Fazit Rallye Finnland: Comeback des Heimvorteils
Heimlicher «Fahrer der Rallye» – Teemu Suninen im privaten Ford
Das hat die finnische Ralle-Seele dringend gebraucht. Endlich einmal wieder gaben beim WM-Lauf in den Wäldern rings um Jyväskylä die Einheimischen das Tempo vor.
Zeitweise sah es nach einem Dreifach-Sieg für die Lokalhelden aus. Am Ende verdarb zwar Elfyn Evans aus Wales auf Rang zwei die Party der Hausherren. Doch die Schmach von 2016 war damit vergessen.
Damals gewann der Brite Kris Meeke nicht nur den inoffiziellen «Großen Preis von Finnland», sondern versetzte Publikumsliebling Jari-Matti Latvala den Todesstoß ausgerechnet auf der Wertungsprüfung Ouninpohja, dem heiligen Gral des finnischen Rallyesports.
Die zurückgekehrte Überlegenheit der Finnen kam nicht von alleine. Toyota ist in Jyväskylä zu Hause. Auf bestimmten Waldwegen rings um die Teambasis darf das Team deswegen unbegrenzt testen. «Insgesamt waren es zehn Tage», gab Teamchef Tommi Mäkinen zu. Insofern war die Leistung von Sieger Esapekka Lappi und des Drittplatzierten, Juho Hänninen, gar nicht so erstaunlich.
Speziell Hänninen hat den Yaris WRC schon 2016 über Tausende von Kilometern über die Sprungkuppen und um die Highspeed-Kurven Mittelfinnlands getrieben. «Man muss realistisch bleiben», sagte der für seine 26 Jahre erstaunlich abgebrühte Lappi. «Wenn ich irgendwo schon jetzt mit der Weltspitze mithalten kann, dann in Finnland.»
Nur Teamkollege Jari-Matti Latvala zeigte dem Shootingstar am Samstagvormittag die Grenzen, als er mit nun vergleichbarer Startposition den nach Etappe eins führenden Lappi scheinbar mühelos überholte. «Sein Tempo konnte ich nicht mitgehen», räumte Lappi ein.
Latvala blieb allerdings der ihm angestammten Rolle als tragischer Held treu – ein Elektronikdefekt verhinderte den vierten Finnland-Sieg des 32-Jährigen. Latvala ist jetzt nur noch Tabellenvierter, der Traum vom Weltmeistertitel ist endgültig geplatzt.
Vielleicht ebenso erstaunlich wie Lappis Siegesfahrt war die Leistung von Teemu Suninen. Der 23-Jährige hatte vor dem Start exakt eine WM-Rallye im World Rally Car (WRC) auf dem Buckel – noch einmal zwei weniger als Lappi.
Trotzdem geigte er im M-Sport-Ford munter an der Spitze mit. Es kam zu drolligen Szenen bei der abendlichen Zwischenbilanz-Konferenz. Moderatorin Becs Williams stellte Latvala und Lappi formell als Repräsentanten von Toyota vor, Suninen als Repräsentant von – äh, uh, räusper – sich selbst.
Den Platz auf dem Podium verlor Suninen durch einen eingesprungenen Rittberger bei hohem Tempo kurz vor dem Ziel, bei dem er Riesenglück hatte, dass dem Ford hinterher nur die Frontverkleidung fehlte.
Die starken Leistungen von Lappi und Suninen zeigen auch, dass das Konzept der Kategorie R5 in Sachen Nachwuchsausbildung zu funktionieren scheint. Lappi war 2016 im Skoda Fabia R5 WRC2-Weltmneister, Suninen hat in der laufenden Saison noch Chancen auf diesen Titel. «Abgesehen von der Motorleistung fährt sich ein R5 und ein WRC sehr ähnlich», sagt Lappi.
In Finnland wurde auch in der Kategorie WRC2 die Beute eines jungen Finnen. Hier hatte Jari Huttunen - eigentlich Opel-Werksfahrer in der Junior-Europameisterschaft - die Nase vorne.
Damit hat das Land mit den meisten Rallye-Weltmeistern in seinen Reihen schon wieder mindestens drei heiße Eisen im Feuer, in absehbarer Zukunft das Erbe der Generation Ogier/Latvala/Neuville anzutreten. Und mit dem gerade erst 16 Jahre alten Kalle Rovanperä steht schon der nächste Kandidat in den Startlöchern.
Wie viele hat gleich noch mal Deutschland, Europas Autofahrer Nummer eins? Ziemlich genau null. Schwacher Trost: Auch in anderen Ländern sieht es momentan nicht viel besser aus.
Wobei in der finnischen Nachwuchsriege neuerdingds nicht mehr Managerlegende Timo Jouhki das alleinige Sagen hat, der schon Juha Kankkunen, Tommi Mäkinen und Jari-Matti Latvala den Weg an die Weltspitze ebnete. Der alte Fuchs wollte eigentlich längst den Ruhestand genießen. Doch vor zwei Jahren hat er sich Teemu Suninen gekrallt und läuft auch mit Rovanperä junior gerade noch einmal zu Hochform auf.
Esapekka Lappi wird dagegen von der relativ jungen norwegischen Firma Even Management betreut. Um Jari Huttunen kümmert sich Marcus Grönholm.
Der heute 48-Jährige war 2002, vor 15 Jahren, der letzte finnische Weltmeister. Könnte sein, dass diese Durststrecke der «Fliegenden Finnen» bald beendet wird.