Erster Schöpfungstag
Einzigartige Atmosphäre: Der Start zur Dakar 09 in Buenos Aires
Rings um den Zeremonien-Startort an DEM Nationaldenkmal des Landes, dem Obelisken in Buenos Aires, hatten 500 000 Zuschauer applaudiert. Nicht nur den Autos und Krädern, auch den Tango-Tanzpärchen, deren halbnackte Damen sich bei 17 Grad noch mehr als sonst üblich verbogen. Die Autostars wurden besonders gefeiert – allen voran natürlich Carlos Sainz. VW-Vorstand Dr. Hackenberg gratulierte auf der Rampe und schien sehr stolz auf seine vier Touareg. Die Zuschauer erfreute das ebenfalls, obwohl Maradona, wie es die VW-Marketing-Abteilung eigentlich geplant hatte, nicht mit feierte: Er weilte in Sachen Fussball in Spanien.
Auf dem gesamten Weg zum Start der 1. Etappe gen Santa Rosa de la Pampa und auf dem ins Biwak dürften doppelt so viele Fans wie am Obelisk geklatscht haben, vor allem in kleinen Orten, wo sonst gar nichts los ist ausser Kühen und an Kreuzungen, wo ausser gelegentlichen Unfällen nichts passiert.
Gut, es war Samstag, und der Argentinier sitzt an freien Tagen gerne mit nacktem Oberkörper neben verbranntem Rindfleisch auf dem Grill unter Strassenbäumen. Wenn dann noch Renngeräte vorbei donnern, lassen sich T-Shirts begeistert schwingen. In den Ortschaften sah es aus wie bei der Rallye Portugal vor 30 Jahren – eng gedrängt blockierten die Menschen alle Fahrbahnen. Sie schüttelten die gern ausgestreckten Hände der Motorradfahrer und jubilierten.
Von dem, was sich auf den ultraschnellen Sandstrecken in der höchst platten, sehr übersichtlichen Pampa und zwischen den Sonnenblumenfeldern abspielte, bekamen sie wenig mit: Unglaublich dichte Staubfahnen hingen über den Pisten, ganze Heerscharen von Uniformierten liessen keinen nahe ans Geschehen.
Carlos Sainz, am 3. Januar Zweitschnellster, moserte: «Diese 371 Kilometer Raserei zum Auftakt hätte man sich gut ersparen können – nichts als geradeaus.» Der Matador rollte fast 250 Kilometer hinter Stéphane Peterhansel her, konnte den aber nicht überholen. Und Peter maulte: «Das Problem für uns waren die Motorradfahrer – die kamen ja nicht voran.»
Das Problem waren keinesfalls die Biker, oder nicht nur: Die Strecke war so langweilig potteben, glatt, hart und schnell, dass die Autos mit Top-Speed von 175 bis 180 km/h dahin segelten. Und dauernd auf Motorräder von lange vor ihnen gestarteten Nicht-Vollprofis auf liefen, die mit gerade mal 140 km/h bereits ihre fahrerischen Grenzen überschritten hatten.
Der Schnellste am Starttag war Nasser Al-Attyah, der die Strecke mit einem Schnitt von 142 km/h wegsteckte. Sein Boss Sven Quandt wirkte sehr heiter, als er nach einer kleinen Siesta auf einem der 14 kühlen Betten in einem seiner acht Lkw – ja, luxuriös und klimatisiert geht’s zu bei X-Raid! – kündete: «Nasser hat keinen Fehler gemacht, Guerlain aber genau einen!»
Chicherit war ein bisschen zu schnell im Staub in eine eckige Linkskurve geraten – er überschlug sich, glücklicher Weise in einem X3CC aus dem Vorjahr. Freude machte dem Teamboss besonders sein argentinischer Kunde Orly Terranova – der wurde Siebter, dank des psychologischen Einbremsens von Co Alain Guehennec. Dass Kunde Peter van Merksteijn, bei seinem ersten Einsatz im BMW und seiner Dakar-Premiere, einen 10. Platz herausfuhr, gefiel dem Boss noch mehr: «Wenn noch weitere solche Erfolge kommen, kriege ich mehr Kunden und kann das Jahr 2009 vielleicht mit Profit abschliessen.»
Danach schaut man bei VW – zumindest in der Sport-Division - nicht: Drei der vier Touareg auf den Plätzen 2, 3 und 4, Sainz vor de Villiers und Miller, nur den armen Dieter Depping erwischte es: Er musste die letzten 90 Kilometer mit maximal 78 bis 80 km/h absolvieren, da sein schöner Dieselmotor nur bis 2500/min drehte. Dieter: «Wir haben wohl 40 Minuten beim Bauen verloren – nicht so gut.»
Nicht so froh wie bei X-Raid und auch VW war man bei Mitsubishi: Stéphane Peterhansel fuhr nach eigener Ansicht ein wenig zu verhalten, obwohl bisweilen auch mit 180 km/h, daher nur ein sechster Platz hinter Luc Alphand auf dem fünften: «Unser Job heute war es, nicht zu viel Zeit zu verlieren.» Ihm, Peter und Nani Roma gelang das wohl, nicht aber Mehrfachsieger Hiroshi Masuoka: Ihm brach 190 Kilometer vor dem Ziel die Keilriemenscheibe. Da er auf den Renn-Laster warten musste, dürfte die Dakar 2009 für ihn wohl gelaufen sein.
Nicht gut sieht es (nach dem ersten von 14 Tagen, wohl gemerkt) auch für Robbie Gordon in seinem prächtigen Hummer aus – er hat schon mehr als 14 Minuten kassiert. In Anbetracht dieses Debakels eines so Vollmundigen kommen einem die 18 Minuten, die der wackere Matthias Kahle in seinem Honda Buggy fing, geradezu bescheiden vor.
Wieso er sie überhaupt kassierte und weshalb sich Michèle Mouton hier rumtreibt, wo Deppings Probleme waren und wie am Sonntag die längste Etappe der gesamten Dakar mit mörderischen 837 Kilometern aussieht – no worries, morgen gibt es mehr zu berichten.