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Massimo Rivola: «Zu viel Elektronik in der MotoGP»

Von Paolo Scalera
Massimo Rivola in der Aprilia-Box

Massimo Rivola in der Aprilia-Box

Massimo Rivola kommt 2019 von der Formel 1 in die MotoGP-WM. «Der Fahrer erhält im Motorsport zu wenig Informationen», glaubt der neue Aprilia-Rennleiter. Das sei aber nicht der einzige Unterschied.

Beim Sepang-Test waren nicht nur vier MotoGP-Rookies mit dabei: Neben Francesco Bagnaia (Pramac-Ducati), Miguel Oliveira (Tech3-KTM), Fabio Quartararo (Petronas-Yamaha) und Joan Mir (Suzuki) auf der Strecke war Massimo Rivola erstmals in der Box im Einsatz: Der ehemalige Ferrari-Sportdirektor ist seit 7. Januar CEO der Aprilia-Rennabteilung.

«Das Umfeld ist sicher anders zu dem, was ich gewohnt war. Es ist etwas herzlicher und mitreißender – vielleicht auch, weil die MotoGP-Bikes lauter sind als die aktuellen F1-Wagen. Scherz beiseite, die Herangehensweise an die Arbeit ist anders. Ich spreche dabei nicht von Professionalität, sondern davon, dass das Motorrad komplett anders ist als die Autos, wie auch die jeweiligen Fahrer. Die Serienmotorräder sind im Großen und Ganzen einem MotoGP-Bike ähnlich, während man das von einem PKW und einem Formel-1-Auto nicht sagen kann. Jeder Motorradfahrer glaubt, dass er auf ein MotoGP-Bike steigen und es fahren kann. Das gilt für einen Autofahrer beim Rennwagen nicht», stellte Rivola fest.

Auch die Arbeitsweise unterscheide sich bei Zwei- und Vierrädern: «Der erste Unterschied, der mir aufgefallen ist, sind die Arbeitskräfte an der Starke. Ferrari kommt mit 150 Personen an, es gibt Gruppen von Technikern, die 'Fledermäuse' genannt werden, weil sie nachts arbeiten, von 20 bis 8 Uhr, damit die Arbeit nie still steht. Wenn wir dasselbe machen wollten, dann müssten wir die die Firma leeren», schmunzelte der Italiener.

«Auf den Motorrädern ist der Fahrer viel wichtiger als in den Autos. Die Position und der Körperbau wirken sich auf die Aerodynamik und viele weitere Aspekte aus. Deshalb erkennt das Publikum jeden sofort. Ich erinnere mich sehr gut an die besondere Fahrweise von Schwantz und Doohan, und es ist nicht nur ein rein ästhetischer Faktor, sondern auch ein ergonomischer», erklärte Rivola.

Auch deshalb hat Aprilia mit dem begonnen, was schon Teil der Entwicklungsarbeit von Honda, Ducati und Suzuki ist: Datenunterstütze Videoanalyse. Eine Filmcrew filmt die Fahrer und die Videos werden gemeinsam mit einem Mathematiker, einem Data Analyst, begutachtet: Linien, Beschleunigung und wie ein Fahrer in die Kurve einfährt werden dank den «overlaps», dem Übereinanderlegen von Bildern, unter die Lupe genommen.

«Es gibt noch viel herauszufinden, aber das Risiko ist – wie es in der F1 schon passiert – dass dies zu große Ausmaße annimmt. Wir müssen aufpassen, den freien Geist des Motorsports beizubehalten. Deshalb, weil der Motorradfahrer im Moment wenig in die Analyse einbezogen wird. Hier steigt der Fahrer vom Bike und erzählt all das, was er mit seinem Körper, seinen ganzen Sinnen, erfahren hat. In der F1 hingegen gibt es die Telemetrie in Echtzeit, die es dem Team ermöglicht zu wissen, was der Fahrer in jedem Moment macht. Dazu kommt der direkte Austausch über Funk. Das beschleunigt alle Prozesse», schilderte der ehemalige Ferrari-Sportdirektor.

Ist ein Funk in der MotoGP-WM denkbar? «Das könnte gefährlich sein, weil es ablenkt. In der F1 haben wir gründliche Studien durchgeführt. Der Pilot muss sich speziell vorbereiten, um im Stande zu sein, die Informationen über Funk aufzunehmen, ohne vom Fahren abgelenkt zu sein und in der Performance nachzulassen. Das gilt genauso, wenn der Fahrer spricht. Die Besten sind nach gerade einmal einer Kurve wieder bei 100 Prozent, andere brauchen sogar eine Runde», winkte er ab.

Trotzdem will Rivola seine Fahrer – Aleix Espargaró, Andrea Iannone und Testfahrer Bradley Smith – auf technischer Seite stärker einbinden: Sie sollen mehr Informationen erhalten. «Jeder von uns hat seine Idee, wenn er etwas ausprobiert, und mit der Zeit festigt sich diese Idee. Der Fahrer muss kein Ingenieur werden, aber er muss wissen, dass ihm wirklich viele Instrumente zur Verfügung stehen», unterstrich er.

Dem Fahrer bewusster machen, was er auf dem Motorrad macht und welche Konsequenzen sein Handeln hat. Ohne zu übertreiben, denn dem neuen Aprilia-Rennchef gefällt die romantische Seite des Motorsports: «Die Formel 1 war immer schon ein technischer Vorreiter – und ich glaube, dass das auch weiter so sein muss. In der Zweiradwelt hingegen trauern wir den Zweitaktern nach und den ersten MotoGP-Jahren, in denen die Fahrer unglaublich geslidet sind. Ich, als leidenschaftlicher Fan, würde dorthin zurückkehren, wo der Fahrer den Unterschied macht. Für mich gibt es aktuell zu viel Elektronik in der MotoGP. Diesen Aspekt sollte man im Reglement überdenken. Sonst riskiert man, dass es so kommt, wie es in der Formel 1 passiert ist, wo der Fahrer nur mehr den Fuß auf das Gas drücken musste. Im Moment zählt der Fahrer in der MotoGP viel, je mehr man ihm vorgibt, desto weniger zählt er. Bagnaia ist wirklich gut, auch Morbidelli, aber sie waren gleich schon stark unterwegs, weil diese Motorräder einfach zu fahren sind und die Fahrer sich sicher fühlen. So riskiert man, dass das Talent sich nicht mehr abhebt.»

«Ich sage nicht, dass der Fahrer in der Formel 1 nur ausführt, was das Team sagt, aber auf eine gewisse Art und Weise ist es so. Bei den Motorrädern hingegen ist es das Team, das dem Fahrer folgt. Die Herangehensweise muss mehr die Richtung eines Ingenieurs gehen und sich mehr auf die Daten und die Zahlen basieren. Wenn man immer dem Fahrer folgt, riskiert man, dass man auf den falschen Weg kommt. Wir kommen von einem Jahr 2018, in dem die Richtung offensichtlich nicht gestimmt hat... Ich werde versuchen, bei vielen Punkten einzugreifen, auf der Strecke und in der Firma, bei der Definition der Abläufe und der Rollen. Vor allem zwischen Fahrer und Mannschaft. Der Fahrer erhält im Motorsport zu wenig Informationen», ist Rivola überzeugt.

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