Exklusive Einblicke in Vorbereitung von Timo Bernhard

Von Martina Müller
SPEEDWEEK.com verabredete sich mit Porsche-LMP1-Pilot Timo Bernhard, um mit ihm über sein Training für die 24h von Le Mans zu sprechen. Dies ist der erste Part einer dreiteiligen Serie über Bernhards spezielles Programm.

Mit 340 km/h über ganz normale (abgesperrte) französische Landstraßen heizen. Dabei sich nicht nur selbst im Fight um Positionen befinden, sondern auch ständig langsamere Fahrzeuge überrunden. Sowohl bei gellender Hitze wie auch in der Dunkelheit der Nacht die einhundertprozentige Konzentration halten - und all das bei Stints von teilweise mehreren Stunden. Das sind die 24 Stunden von Le Mans. Das größte Autorennen der Welt ist nicht nur für die Rennwagen, sondern auch für die teilnehmenden Piloten eine wahrhaftige Tortur.
Zur Einstimmung auf den diesjährigen Langstrecken-Klassiker an der französischen Sarthe (17./18. Juni) traf sich SPEEDWEEK.com mit Timo Bernhard, um einen tiefgründigen Einblick in seine ganz persönliche Vorbereitung auf das Highlight in Le Mans zu erhalten. Der deutsche Porsche-Werksfahrer ist ein regelrechter Fitness-Enthusiast. Er gilt als einer der besttrainiertesten Rennfahrer der Welt und ist diesbezüglich ein Vorreiter seiner Zunft. Also genau der richtige Mann für das dreiteilige Le-Mans-Spezial.

Herr Bernhard, zunächst einmal vielen Dank dafür, dass Sie sich bereit erklärt haben, den Lesern von SPEEDWEEK.com einen Einblick in ihre Le-Mans Vorbereitung zu gewähren. Zunächst mal ganz allgemein. Worauf muss ein Rennfahrer aus der FIA WEC im Vergleich zu anderen Sportlern achten?

«Anders als beispielsweise in der Leichtathletik, in der man vielleicht ein oder zwei Highlights im Jahr hat, müssen wir als Rennfahrer das ganze Jahr über die gleiche Fitness haben. Das bedeutet: Wir müssen das ganze Jahr über sehr konstant sein. Dennoch legen ich den Schwerpunkt meines Fitnessplans auf Le Mans. Und das nicht nur weil es ein 24-Stunden-Rennen ist, sondern auch wegen der Dauer des Events an sich. Der Le-Mans-Vortest findet schon 14 Tage vor dem eigentlichen Rennen statt. Eine Woche vor Rennstart erfolgt die technische Abnahme und dann baut sich die ganze Woche allmählich auf. Doch diesen enormen mentalen Stress kann man meiner Meinung nach viel besser bewältigen, wenn man auch eine allgemein bessere körperliche Fitness hat.»

Wie sieht das in Ihrem Fall genau aus? Sicherlich ist es nicht damit getan, einfach eine Runde mehr zu joggen.

«Wir haben die Pläne so aufgebaut, dass am Anfang des Jahres, also vor dem ersten Rennen, zunächst größere Umfänge gemacht werden. Somit wird eine solide Basis aufgebaut. Bei mir geschieht das hauptsächlich durch Laufeinheiten. 2016 bin ich fast 1400 Kilometer gelaufen. Ich führe da wirklich genau Buch. Im Jahr davor hatte 1500 Kilometer und das Jahr davor auch 1500 Kilometer an Einheiten abgespult. Das ist also relativ stabil. Ich lege die Pläne eigentlich so, dass ich vor Le Mans mehr Laufeinheiten habe. In der Le-Mans-Woche an sich mache ich aber fast kein Training mehr. Ich versuche mein Training so zu staffeln, dass ich die Einheiten ein oder zwei Wochen vorher herunterfahre. So ist gewährleistet, dass sich der größte Benefit, also der Hauptgewinn des Trainings, in der Le-Mans-Woche niederschlägt und ich erholt und fit bin.»

«Der zweite Teil neben dem Lauftraining sind dann die Krafteinheiten. Diese mache ich am Olympiastützpunkt in Saarbrücken. Dabei lege ich großen Wert auf die Rumpfmuskulatur, Schulter und Nacken. Denn dort muss der Körper im Rennauto den meisten physischen Stress aushalten.»

Welche Übungen sind dabei besonders wichtig?

«Pro Einheit am Olympiastützpunk trainiere ich (je nach Plan) an neun bis zehn Geräten. Ich mache dann nur zehn verschiedene Übungen. Vor Le Mans sind mit Sicherheit vier Nackenübungen dabei, die über unterschiedliche Weise den Bereich trainieren - beispielsweise mit der Kurzhandel oder dem Nackenband, welches sehr spezifisch die G-Kräfte im Auto simulieren soll. Im zweiten Teil der Saison fahre ich die Nackenübungen auf vielleicht noch zwei herunter. In Le Mans braucht man neben der Ausdauer eben auch mehr Kraft.»

Wer erstellt Ihnen diese Pläne?

«Da bin ich zum Glück gut ausgestattet. Ich habe seit 13 Jahren einen Personal-Trainer. Dieser unterstützt am Olympiastützpunk verschiedene Sportler, wie zum Beispiel auch Triathleten. Mit der bekannteste Athlet, den er betreut hat, ist Jan Frodeno, der bei Olympia 2008 Gold holte. Ich arbeite seit 2004 mit diesem Trainer zusammen. Mittlerweile weiß er auch, worauf es im Motorsport ankommt, da ich ihm stetige Rückmeldung gebe. Er baut meinen Plan anhand des Kalenders der WEC auf. Sprich: Zunächst das Highlight in der ersten Saisonhälfte - dann etwas Pause. In der zweiten Saisonhälfte sind es zwar kürzere Rennen, jedoch habe ich dann mehr Reisestress. Das bedeutet: Die Kraft an sich ist nicht mehr so entscheidend. Es ist mehr die Ausdauer gefragt. Dazu gilt es auch, die Zeitumstellung zu berücksichtigen. Da man sechs verschiedene Länder bereist, braucht der Körper in der zweiten Saisonhälfte einfach etwas Anderes als in der ersten Hälfte, in der wir nur in Europa unterwegs sind. Das ist einfach eine ganz andere Anforderung. Und dann sind da noch die Laufpläne, die mir ein sehr erfolgreicher Triathlon-Trainer schreibt. Dessen Athleten wurden letztes Jahr beim Ironman auf Hawaii Zweiter und Fünfter.»

«Ich muss aber auch ehrlich sagen, dass der Motorsport diesbezüglich noch nicht überall flächendeckend so gut aufgestellt ist, wie andere Sportarten. Man muss sich durch sein eigenes Engagement die Trainer suchen. Gerade als wir 2004 angefangen haben, gab es im Motorsport diesbezüglich sehr wenige Fachkräfte – mal abgesehen von der Formel 1 vielleicht. Der Trainer, den ich gefunden habe, hat inzwischen auch viele Anfragen von anderen Rennfahrern aus der Region. Das baut sich jetzt so langsam auf.»

Wenn ich das richtig verstehe, ist der Rennfahrer also komplett eigenverantwortlich für seine Fitness zuständig?

«Ich bin schon seit 1999 bei Porsche. Da gibt es regelmäßig Gesundheitschecks, Leistungstests und auch immer Hilfestellungen. Im aktuellen LMP1-Projekt ist es im Prinzip genauso. Wir haben ein- bis zwei Mal im Jahr einen Gesundheitscheck und einen Leistungstest, dessen Daten wir auch sehen und Empfehlungen bekommen. Aber das Training ist im Prinzip dann letztendlich Privatsache. Da muss man sich schon selbst ausrichten, wenn man sich noch weiter verbessern will. Ich bin in dieser Beziehung sehr penibel und versuche die einhundert Prozent herauszuholen.»

 

 

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