Strafpunkt für Marc Márquez: Ein fauler Kompromiss?

Kolumne von Günther Wiesinger
Marc Márquez:Ein Sündenbock oder nicht?

Marc Márquez:Ein Sündenbock oder nicht?

Der Strafpunkt für Márquez ist weder Hopfen noch Malz. Wenn es ein Rennunfall war, ist der Strafpunkt überflüssig. Wenn es ein Foul war, ist 1 Punkt zu wenig.

Nach Marc Márquez halbherziger «Bestrafung» durch die Renndirektion (ein Strafpunkt für die Kollision mit Dani Pedrosa in Aragón) gehen im Fahrerlager von Sepang die Wogen hoch.

«Eine politische Entscheidung», raunte ein spanischer Fahrerlager-Haudegen. Er spielte damit auf die Tatsache an, dass WM-Promoter Dorna aus Spanien kommt, dass Repsol viel Einfluss hat und dass der eine Strafpunkt völlig ohne Auswirkungen bleibt.

Aber ich vermute eher: Es war einfach ein fauler Kompromiss.

Denn Márquez hat in dieser Saison zwei Punkte aus Silverstone und dazu jetzt einen aus Aragón. Erst bei vier müsste er vom letzten Startplatz losfahren, bei sieben aus der Boxengasse hinter dem Feld, bei zehn müsste er bei einem Rennen pausieren.

Und am Jahresende werden alle Punkte aus dem Strafenkatalog getilgt.

Damit wir uns richtig verstehen: Man kann den Vorfall von Márquez als Rennunfall abhaken. Aber dann hätte man den MotoGP-WM-Leader gleich straffrei lassen können.

Ein Strafpunkt, das fällt für mich unter Augenauswischerei.

Es gibt im GP-Paddock Experten wie Ex-Rennfahrer Harald Eckl, der jahrelang das Kawasaki-Werksteam (Supersport, Superbike und MotoGP) geleitet hat. Der Deutsche sagt: «Márquez meint, die Rennstrecke stehe zu seiner alleinigen Verfügung. Er hat keinen Respekt vor den Gegnern. Den muss er noch lernen.»

Als Marc Márquez letztes Jahr seinen Umstieg in die MotoGP kundtat, fragte ich Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta, welche Auswirkungen es haben würde, wenn sich der spanische Grenzgänger in der Königsklasse einer ähnlichen Fahrweise wie in der Moto2 befleissigen würde.

Die Antwort von Ezpeleta: «Dann kriegt er einen Penalty, noch einen Penalty – und noch einen Penalty.»

Aber die Race Direction folgt nicht immer den Vorstellungen und Wünschen der Dorna. Ezpeleta wünschte sich schon in Jerez 2013 nach Márquez’ Rammstoss gegen Lorenzo in der Zielkurve ein paar Strafpunkte. Es passierte nichts.

Die GP-Macher wollen durchgreifen und keinen zweiten Fall Simoncelli heraufbeschwören.

Todesfälle sind schlecht fürs Geschäft.

Das Sündenregister von Márquez ist lang. Schon in seiner 125er-Zeit geriet er auf Phillip Island mit Corsi aneinander, er schubste ihn mit dem Ellbogen. In Australien krachte er dann 2011 in der Auslaufrunde (!) des ersten freien Moto2-Trainings ins Heck von Wilairot, er musste vom letzten Startplatz wegfahren. Der damalige Renndirektor Paul Butler wollte ihn unbedingt ganz vom Australien-GP ausschliessen. Er soll am Widerstand der Spanien-Fraktion (Dorna, Repsol) gescheitert sein.

Auch in Valencia 2012 musste Márquez vom letzten Startplatz losbrausen, er hatte sich im freien Training völlig unnütz mit Kallio angelegt. Gegner wie Lüthi, Aegerter und Co. können von der Fahrweise des Champions und Extremisten ein Lied singen.

Was ich nicht verstehe: Marc Márquez hat diese ungestümen Attacken nicht nötig. Es ist vielleicht der talentierteste Motorradrennfahrer, den ich je gesehen habe.

Aber er muss geduldiger werden. Er muss seine Angriffslust zügeln. Der Vorfall in Aragón passierte in der sechsten von 23 Runden. Lorenzo lag nur ein Sekunde voran.

Aber das Mütchen von Márquez wurde nicht einmal durch den 338-km/h-Crash vom Freitag in Mugello gekühlt. Er stürzte dort auch am Samstag und am Sonntag.

Schade. Der Repsol-Honda-Werksfahrer hat mit seinen 20 Jahren mehr gewonnen als jeder andere in diesem Alter. Er bricht alle Rekorde.

Aber wenn er so weitermacht, wird er sich noch viele Knochen brechen. Und irgendwann womöglich auch die Knochen der Gegner.

Marc könnte ein makelloser Rennfahrer sein. Wenn diese ungezügelten Übergriffe nicht wären.

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