Formel-1-Regeln 2019: Aus Schaden endlich klüger
Die neuen Formel-1-Regeln sollen packenden Sport begünstigen
Die Formel 1 ist eine Neidgesellschaft, in welcher jedem das eigene Hemd am nächsten ist. Die Entscheidungsstruktur im Sport bedeutete meist: Irgend jemand sagt immer nein, weise Vorschläge wurden jahrelang im Keim abgewürgt. Unter der neuen Führung von Formel-1-Grossaktionär Liberty Media ist viel in Bewegung. Und die GP-Fans atmen auf: Sogar die üblichen Streithähne in den Entscheidungsgremien Strategiegruppe und Formel-1-Kommission haben sich zu weitsichtigen, von gesundem Menschenverstand geprägten Beschlüssen durchgerungen.
Die Entscheidungsfindung in der Formel 1 ist kompliziert: Verschiedene Arbeitsgruppen reichen ihre Ideen der so genannten Strategiegruppe weiter. Sie besteht aus Vertretern von sechs Rennställen (gegenwärtig Ferrari, Red Bull Racing, Mercedes, McLaren-Honda, Williams und Force India), des Autoverbands FIA (Jean Todt) sowie «Formula One Management» (mit Formel-1-CEO Chase Carey). Jede dieser drei Parteien besitzt sechs Stimmen. Die weiteren Teams dürfen an Sitzungen teilnehmen, haben aber kein Stimmrecht. Ideen der Strategiegruppe gehen nach einem Mehrheitsentscheid an die Formel-1-Kommission weiter. Die Formel-1-Kommission hat nur die Möglichkeit, einen Vorschlag abzunicken oder abzulehnen. Ist ein Vorschlag durchgewunken, geht er vor den FIA-Weltrat. Die Erfahrung zeigt: Nur ganz selten wird dort ein Vorschlag gestoppt.
Um den Fans besseren Sport zu bieten, sind folgende Änderungen aufgegleist.
Ab 2019 darf im Rennen 110 Kilogramm Kraftstoff verwendet werden (bisher 105 kg).
Weil die 2018er Autos noch mehr Abtrieb aufbauen als 2017 und klebrigere Pirelli erhalten, wird mit mehr Gas gefahren, und mehr Gas, das bedeutet mehr Spritverbrauch. Die fünf zusätzlichen Kilos sollen bewirken, dass die Piloten mit dem elenden Spritsparen aufhören können. Diese Änderung war längst fällig. Der frühere GP-Pilot Marc Surer findet: «Rennfahrer sollen Gasgeben dürfen. Formel-1-Rennen als Benzinsparwettbewerb finde ich grauenvoll.»
Das Gewicht von Fahrzeug und Pilot wird getrennt.
Der Schutzbügel Halo samt seiner Anlenkpunkte und aller notwendigen Verstärkungen am Chassis fügt dem Gewicht eines GP-Boliden rund 14 Kilogramm hinzu, das Mindestgewicht der Autos 2018 wurde aber nur um sechs Kilo angehoben (728 auf 734 Kilogramm). Für die Rennställe bedeutete das: Sie haben weniger Spielraum beim Platzieren von Ballast am Fahrzeugboden, und das wiederum heisst – grössere und schwerere Fahrer sind im Nachteil. Einmal mehr werden die Fahrer im Winter eine Balance finden müssen aus Kraft tanken, also Muskelmasse bewahren, und gleichzeitig so leicht als möglich zu sein. Ein schwieriger Spagat.
Renault-Pilot Nico Hülkenberg: «Wir Fahrer sind uns dieses Problems überaus bewusst.» Der Emmericher ist einer der längeren Piloten im Feld, mit 184 Zentimetern. «Ich bin grösser als viele anderen Fahrer und damit schwerer, und das ist 2018 ein Nachteil. Das Team hatte mir bereits im letzten Sommer gesagt, dass das Gewicht ein Thema sein wird und ob ich nicht ein paar Kilo verlieren könne. Ich habe gesagt: „Nein, kann ich nicht.“»
Für 2019 wird nun ein Mindestgewicht für Fahrer samt Sitz eingeführt. Angedacht sind 80 Kilogramm. Wer weniger wiegt, muss entsprechend zusätzlichen Ballast installieren – und zwar an einer eigens dafür ausgesuchten Stelle unter dem Sitz. Damit fällt der Vorteil weg, den leichtere Fahrer bisher hatten. Denn ihre Ingenieure haben derzeit mehr Spielraum bei der der Gewichtsverteilung des F1-Fahrzeugs. Auch diese Änderung war längst fällig.
Alle Fahrer tragen biometrische Handschuhe.
Dr. Ian Roberts, Chefarzt in der Formel 1 sagt im FIA-Magazin AUTO: «Wenn es um die medizinische Pflege von Patienten geht, dann spielt die Überwachung eine ganz elementare Rolle. Das gilt auch für Fahrer nach Unfällen. Wir wollen so schnell als möglich mehr über ihren Zustand wissen, und diese Handschuhe geben uns dazu die Möglichkeit. Es gibt Situationen, in welchen wir nicht in Sekundenschnelle am Unfallwagen sind. Dank der Handschuhe können wir dennoch ein erstes Bild erhalten. Ein gutes Beispiel war der Crash von Carlos Sainz in Sotschi 2015, als sein Wagen unter den Kunststoffschranken steckte und wir nicht wussten, wie es dem Spanier geht. Das erkannten wir erst, als wir die Barrieren weggeräumt hatten. Schnell mehr über den Zustand des Piloten zu wissen, das erleichtert das weitere Vorgehen.»
Bis Ende April werden Vorschläge geprüft, wie die Aerodynamik optimiert werden kann.
Die heute überaus komplexen Aero-Kunstwerke zwingen die Strömung möglichst effizient um die Vorderräder herum. Simple Endplatten würden, vereinfacht erklärt, zu einem grösseren Luftloch führen, der Verfolger könnte sich besser im Windschatten halten.
Wenn für die Saison 2019 noch etwas geändert werden soll, dann drängt die Zeit: Bis 30. April müssten solche Änderungen durchgewunken werden. In Bahrain regte sich Widerstand. Die meisten Techniker argumentieren, die Arbeit an den 2019er Autos sei zu weit fortgeschritten, und da 2021 ohnehin eine neue Rennwagengeneration komme, mache die Änderung für 2020 keinen Sinn. Dann würden die neuen Flügel nur für eine GP-Saison entwickelt. Williams-Technikchef Paddy Lowe: «Wir arbeiten eng mit der FIA zusammen, um ihnen Daten über das Strömungsverhalten zu geben. Ich glaube daran, dass wir für 2019 noch etwas machen können.»
Hier bin ich skeptisch: Die Rennställe werden das grosse Bild wie üblich aus der Sicht verlieren und nur an sich selber denken.
Die Formel-1-Motoren ab 2021: Gefahren wird mit einem 1,6-Liter-V6-Hybridmotor, die Energiegewinnung am Turbolader über die so genannten MGU-H entfällt.
Der frühere GP-Pilot Marc Surer meint: «Die Grossrichtig stimmt. Wenn die teure MGU-H wegfällt und die Motoren um 3000 Touren höher drehen, wird der Sound interessanter, und die Triebwerke erzeugen mehr Dampf.»
In Sachen Motor geht es so weiter: Verhandlungen mit heutigen und künftigen Motorherstellern gehen weiter, um bis Ende Mai alle Details für die Triebwerke ab 2021 geklärt zu haben.