Barcelona-GP: Rennstreckenbetreiber ist unschuldig

Von Günther Wiesinger
Der Unfall von Luis Salom: Die Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos

Der Unfall von Luis Salom: Die Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos

Wer den Betreiber des Circuit de Barcelona-Catalunya für den Tod von Luis Salom verantwortlich macht, schiesst am Ziel vorbei. Die Sicherheit bleibt ein kompliziertes Thema.

Als wir vor ein paar Tagen als Leser-Service Hinweise zum Kartenvorverkauf für den MotoGP-Event in Barcelona 2017 veröffentlicht haben, kritisierte ein aufmerksamer Leser von SPEEDWEEK.com, dem Betreiber des Circuit Barcelona Catalunya sei die Sicherheit von Motorradrennfahrern egal. Und er liess durchblicken: Solchen Geschäftemachern solle man kein Geld zukommen lassen, also das Rennen boykottieren.

Naja, ich habe mit dem Catalunya-GP-Promoter persönlich nichts am Hut. Aber diesem Rennstreckenbetreiber die Schuld am Tod von Moto2-Fahrer Luis Salom im FP2 im Juni 2016 in die Schuhe zu schieben, das greift zu kurz.

Man sollte in diesem traurigen Zusammenhang versuchen, der Wahrheit die Ehre geben. Also werfen wir einen Blick auf die Fakten.

Die GP-Strecken werden vom Weltverband FIM homologiert, da reden alle GP-Fahrer mit, vor allem die MotoGP-Fahrer, die in der Safety Commission (jeden Freitag bei den Grand Prix um 17.30 Uhr) den Ton angeben.

Dorna und FIM haben neben Race Director Mike Webb auch die Ex-Weltmeister Franco Uncini und Loris Capirossi an vorderster Front im Einsatz, wenn es neuralgische Stellen zu entschärfen gilt.

Jetzt konkret zum Circuit de Barcelona-Catalunya: Dort wurde 2007 für die Formel 1 das Layout vor der letzten Kurve abgeändert, um mehr Überholmöglichkeiten für die Autos zu schaffen, es wurde dort eine Doppelschikane eingefügt.

Es wurde dann 2015 an einem Abend beim Motorrad-GP mit ein paar auserlesenen Piloten der neue Formel-1-Streckenverlauf getestet, er wurde aber von Rossi, Márquez, Pedrosa und Co. mehrheitlich nicht für ideal befunden, der alte Streckenverlauf galt als anspruchsvoller.

Die MotoGP-Fahrer beschrieben die Formel-1-Streckenführung in Barcelona damals als langweilig. Nur Marc Márquez wollte diese Bus-Stopp-Schikane befahren, die der flüssigen Catalunya-Piste viel von ihrer Geschmeidigkeit nimmt.

Also wurde auf Wunsch der Mehrheit der Stars das alte Strecken-Layout beibehalten. Der Rennstreckenbetreiber hat in so einem Fall absolut kein Mitspracherecht.

Es war in den letzten Jahren für jeden Teilnehmer ersichtlich, dass es in der Auslaufzone von Turn 12 kein Kiesbett gab, sondern einen asphaltierten Sturzraum.

Diesen beanspruchte die Formel 1, weil dieser Sturzraum als Auslaufzone bei einem Verbremser beim Einbiegen in die neue Schikane gilt. Und die Formel 1 will keine Kiesbetten, die Autos überschlagen sich dort zu häufig.

Nur einmal kam es vor dem Salom-Crash dort zu einem Vorfall, als Moto3-Pilot Niccolò Antonelli 2014 abflog.

Nach dem fatalen Salom-Unfall in Turn 12 wurde über Nacht eine neue Streckenvariante gewählt und allerlei umgebaut, immer den Wünschen und Vorstellungen die Fahrer gehorchend und beseelt vom Wunsch, eine Absage des Grand Prix verhindern zu können.

Übrigens: Rossi und Lorenzo erschienen am Freitagabend nach dem Salom-Unfall nicht beim Meeting der Safety Commission.

Rossi: «Ich war nicht bei diesem Meeting, aber ich akzeptierte die Entscheidung zum Umbau der Piste, auch wenn er sich für uns Yamaha-Fahrer negativ ausgewirkt hat.»

«Ich denke, dass beim Motorrad von Luis Salom irgendetwas schief gelaufen ist», setzte Rossi fort. «Das war kein normaler Crash. Luis hat leider nicht einmal den Ansatz einer Kurve gemacht, er ist einfach geradeaus gefahren, sehr früh vor diesem Turn 12. Das ist eine gefährliche Stelle, wir wissen das. Vor zwei Jahren hat Antonelli dort nach einem Fehler einen Crash produziert, er ist bis zu den Airfences geflogen. Zum Glück hat er sich nicht verletzt, aber schon damals hat sich gezeigt, dass der Sturzraum nicht ausreicht. Wir haben nachher dort mehr Airfences postiert.»

«Wir müssen uns bewusst sein, dass wir im Laufe der Saison auf vielen Rennstrecken Probleme bekommen, wenn ein Fahrer wegen eines Motorraddefekts an einer ungewöhnlichen Stelle von der Piste donnert. Da fallen mir auf jeder Strecke ein paar bedrohliche Stellen ein. Ich wiederhole: Wir wissen, dass die Kurve 12 in Barcelona eine gefährliche Stelle ist. Ich wunderte mich nur, warum im Juni am Freitagabend auch beim neuen Streckenabschnitt bei den Kurven 14, 15 und 16 Änderungen vorgenommen wurden, in einer Kurve, in der noch nie etwas passiert ist. Das war erstaunlich.»

Rossi weiter: «Ich gebe zu, dass die Run-off-Area im Turn 12 im Juni nicht völlig ausreichend war. Aber ich kann, wenn ich kurz nachdenke, mindestens 20 oder 30 Kurven auf anderen Circuits nennen, wo es nicht anders ist. Deshalb habe ich die alte Streckenführung bevorzugt. Wir reden in der Safety Commission seit sechs Jahren über diese Kurve 12. Seither haben wir dort eine größere Auslaufzone verlangt. Aber man kann dort nicht ohne weiteres mehr Auslaufzone schaffen, denn es steht die Tribüne im Weg. Ein Umbau wäre sehr teuer... Ich wiederhole: Beim Salom-Crash ist irgendetwas mit dem Bike passiert.»

Oft sind sich die Fahrer, Funktionäre, Promoter und Rennstreckenbetreiber selbst nicht einig. Cal Crutchlow bezeichnete den Red Bull Ring im August als viel zu gefährlich, er fand keine einzige akzeptable Kurve. Er verglich die Piste kurioserweise gleich mit der Tourist Trophy auf der Insel Man. Rossi, Lorenzo, Dovizioso, Iannone und Co. hatten deutlich weniger auszusetzen, nachdem vor dem Rennen noch drei Kurven entschärft worden waren.

Und als der Streckenbetreiber nach dem Österreich-Grand Prix ins Auge fasste, die Tribüne ausgangs der Zielkurve um 10 Meter zu kürzen, um mehr Sturzraum zu schaffen, winkte Safety Officer Franco Uncini ab. Diese rigorose Massnahme hielt er für unnötig.

Kurz gesagt: Es ist nicht einfach, alle Ansichten und Interessen unter einen Hut zu bringen.

Die Frage der Sicherheit wird immer zu Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten führen. Bis heute steht nicht fest, welche Streckenvariante 2017 in Barcelona befahren wird. «Wir arbeiten noch an einer Lösung», erklärte Franco Uncni jetzt gegenüber SPEEDWEEK.com. «Wr werden demnächst zu einer Entscheidung kommen.»

Denkbar wäre gewesen: Nach dem Formel-1-GP wird im Turn 12 temporär ein Kiesbett errichtet – und wieder auf der alten Piste gefahren. Aber jetzt wird an einer anderer Lösung gearbeitet: Die Version von Samstag und Sonntag 2016 wird für die Motorräder optimiert, auch die Bordsteine müssen geändert werden.

Für 2018 wurden jetzt im GP-Sport Airbags für die Lederkombis zwingend vorgeschrieben. Sehr sinnvoll.

Aber es gibt heute noch Fahrer wie Jorge Lorenzo, die keinen Airbag verwenden, weil er ungemütlich sein kann und die Bewegungsfreiheit einschränkt.

2018 wird er keine Wahl mehr haben.

Manche Menschen muss man zu ihrem Glück zwingen.

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