Der gefährliche Ritt auf dem Wind der Veränderung
Die Zeit der Träumereien ist vorbei. Das erste Rennen ist Geschichte. Was für ein spannendes Rennen nach einem langen Wochenende voller Überraschungen und einer Gewissheit: Es siegen immer die üblichen Fahrer. Zumindest mehr oder weniger. Das einzige Fragezeichen nach der Rennnacht in der Wüste hinterließ Valentino Rossi. Dies kann wiederum als eine Tradition betrachtet werden, die sich durch Rossis 18 WM-Jahre zieht.
Ist Rossi noch einer der üblichen Fahrer, die immer siegen? Natürlich wird uns das nur die Zeit sagen. Es wärmte aber das Herz, als er für lange Zeit in Führung lag und noch mehr, als er in den letzten Runden gegen Márquez kämpfte. Das Ergebnis erschien jedoch zu vorhersehbar.
Altmeister gegen Neuling. Doch der Neuling hat eine Honda!
Es war sehr knapp, aber nachdem wir Rossis Stern in den letzten drei Jahren sinken sahen, bin ich noch nicht von seiner strahlenden Rückkehr überzeugt. Katar ist eine seltsame Strecke mit einem seltsamen Streckenbelag und bei den Rennen kommen oft seltsame Ergebnisse zustande. Im letzten Jahr führten die beiden einen ähnlichen Kampf um den zweiten Rang in Márquez‘ erstem MotoGP-Rennen. Damals setzte sich Rossi durch. Diesmal behielt Márquez die Oberhand, obwohl er zuvor sechs Wochen auf keinem Motorrad saß.
Die nächsten fünf Rennen werden faszinierend sein, denn sie werden zeigen, ob Vale seine Leistung diesmal fortführen kann. Folgenschwer: Er gab sich selbst fünf Rennen, um zu entscheiden, ob er noch ein Jahr fährt oder nicht. Und die Spannung für uns: Wie viel explosionsartige Aufregung können wir ertragen?
Das Rennen war aus einem besonderen Grund eine Erleichterung: Es bot eine willkommene Abwechslung nach einem beschämenden Anfall von panischen Regeländerungen und Verwirrung durch die Anpassung der radikalen Neuregelung kurz vor dem ersten Renntag. Zudem verringerte es die Aufmerksamkeit für das Totengeläut der traditionellen Werksteams. Ab 2016 werden alle Bikes unter der Open-Regelung fahren. Das bedeutet, dass alle mit derselben Spritmenge, denselben Reifen und derselben Elektronik unterwegs sein werden.
Ducatis gerissener Schachzug
Rossis Rennen war die Erfrischung, welche die MotoGP-Klasse nach dem schrecklichen Verwirrspiel um die neuen Regeln brauchte. Es begann im letzten Jahr mit der Bildung der Open- und der Factory-Klasse. Der neuen Open-Class wurden 24 statt 20 Liter Sprit, weichere Reifen, keine Testeinschränkungen, 12 statt 5 Motoren und die Möglichkeit, die Motoren während der Saison weiterzuentwickeln, zugesprochen. Der einzige Nachteil ist die Nutzung der Software, welche die Dorna zu Verfügung stellt.
Ducatis gerissene Open-Degradierung war ein Schock und zeigte die Schwäche des Masterplans. Dieser Umstand bewirkte die späten Änderungen, die von der Anerkennung der Regeländerung ab 2016 durch die Werksteams begleitet wurde. Von diesem Wirrwarr profitierte Ducati, denn sie zählen nun wieder als Factory Option, aber sie nutzen dieselben Vorteile wie die Open-Teams. Bis sie wieder auf dem Podest stehen.
Für viele sehen die neuen Regeln gut aus. Nicht nur, weil Rossi nun wieder im Spiel zu sein scheint, sondern weil die Fahrer näher zusammengerückt sind und Piloten aus Satelliten-Teams wie Bradl, Bautista und Smith nun eine wichtige Rolle spielten, nachdem sich Lorenzo selbst aus dem Rennen befördert hatte. Doch nur bis auch sie stürzten.
Neue Regeln eine gute Idee?
Auch Rossi sagte später: «Vielleicht hatte die Dorna eine gute Idee.» Jedoch hatte der personelle Zuwachs an der Spitze nur wenig mit den neuen Regeln zu tun. Der Unterschied für Bradl, Smith und Bautista war, dass sie drei Testnächte in Katar hatten. In Smiths Fall ist sicher auch wichtig, dass er seine zweite Saison in der Königsklasse fährt und sich sehr gut entwickelt.
Ja, Aleix Espargaró wurde auf der vollbetankten ehemaligen Werks-Yamaha mit Dorna-Elektronik Vierter, aber er wäre Achter geworden, wenn man die vier Stürze vor ihm einrechnet. Doch er nutzte denselben Reifen wie die Werkspiloten, denn der härtere Reifen der Open-Klasse ist die weiche Option der Werksfahrer.
Die große Enthüllung kam, als der ältere Espargaró mit dem weichen Reifen dominierte, bis es im Qualifying ernst wurde. Unter dem hohen Erwartungsdruck stürzte er zweimal in einer Session.
Die Ducati-Piloten, die nun in einer Art notgedrungenen Unterkategorie der Factory-Klasse antraten, genossen dieselben Vorteile. Und trafen dieselbe Reifenwahl für das Rennen. Die wahre Lektion war, dass das Verwirrspiel mit den Regeln und das neue Angebot an technischen Abstufungen am Ende keinen Unterschied machten.
Da die Regeländerungen mit gleichen Open-Bikes ab 2016 eine Vereinfachung anstreben, ist der Einschnitt dennoch tief. Wenn der Rennsport spannender wird, wenn man ein verwirrendes Angebot von unterschiedlichen Abstufungen technischer Möglichkeiten einführt, wird er dann nicht wieder schlechter, wen man alle Unterschiede wieder ausmerzt?