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Jarno Zaffelli: «Suzuka ist die Seele aller Strecken»

Von Otto Zuber
Termas de Río Hondo wurde von Jarno Zaffelli modernisiert

Termas de Río Hondo wurde von Jarno Zaffelli modernisiert

Streckendesigner Jarno Zaffelli erneuerte unter anderem die argentinische MotoGP-Strecke Termas de Río Hondo. Er erklärt, warum seine Projekte mit Stift und Papier beginnen – und nicht am Computer.

Jarno Zaffelli gründete das Studio «Dromo», das unter anderem für die Modernisierung des «Autódromo Termas de Río Hondo» im Jahr 2013 zuständig war. 2014 fand auf der 4,806 km langen argentinischen Rennstrecke erstmals ein MotoGP-Rennen statt.

Der 42-jährige Streckendesigner fand seine Berufung über Umwege: Zunächst begann er ein Studium in Industrietechnik, dann war er im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung tätig und verdiente später sein Geld als Fotograf. Eine Unterhaltung mit Freunden weckte 2000 sein Interesse für den Streckenbau. Die Leidenschaft für Motorräder war in seiner Familie aber immer da, auch wenn Zaffelli zugibt, sich lange Zeit nicht damit beschäftigt zu haben: «Alles, was ich wusste, war, dass ich nach dem finnischen Motorradrennfahrer Jarno Saarinen benannt bin, der 1973 in Monza verunglückt war.»

Laut eigenen Aussagen besuchte der Italiener inzwischen mehr als 250 Rennstrecken in der ganzen Welt. Im Interview spricht er über seine ganz persönliche Herangehensweise an derartige Projekte und verriet auch, welche – nicht von ihm selbst konzipierte – Anlage sein Vorbild ist.

Du hast die Rennstrecke von Termas überarbeitet. Wie gehst du in der Praxis vor, um eine Strecke zu zeichnen?

Normalerweise versuche ich, das vor Ort zu machen. Es hängt davon ab, ob die Strecke schon existiert oder nicht. Ich fahre also nach Termas, schau mir die Piste an und versuche zu verstehen, was sie mir mitteilt. Ob sie eine Seele hat oder nicht. Es gibt viele Strecken auf der Welt, die keine Seele haben: Das ist dann einfach ein Kurs in einem Feld. Aber einige haben eine Seele, manchmal eine feine. Ich versuche, diese hervorzuholen.

Kannst du Beispiele machen? Wo gibt es für dich eine Strecke ohne Seele? Und welche besitzt hingegen eine?

Die Piste, die am meisten Seele hat, ist sicherlich Suzuka. Suzuka ist die Seele aller Strecken. [Er schmunzelt.] Punkt. Ich habe mehr als 250 Strecken besucht. Suzuka ist die Nummer 1 – für mich. Und ich habe sie nicht gebaut. Suzuka ist das Ziel, das ich mir setze.

Eine Anlage ohne Seele hingegen... Der Formel-1-Stadtkurs von Valencia ist ein Beispiel dafür. Eine weitläufige Streckenführung. Ok. Sehr gut realisiert. Ok. Aber ohne Seele.

Und warum hat Suzuka eine Seele?

Ich habe da meine eigene Ansicht. Wenn du mit einer Person bis und du findest, dass sie eine Seele hat, dann ist das so, weil du es fühlst. Nicht weil du verstehst, warum sie eine hat. Für mich ist das bei einer Rennstrecke genauso – es ist etwas persönliches, und das versuche ich abzubilden, wenn ich mit einer neuen Strecke anfange.

Zunächst musst du dich um die Methodologie kümmern. Worauf wir von Anfang an großen Wert legen, ist auf eine traditionelle Art zu arbeiten. Man fängt also mit einem Blatt Papier und einem Stift an. Zu Beginn nimmt man keinen Computer. Das macht man nur für die Feinarbeit; man analysiert den Bauablauf und macht Simulationen.

1962, als John Hugenholtz Suzuka gezeichnet hat, hat er es so gemacht. Assen, vor 2005. Oder Zandvoort Ende der 90er-Jahre. Man kann sehen, dass diese Strecken mit einem Stift und nicht anhand von Berechnungen gezeichnet worden sind. Es gab keine Software wie Autocad. Und manchmal glauben die Leute heute, dass sie mit Autocad eine gerade Linie, eine Kurve, eine gerade Linie und eine weitere Kurve zeichnen und einen Strecke haben! Dann darf man sich nicht wundern, dass diese Strecken keine Seele haben.

Es gibt noch viele andere Faktoren. Für mich ist zum Beispiel Mugello eine sehr schöne Strecke, aber hat nicht dieselbe Seele wie Imola, die ich weniger liebe. Imola ist ein alter Straßenkurs, der zu einer permanenten Strecke wurde. Du spürst die Mauern, die Geschwindigkeit, die blind anzufahrenden Kurven. In Mugello hingegen spürst du die Umgebung, wie in einem Park, und du versuchst so schnell wie möglich zu sein. Das ist anders. Und das alles fühlt man.

Alle Fahrer, die in Suzuka gefahren sind, waren von diesem Ort beeindruckt.

Ja. Ich war nur einmal dort. Ich habe mich wochenlang vorbereitet, indem ich auf der Playstation gespielt habe. Aber als ich dann dort war und die Strecke mit dem Auto abgefahren und zu Fuß abgelaufen bin, war das Feeling komplett anderes. Das ist so, wie wenn du Mugello im Fernsehen siehst: Ja, die Strecke ist schön, schnell. Aber wenn du wirklich dort bist, dann ist es anders. Unsere visuelle Wahrnehmung ist anders.

Eine andere Strecke, die so ist, ist Zandvoort, die in den Dünen gebaut wurde. Eine weitere Kreation von John Hugenholtz, ein wahres Schmuckstück. Weil die Piste wirklich mitten in den Dünen ist, die sie auch begrenzen. Das ist ein zweites Suzuka, hier in Europa. Wie Rijeka in Kroatien, wo die Seitenwagen-WM stattfand. Eine wundervolle Strecke, aber sie ist nicht perfekt.

Wenn du vor Ort bist oder ein neue Strecke planst, sind dann die anderen Anlagen eine Inspirationsquelle oder fängst du auf einem weißen Blatt Papier an?

Es ist immer ein weißes Blatt. Die bestehenden Strecken sind sehr gut, um zu verstehen, was gut ist und was nicht – aber nicht, um sie zu kopieren. Mein Ziel ist es, für jeden Standort eine Maßanfertigung zu bauen. Abhängig von jeweiligen den Merkmalen, damit ich eine andere Seele bekomme.

Es ist sehr wichtig zu kennen, was schon gemacht wurde. Zu verstehen, wo ein Fehler begangen wurde, und warum. Dadurch lernst du, die richtigen Entscheidungen zu treffen, damit deine Strecke funktioniert. In Termas de Río Hondo habe ich keine existierenden Kurven kopiert. Aber wenn man sich El Villicum anschaut, haben sie meine letzte Kurve von Termas kopiert, Turn 14 – weil sie verstanden haben, dass es so die Verbindung zur Boxengasse besser funktioniert. Kopieren ist einfach. Aber wenn du nicht verstehst, wieso das an einer Strecke so gemacht wurde, ist es möglich, dass es an einem anderen Ort nicht genauso funktioniert.

Ist die Topographie eine Inspirationsquelle?

Ja. Aber auch der Wind, die Sonne, aus welcher Richtung der Regen normalerweise kommt. Wie das Wasser abfließt. Die Kultur des Landes. Um ein Beispiel zu machen: Die italienischen Fahrer sind immer gut auf schnellen Strecken, die Spanier sind hingegen auf langsamen besser. Warum? Weil die Spanier im Gegensatz zu den Italienern auf kurvigen und weniger schnellen Pisten trainieren.

Wenn ich also in ein Land komme, dann muss ich verstehen, ob und welches kulturelles Erbe es gibt. Wenn es keines gibt, dann habe ich die Möglichkeit, es zu schaffen. Das ist eine Entscheidung und eine Verantwortung: Diese Nation wird schnelle Strecken haben; oder langsame und sehr technische; oder welche, die Mut erfordern.

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