltasche selbst ernährt hat, sind am Ring jedenfalls vorbei. Es gibt inzwischen Hinweisschilder, die das Verzehren von mitgebrachten Speisen und Getränken auf den Tribünen verbieten. Auch wenn es derzeit noch nicht durchgesetzt wird und es noch keine Rucksackkontrollen gab, es lässt für die Besucher nichts Gutes für die Zukunft zu erwarten. Einer der Gründerväter des Eurospeedway Lausitz fand diese Regelung einst bei der Eröffnung auch normal und verkündete: «Es nimmt ja auch niemand seinen Sekt mit in die Oper!» Mag sein, aber Rennfans sind Rennfans und nur selten Operngänger, sie blieben dem Eurospeedway fern. Viele bis heute.

Autorennen sind in der Regel Ganztagesveranstaltungen. Die Fans müssen weite Anreisen in Kauf nehmen, weit mehr als in der Regel der Fussballfan und oder der Operngänger. Was im Stadion oder Theater funktioniert, muss noch lange nicht auf einer Rennstrecke funktionieren. Aber eigentlich ist am Nürburgring 2009 ausserhalb der Rennstrecke sowieso fast nur Theater…

Doch es gab auch schönen Sport am Wochenende auf dem Nürburgring, alles rund um das ADAC 1000km-Rennen sowie den gesamten Motorsport auf zwei und vier Rädern sowie in der Luft lesen sie in der aktuellen Ausgabe von SPEEDWEEK, für nur 2,- € am Kiosk. Übrigens: In der Regel bevorzugt der Kioskbesitzer Bargeld.

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