Inflation der Formel-Serien
Nachwuchs-Formel die Nächste: GP3
Wissen Sie noch, wer in diesem Jahr die International Formula Masters gewonnen hat? Oder die Formel 2? Oder die Formula Renault 2.0 NEC? Oder die GP3? Halt, die GP3 gibt’s ja noch gar nicht. Sind sie überhaupt schon alle zu Ende? Selbst ich müsste nachschauen, ich kann es auf Anhieb nicht beantworten.
Als ich angefangen habe, mich für Motorsport zu interessieren, war das alles noch ziemlich simpel. Es gab nationale Formel Ford 1600-Meisterschaften, nationale und internationale Formel Ford 2000 sowie Formel 3, die Formel 2-EM und dann die Formel 1. In Frankreich ersetzte vielleicht die Formel Renault die Formel Ford, gleiches galt in Italien für die Formel Abarth, aber das war es auch.
Der Karriereweg eines Motorsportlers war so vorausbestimmt. Nachdem man den nationalen Serien entwachsen war, kämpfte man mit den anderen Landesbesten auf europaweiter Ebene. Sicher gab es Ausnahmen wie die englische Formel 3-Meisterschaft, aber im Regelfall kamen die Besten über diesen Weg bis in die Formel 1.
Und heute? Jemand hatte sich kürzlich die Mühe gemacht, die Formel-Serien in Europa zu zählen, es sind derzeit 36. Eine unglaubliche Zahl. Wer soll denn da noch durchblicken?
Der Grossteil spielt sich ab zwischen den Einsteiger-Serien wie Formel Ford, ADAC Formel Masters oder Formel BMW und der Spitze im Motorsport, der Formel 1. Die Einsteiger-Serien machen in meinen Augen ja noch einen Sinn. Doch wie geht es dann weiter?
Die Formel 3-Euroserie war bislang in Europa die wichtigste Zwischenstation, dann folgte die GP2. Nun gibt es zukünftig auch die GP3. Braucht man dann die Formel 3 nicht mehr? Oder erst recht?
Fakt ist, es gibt wieder eine Serie mehr. Wieder eine Serie, die TV-Zeit für sich beanspruchen möchte. Die gerne Berichterstattung in den Print- und Online-Medien hätte. Wieder eine Serie mit all ihren Piloten, die um Sponsoren-Gelder buhlen. Die um die Aufmerksamkeit des Fans kämpft. Oder einfacher gesagt: Wieder eine Serie mehr, die ein Stück vom nicht grösser werdenden Kuchen bekommen möchte.
Der Grossteil der GP3-Rennen soll im Rahmen der europäischen Formel 1-Rennen stattfinden. Das Konzept scheint zu funktionieren, man kann nicht nennen, sondern wurde ausgesucht. Dafür verpflichten sich die selektierten Teams, mit drei Autos an den Start zu gehen.
Und nach der Saison 2010 wird man sich die Frage stellen, wer denn nun der bessere war. Der Formel 3-Sieger oder der Sieger der GP3. Oder was ist eigentlich mit dem Sieger der Renault World Series? Die Formel 2-Boliden haben beinahe mehr Leistung als die GP3 oder Formel 3 zusammen? Also ist dort der beste Pilot? Wer weiss es schon. Gegeneinander gefahren sind sie ja nie.
Gewinner sind die Ausstatter der Serien, da es mittlerweile unterhalb der Formel 1 eh fast nur noch Markenpokale gibt, ausgenommen die Formel 3. Renault liegt hier auch gut im Geschäft, ebenso wie Dallara freuen sie sich darüber, nach der GP2 nun eine weitere Serie ausstatten zu dürfen.
Doch die Inflation der Serien bringt ansonsten eigentlich nur Verlierer. Starterfelder werden allgemein dünner, Fahrer setzen auf die falsche Serie und verprellen ein für alle Mal ihren Geldgeber. Der Otto-Normal-Zuschauer weiss nicht mehr, was er sich anschauen muss und bleibt vorsichtshalber zu Hause. Ein Sender wird’s schon übertragen. Tut er auch, aber in der Regel nur ein Jahr, denn weder Einschaltquoten noch Werbebuchungen entsprechen den Erwartungen.
Ein grosser Industriezweig hängt dahinter, der Serien-Promoter wird auch seinen Gewinn im Vorfeld kalkuliert haben. Einen Gewinn, dem er einem anderen Markteilnehmer wegnehmen muss. Denn auch im Motorsport ist der Markt der Ort, wo Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen. Und die Erfahrung gerade in den letzten Jahren zeigt, dass der Motorsport kein nach oben offener, sondern ein begrenzter Markt ist.
Die Entwicklung der vielen Nachwuchsformeln sollte der kommende FIA-Präsident genau beobachten. Denn es ist die FIA, die internationale Serien genehmigen muss und gegebenenfalls auch ablehnen kann!
Wie dem auch sei, wir kommen unserer Informationspflicht selbstverständlich zu allen Serien nach. Auch heute wieder gibt’s alles rund um den Motorsport auf zwei und vier Rädern sowie in der Luft im neuen Magazin von SPEEDWEEK für nur 2,-€ am Kiosk.