Kimi Räikkönen ist 39: Vom Milchbubi zum «Iceman»

Von Mathias Brunner
​Wie schnell die Zeit verfliegt! Vom unscheinbaren Milchbubi namens Kimi Räikkönen, der in Melbourne 2001 sein GP-Debüt gab, ist der «Iceman» geworden, inzwischen 39 Jahre alt und damit Formel-1-Opa.

Ich erinnere mich gut an den Wirbel, den es damals um den Sauber-Rookie Kimi Räikkönen gab. Denn Räikkönen brachte die geballte Erfahrung von exakt 23 Autorennen mit in die Formel 1. Teamchef Peter Sauber glaubte nach Testfahrten fest an Kimi, McLaren-Teamchef Ron Dennis hingegen polterte, mit so wenig Rennpraxis sei dieser Räikkönen doch wohl eher eine rollende Gefahr.

Der Formel-1-Führerschein Superlizenz wurde damals nur auf Bewährung ausgestellt, mit dem Vorbehalt, dass er Kimi jederzeit wieder entzogen werden kann. Aber der Finne eroberte im ersten Rennen in Melbourne gleich den ersten Punkt (als Sechster, damals hatten wir ein anderes Punktesystem), und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass im Sommer ausgerechnet jener Mann Jagd auf Räikkönen machte, der dessen Debüt so hart kritisiert hatte: Ron Dennis. Ab 2002 sass Kimi Räikkönen in einem McLaren.

Hätten Sie es gewusst? Dank McLaren kam Kimi zum Spitznamen «Iceman». Ron Dennis nannte Räikkönen aufgrund seiner kühlen Art zunächst «Ice-Kid», doch das fand wenig Anklang, zumal Kimi ziemlich schnell vom Jungen zum Mann reifte – damit war «Iceman» gefunden, ohne Bindestrich. Kimi selber liess sich das 2008 auf den linken Unterarm tätowieren und fährt auch mit entsprechendem Schriftzug an der Rückseite seines Helms.

2015 wurde sogar ein Drink auf den Markt gebracht, der nach ihm benannt ist. «Iceman» ist ein alkoholisches Getränk auf Gin-Basis und mit Grapefruit-Geschmack, das am besten eiskalt serviert wird, «so cool wie „Iceman“ selber», wie die Werbung damals verhiess.

Kimi ist schlichtweg die coolste Formel-1-Socke, mit einer globalen Anhängerschaft, nach welcher sich die meisten anderen Piloten nur die Finger lecken können – da können sie noch so oft auf Facebook über Privates plappern oder mehr oder weniger Geistreiches twittern. Kimi pfeift auf all das. Seiner Popularität schadete die grossräumige Verweigerung sozialer Netzwerke das nicht im Geringsten.

«Der unbekannte Kimi Räikkönen» für seine Autobiographie ist ein überaus passender Titel: Der «Iceman» gab über sein Privatleben so gut wie nichts bekannt. Als er – ermuntert von Gattin Minttu Virtanen – bei Instagram einstieg, war das eine glatte Sensation.

Der 20fache GP-Sieger tritt in der Öffentlichkeit wortkarg auf, intovertiert und knorrig, seine sperrige Art ist längst Kult geworden. Nach einem Qualifying ist es jeweils Zeit für das beliebte Räikkönen-Bingo: Wie viele der üblichen Stehsätze wird Kimi dieses Mal wohl sagen sagen?

«Das Rennen ist morgen.» Bingo!

«Ich will gewinnen.» Bingo!

«Das wird ein langes Rennen.» Bingo!

«Ich bin enttäuscht.» Bingo!

«Es war schwierig.» Bingo!

Kimi Räikkönen ist eigentlich nur dann nicht enttäuscht, wenn sein Name auf Platz 1 über die Messschirme flimmert, und das ist im Training vorderhand letztmals in Monza 2018 passiert und nach einem Grand Prix in Australien 2013.

Kimi Räikkönen war vielleicht der letzte Formel-1-Pilot, der in der Tradition früherer Haudegen antrat, wie Ex-McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh präzisierte. Dem Magazin «Motor Sport» sagte Whitmarsh: «Ich kann mich an ein Rennen an Montreal erinnern, das innerhalb von acht Tagen mit jenem in Indianapolis stattfand. Am Sonntagabend teilte Kimi mit, er jette jetzt nach Las Vegas, um mit seinem Kumpels zu feiern. Ich sagte: „Kimi, unterm Strich bist du erwachsen und musst wissen, was du tust. Stell dir einfach mal die Frage: Wenn du in sechs Tagen in Indy die Pole um wenig Hundertstel verhaust, weil die Vorbereitung vielleicht nicht so ideal war, würdest du dir dann nicht in den Hintern treten?“ Er hat gelacht, genickt – und ist dann nach Las Vegas abgehauen.»

In seinem Buch spricht Kimi offen darüber, dass er einmal zwei Wochen lang durchgesoffen hat.

2012 rückte Kimi Räikkönen – damals als Lotus-Fahrer – zum Monaco-GP im Helmdesign des legendären James Hunt aus. Ein Jahr später zeigte Räikkönen den unvergessenen englischen Champion von 1976 mit seinem McLaren auf der Oberseite des Kopfschutzes, 40 Jahre zuvor hatte Hunt in Monaco sein Formel-1-Debüt gegeben.

Räikkönen trug auch ein paar clevere Sprüche und Wortspiele auf dem Helm: «Kimi on the Hunt», Kimi auf der Jagd.

Kimi fand James Hunt immer schon ultra-cool, und Tom Hunt, der Sohn des englischen Formel-1-Champions von 1976, sagte: «Wir fühlen uns geehrt, dass Kimi an meinen Vater erinnerte. Wir danken Räikkönen, den früheren Geist der Formel 1 am Leben zu erhalten.»

Als Familienvater ist Kimi zwar kein Partylöwe mehr, sondern eher ein schnurrender Haustiger. Seine knorrige, wortarme Art ist geblieben. Wenn von seinem Genuschel überhaupt etwas zu verstehen ist. Und wenn ihm ein Journalist mit einer Frage blöd kommt, dann wird knochentrocken pariert. Kimi ist Kult. Und der bleibt uns noch eine Weile erhalten – der Finne hat bei Sauber für 2019 und 2020 unterzeichnet.

2018 ist Kimi Räikkönen mit 39 Jahren nicht nur der älteste Pilot am Start, er ist zudem – wir staunen – der erste Sportbotschafter seines Landes geworden! Der finnische Premierminister Juha Sipila hat den Formel-1-Champion von 2007 in Helsinki im Rahmen einer Sportgala dazu ernannt. Der ganze Plan war geheimgehalten worden, nicht mal die eingeladenen Sportler hatten gewusst, dass der 20fache GP-Sieger auftauchen würde.

Typisch Kimi eben.

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