Willy Bauer beim Carlsbad-MX-Woodstock

Von Thoralf Abgarjan
In der Gründerzeit des US-Motocross ging es auf den Rennstrecken heiß her. Nichts war unmöglich: Unvorstellbare Preisgelder, Kleidersponsoren und Ein-Mann-Teams ohne Mechaniker - mittendrin ein Schwabe.

Wenn in diesem Jahr die Amerikaner nicht zum Motocross der Nationen antreten, ist das MXoN nicht mehr das Gleiche. Auch wenn das Team USA in den letzten Jahren nicht mehr so erfolgreich war, sind sie mit 22 Triumphen immer noch die erfolgreichste Nation bei diesem Prestigerennen. Der Vergleich zwischen WM und US Nationals hat eben eine enorme innere Dramaturgie, die im Motocross-Racing durch nichts zu ersetzen ist.

Im 'Interview der Woche' mit der deutschen Crosslegende Willy Bauer erinnert er sich an seine Exkurse in die USA. Im Jahre 1973 kämpften Willy Bauer und Roger De Coster um die WM-Krone. Bauer wurde Weltmeister, De Coster wurde durch eine umstrittene Reglementsänderung der FIM im Herbst zum Weltmeister erklärt.

In den USA war Motocross gerade im Aufschwung. 1971 fand in Carlsbad, das nur wenige Meilen von San Diego entfernt ist, das erste internationale Rennen unter der Regie der FIM statt, bei dem es ein Preisgeld von 15.000 US Dollar zu gewinnen gab, ein Vermögen für damalige Verhältnisse!

Am 24. Juni 1973 wurde der erste 500ccm-US-Grand-Prix in Carlsbad ausgetragen. Und dieser Grand-Prix avancierte zu einem Woodstock-Festival des Motocross. Unvorstellbare Menschenmassen verteilten sich über das großzügig angelegte Gelände unter der Sonne Kaliforniens. «Als wir dort ankamen, war die Gegend wie eine Wüste. Die Strecke wurde gewässert, aber sie war knüppelhart», erinnert sich Willy Bauer.

Die beiden Protagonisten des Rennens waren die beiden Titelaspiranten: Roger De Coster und Willy Bauer. Suzuki-Werksfahrer De Coster führte im ersten Lauf, wurde aber von Bauer auf seiner 400er Maico abgefangen. Im zweiten Lauf fiel De Coster nach einem Dämpferschaden aus. Bauer gewann den Grand-Prix der USA und wurde vom Publikum frenetisch gefeiert! Bis heute gilt der Carlsbad-Grand-Prix als eines der legendärsten Rennen der US-Motocrossgeschichte.

Bauer wurde schlagartig bekannt und von den Amerikanern gefeiert. Man fühlt sich an die Geschichte von Ken Roczen erinnert, der es auch aus der tiefsten ostdeutschen Provinz auf den Olymp des US-Motorsports gebracht hat. Bauer kam ebenfalls aus der Provinz, aus einer Region, in der Bausparverträge noch echte Lebensqualität bedeuten. Jetzt kannte ihn in den USA beinahe jeder. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass auf dem Plakat des Carlsbad-Grand-Prix nicht die bundesdeutsche Flagge, sondern die DDR-Fahne abgebildet war. Aber die DDR hatte sich zu dieser Zeit längst vom internationalen Motocross verabschiedet. An einen Start in den USA war nicht zu denken. Aber den Amerikanern war dieses kleine Detail, ob es sich um West- oder Ost-Germany handelte, eigentlich ziemlich egal.

Vom Motocross-Virus infiziert wurde Bauer in der heilen Welt Baden-Württembergs schon in seiner Jugend. «Es gab damals viele Strecken in Württemberg: Gaildorf und Holzgerlingen lagen in unmittelbarer Nähe. Dort bin ich schon mit meinem Vater als Kind gewesen. Es hat ja in der Provinz für uns auch nicht viele Alternativen gegeben und irgendwann habe ich selber mit dem Moped angefangen.»

Erste Wettbewerbe ist Bauer dann mit 16 Jahren gefahren. «Ich musste erst eine Führerscheinnummer vorweisen und bin mein erstes Rennen in Westerheim gefahren.» Bauer hatte zu dieser Zeit die Schule bereits beendet und war Lehrling. Später hat er neben seinem Job als KFZ Mechaniker Motocross auf WM-Niveau betrieben. Für ihn war es völlig normal, das eigene Motorrad für das nächste Rennen vorzubereiten.

1973 war ein intensives Jahr. «Wir sind nach dem Ende der deutschen Meisterschaft im Herbst in die USA gegangen und sind dort ohne Mechaniker noch 11 weitere Rennen gefahren.» In diesem Jahr wurde Bauer Dritter der Trans-AMA-Championship der 500er Klasse!

Es gab noch andere Übersee-Einsätze, an die sich Bauer heute noch gern erinnert: «Roger De Coster, Joel Robert, ein paar weitere Fahrer und ich wurden auch nach Australien eingeladen, um 4 Wochen lang den Motocross-Sport zu demonstrieren. So etwas kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.»

Die US-Einsätze waren für die europäischen Fahrer auch aus anderen Gründen interessant. «Als ich in Carlsbad gestartet bin, habe ich für das Sockentragen 500 Dollar bekommen. Das kannten wir bis dahin nicht, dass man fürs Klamottentragen Geld bekommt!»

Komplett in den USA zu bleiben, kam für den bodenständigen Schwaben dann aber doch nicht infrage. «Vielleicht waren wir damals auch zu kleinkariert oder doch zu heimatverbunden. Wir waren froh, wenn wir nach einem Vierteljahr wieder daheim waren. Pierre Karsmakers war dann der erste Europäer, der aus den Niederlanden komplett in die USA gewechselt ist. Damals boten die japanischen Werke 100.000 Dollar für den Titelgewinn. Sie wollten in den US-Markt einsteigen, waren aber technisch noch nicht so weit.»

1978 endete die Karriere des talentierten Deutschen, der auch die US-Szene so unbekümmert aufgemischt hatte, abrupt, als er sich in Schottland bei einem - wie er selbst sagt - harmlosen Sturz den 8. Brustwirbel brach und seitdem im Rollstuhl sitzt. Willy Bauer war in den 1970er Jahren das Aushängeschild des westdeutschen Motocross in der Welt. Der freundliche Schwabe ist agil wie eh und je und dabei dem Sport bis heute treu geblieben, weltmännisch und bodenständig zugleich. Genau das macht Willy Bauer so sympathisch!

Das Interview der Woche mit Willy Bauer komplett:

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