Fazit Rallye Finnland: Der Ton wird rauer
Vorteil Gaststarter? Kris Meeke feierte den zweiten Saisonsieg
Jost Capito sprach aus, was auch Fahrern, Teamchefs und anderen Experten klar war. «Wenn er keinen Fehler macht, ist Kris Meeke hier nicht zu schlagen», sagte der Volkswagen-Motorsportdirektor vor dem Start der Rallye Finnland.
Meekes Konter kam ebenso vorhersehbar. «Auf welchem Planeten lebt er eigentlich?» fragte der Citroën-Pilot mit Unschuldsmiene. Und Capitos Kollege im Citroën-Steuerstand, Yves Matton, lästerte: «Volkswagen sollte die ständigen Diskussionen über die Startreihenfolge endlich beenden und die Regeln akzeptieren. Ich denke ´nicht, dass so etwas gut ist für das Image einer Marke.»
Vier Tage später hatte Meeke seinen zweiten Saisonsieg erzielt, ähnlich überlegen wie zuletzt bei der Rallye Portugal.
Dass wir uns nicht missverstehen: In Finnland zu gewinnen, ist eine phänomenale Leistung die jede Anerekennung verdient. Egal von welcher Startposition. Auch Meeke musste den Vorteil, am Freitag und Samstag als Achter auf die Piste zu gehen, erst einmal in Bestzeiten und vor allem eine fehlerfreie Fahrt umsetzen.
Trotzdem ist das Verfahren, die Startposition nach WM-Stand festzulegen, eine eindeutige Wettbewerbsverzerrung. Tabellenführer Sébastien Ogier (Volkswagen) fuhr vom ersten Meter an ohne realistische Siegchance, genau wie bei allen bisherigen Schotter-Rallyes der Saison 2016. Erst, als er im Verlauf der zweiten Etappe wegen einer Notreparatur an den Bremsen 13 Minuten zu spät an der folgenden Zeitkontrolle eincheckte und fortan – ein Schelm, wer Böses dabei denkt – genau vor Meeke startete, fuhr er auf dem Niveau des Citroën-Piloten und sogar zwei Bestzeiten.
Trotz der für 2016 verschärften Benachteiligung durch das Reglement hat der Weltmeister nach acht von 14 WM-Läufen einen Vorsprung von 45 Punkten – also beinahe zwei WM-Siege – vor Teamkollege Andreas Mikkelsen. Und dreieinhalb der verbleibenden sechs Rallyes finden auf Asphalt statt. Hier ist Ogier nicht nur ohnehin der klare Favorit. Auch ist die Startposition eins auf festem Untergrund ein Vorteil, weil die Ideallinie durch das Kurvenschneiden mit jedem Auto schmutziger wird. Ich jedenfalls würde nicht gegen den vierten Titel in Folge für den Volkswagen-Piloten wetten.
Kein Wunder, dass die um die Spannung in der WM besorgten Regelmacher der FIA laut darüber nachdenken, das Handicap für den Tabellenführenden – de facto also Ogier – in der Saison 2017 noch einmal zu vergrößern. Was Ogier natürlich und absolut verständlich alles andere als lustig findet. «Ich sage nicht, dass ich dann sofort zurücktrete. Aber lange mache ich das Spiel nicht mehr mit», drohte er vor der Rallye Finnland.
Eins hat auch der Sieg von Meeke in Finnland erneut gezeigt: Citroën weiß noch immer, wie man World Rally Cars (WRC) baut. Zwar bestritten alle Beteiligten, dass der DS3 WRC in letzter Zeit weiter entwickelt worden sei oder gar bereits 2017er Komponenten an Bord habe. «Exakt derselbe technische Stand wie bei der Rallye Finnland 2015», behauptete Meeke. Aber bei allem Respekt vor Craig Breen – der dritte Rang von Citroëns Nummer zwei hat mich deutlich mehr überrascht als der Sieg von Meeke. Sowas geht nur mit einem Hammer von einem Auto. Die Saison 2017, wenn Citroën mit vollem Einsatz und wie alle Konkurrenten mit komplett neuem Auto zurückkehrt, dürfte richtig spannend werden.
Ogiers Teamkollege Jari-Matti Latvala, immerhin mit Startposition vier nicht ganz so schlecht dran wie der Champion, bot Meeke erstaunlich wenig Gegenwehr. Natürlich musste er seine persönlichen Ambitionen zurückschrauben, als Ogier nach einem Ausrutscher weit zurückfiel und damit die Hoffnungen von Volkswagen auf Punkte in der Markenwertung hauptsächlich auf seinen Schultern lasteten. Aber der Finne gab auch zu: «Ich habe nie den richtigen Kampfgeist gefunden.»
Vielleicht aus Frust darüber machte er nach dem Ziel eine neue Diskussionsrunde auf. «Die Rallye ist toll, aber die Tage sind zu lang und die Nächte zu kurz», beschwerte er sich.
Schauen wir uns den Zeitplan also mal im Detail an. Am Freitag wurde um 6:05 Uhr gestartet, die ersten Autos kamen um 20:15 Uhr zum Service. Restart am Samstagmorgen war um 6:15 Uhr, Rückkehr zum Serviceplatz um 21:00 Uhr. Dazwischen lag an beiden Tagen die ungeheure Distanz von rund 150 Kilometer Wertungsprüfung, was für die Spitzenfahrer jeweils etwa 1:20 Stunden Fahrtzeit bedeutete. Am Sonntag ging’s um 6:30 Uhr weiter für noch einmal gewaltige 34,20 WP-Kilometer. Wow!
Ich gehöre ganz gewiss nicht der Fraktion an, für die heutige Rallyefahrer grundsätzlich Weicheier sind. Aber über solche Arbeitszeiten würden beispielsweise die Teilnehmer der Rallye Dakar nur müde lächeln.