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Katar-GP: Jorge Lorenzo wetterte über Bridgestone

Von Günther Wiesinger
Bridgestone stand beim MotoGP-Rennen in Katar im Kreuzfeuer der Kritik. Thomas Scholz, Chief Coodinator bei Bridgestone Motorsport, nimmt Stellung.

Der japanische Einheitsreifen-Lieferant Bridgestone geriet während des GP-Wochenendes in Katar gehörig unter den Beschuss der Fahrer, die über den Griplevel der hitzebeständigen neuen Hinterreifen lästerten.

Besonders die Yamaha-Star Jorge Lorenzo und Valentino Rossi jammerten.

Lorenzo machte die neuen Reifen für die Trainings-Highsider von Pol Espargaró, Bradley Smith und Co. verantwortlich.

«Ich musste noch nie so viel riskieren wie in Doha», stellte Lorenzo fest.

SPEEDWEEK.com hat sich mit dem Deutschen Thomas Scholz über die Reifenproblematik unterhalten; er ist Chief Coordinator von Bridgestone Motorsport.

Thomas, die Fahrer sagten: 2013 hatten wir hier keine Reifenprobleme, jetzt haben wir welche.

Hast du dir interessehalber mal die Kommentare der Fahrer vom Katar-GP im letzten Jahr angeschaut?

Ich habe nur gesehen, dass Aleix Espargaró im Freitag-Training schon auf die Zehntelsekunde gleich schnell gefahren ist wie Lorenzo letztes Jahr bei der Pole-Position – nämlich 1:54,7 min.

Es waren auch 2013 alle nur am Meckern, kein Grip, kein Grip, kein Grip. Das kann man in allen Statements nachlesen.
Aber die Werksfahrer, die nicht beim Testen hier waren von 7. bis 9. März, die waren am Freitag bereits schneller als im letzten Jahr. Die meisten waren 0,6 sec schneller, die Honda-Fahrer wie Pedrosa sogar 1,2 sec.
Kurz gesagt: Die Rundenzeiten sind besser, aber das Gefühl ist nicht gut. Es war aber letztes Jahr auch nicht gut.

Aber Rossi hat schon beim zweiten Sepang-Test festgestellt: «We are fucked.» Das heisst: Wir stecken in der Scheisse. Es kann doch nicht im Interesse von Bridgestone sein, wenn die Fahrer das ganze Jahr lästern?

Um es mal im gemässigten Deutsch zu sagen: Der Herr Lorenzo treibt einen toten Stier durch die Arena.

Das heisst?

Wir haben ihm definitiv schon vor zwei Wochen in Australien gesagt, dass wir die Problematik dieser mittleren Reifen, die wir auch in Sepang eingesetzt haben, erkannt haben. Und dass wir etwas machen werden.
Uns war bewusst, dass speziell die Yamaha-Fahrer in Sepang Probleme hatten. Die Honda-Piloten traf es in Sepang zum Glück nicht so stark. Aber hier in Katar waren auch Stefan Bradl und Bautista nicht glücklich mit dem Grip. Pedrosa auch nicht. Es traf eigentlich alle, es war kaum einer zufrieden.
Wir haben also Lorenzo in Australien mal zu uns geholt, weil er immer so exzessiv am Schimpfen ist... Da haben wir ihm gesagt: Wir haben das Problem erkannt, aber wir können aus firmentechnischer Sicht nicht zurück zu den alten Konstruktionen.

Was heisst «aus firmentechnischer Sicht»?

Aus Sicherheitsgründen.
Wir wollten die neuen Reifen auf Strecken einführen, die wenig Grip haben, in Sepang hatten wir so eine Piste. Doha war nur um einen Tick besser. Die nächste Low-Grip-Strecke, wo wir dasselbe Problem kriegen werden, dürfte Le Mans sein.
Wir haben nachgedacht und eine Lösung gefunden. Wir brauchen aber für Planung und Shipment acht Wochen. Also haben wir Lorenzo eingeschärft: «Für Le Mans werden wir veränderte mittlere Reifenmischungen bringen, damit du wieder deinen gewünschten  'edge grip' hast.»
Aber wir machen das nicht nur für ihn. Es geht immer um alle Fahrer. Es geht auch um Ducati, Honda und um die Open-Fahrer. Wir haben ihm alles erklärt, er war nach dem Meeting in Australien super happy. Zwei Wochen später hatte er in Katar schon wieder alles vergessen. Er hat geschimpft wie ein Rohrspatz statt sich auf das Training zu konzentrieren und zu schauen, das er sein Motorrad richtig hinbringt. Denn alle hatten dieses Problem.

Marc Márquez hat in Ruhe seine Arbeit gemacht. Er war im Quali-Training und im Rennen Erster...

Zum Beispiel. Das finde ich professionell. Auch Bradley Smith ist ruhig geblieben. Lorenzo hat die zwei Highsider ins Spiel gebracht und erzählt, wie gefährlich das alles ist. Die gestürzten Fahrer haben die Highsider nicht unbedingt auf die Reifen geschoben. Highsider passieren überall.

Dieses Reifen-Dilemma liesse sich doch auch mit einer breiteren Allocation lösen. Warum gibt man den Fahrern nicht mehr verschiedene Mischungen pro Wochenende?

Momentan können die Fahrer zehn Hinterreifenverbrauchen. Entweder fünf harte und fünf weiche. Oder sechs harte und vier weiche. Oder sechs weiche und vier harte.

Warum gibt man ihnen nicht drei oder vier statt zwei verschiedene Mischungen? Letztes Jahr hat meistens nur eine Sorte pro Wochenende funktioniert. Der harte Reifen war 2013 fast immer unbrauchbar. Dann wurde es knapp mit dem Kontingent. Warum werden in der MotoGP-WM weniger Reifen erlaubt als in der IDM Superbike?

Ja, zum Beispiel... Na ja, man hat sich irgendwann auf diese Stückzahlen geeinigt. Bei dieser Allocation hängt ja allerhand noch hinten dran. Du musst diese Reifen in allen Mengen dann zu allen Rennen mitnehmen und sie dort verfügbar haben. Es fallen also nicht nur die Produktionskosten an, sondern auch die Logistik und die Fracht.
Wenn du zu jedem Rennen vier statt drei Mischungen mitbringst, kostet das eine schöne Stange Geld mehr.

Ja, klar, aber bei einem Jahresbudget von 20 Millionen Euro sollte das unterzubringen sein. Lieber 1 Million mehr ausgeben und sich dafür die pausenlosen Kritiken der Fahrer ersparen?

Momentan hat man sich mal auf zehn Hinterreifen pro Fahrer und GP-Weekend geeinigt.

Im Januar hast du noch gesagt: Bridgestone muss zuerst einmal beim Sepang-Test rausfinden, ob die M1-Yamaha von Aleix Espargaró mit den weichen Open-Class-Hinterreifen eine Renndistanz fahren kann. Wenn sie nur in den Trainings eingesetzt werden, wäre das nicht im Sinne des Erfinders, denn Bridgestone will keine Quali-Reifen. Jetzt werden sie trotzdem nur in den Trainings verwendet. Diese Reifen sind aber nur für die 220 PS starken Claiming-Rule-Kisten vorgesehen gewesen?

Wir können diese Reifen niemandem wegnehmen, weil diese Anforderung von der Dorna kommt. Die Dorna hat von uns verlangt, dieses System mit den weichen Hinterreifen 2014 weiterzuführen. Das ist eine politische Entscheidung.
Man hätte in Katar mit diesen Reifen eine Renndistanz fahren können. Wie gut, das ist eine zweite Frage.

Bridgestone wollte aber verhindern, dass dieser weiche Reifen von den Open-Fahrern nur als Qualifyer verwendet wird. Jetzt ist aber genau das passiert?

Es wird vielleicht Strecken geben, zum Beispiel in Le Mans bei kühlen Bedingungen, wo man mit diesem weichen Hinterreifen das Rennen fahren kann. In Jerez war es 2013 auch möglich.

Yamaha-Rennchef Lin Jarvis plädiert dafür, diesen weichen Hinterreifen aus der Zuteilung zu streichen. Dabei würde er damit dem Yamaha-Fahrer Aleix Espargaró sehr schaden. Aber er betreibt ein Werksteam mit einem Aufwand von – sagen wir – 50 Millionen. Und das Forward-Team ärgert ihn mit einem Zehntel des Budgets.

Für diese Frage bin ich der falsche Ansprechpartner. Diese Frage musst du an Dorna-Chef Ezpeleta richten. Oder die Factory-Teams müssen zu ihm gehen...

Ja, und Ezpeleta lockt mit dieser Politik die Werke für 2016 zur Einheits-Elektronik.

Siehst du... Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

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