Kris Nissen wird 65: Happy Birthday, Super-Däne
Kris Nissen, der zweifache dänische Kart- und Formel Ford-Meister sowie Motorsportler des Jahres, entwickelte sich im Gleichschritt mit seinen Landsleuten Kurt Thiim und John Nielsen rasch zu einem Top-Piloten mit großen Zielen. Bald hatte das Trio wegen seiner kompromisslosen Fahrweise in den Medien den trefflichen Spitznamen «Danish Dynamite» weg.
Alle drei durchliefen die deutsche Formel 3-Meisterschaft mit je einem Titelgewinn – danach trennten sich ihre Wege. Nielsen landete bei Sauber in der Sportwagen-WM, Thiim wandte sich der DTM zu und startete zuerst als Privatfahrer mit Rover und BMW und danach als Werksfahrer mit Mercedes eine bemerkenswerte Karriere.
Nissen schließlich holte für VW Motorsport den deutschen Formel 3-Titel 1986 und stieg als frischgebackener Formel 3-Champion zu Beginn des Jahres 1987 direkt zum Formel 1-Testfahrer bei Zakspeed auf. Zusätzlich startete er in einem Porsche 962 des Kölner Kremer-Teams im Super Cup, der Marken-WM und in der japanischen Sportwagen-Meisterschaft. Ein wahrhaft volles Saison-Programm.
In Japan ereignete sich im Juli 1988 auch jener brutale Feuer-Unfall, der Kris fast das Leben gekostet hätte. Schon zuvor hatte er zwei deftige Porsche-Crashs, die aber jeweils glimpflich ausgingen.
Beim Training zu einem Lauf der japanischen Sportwagen-Meisterschaft in Fuji fuhr Nissen, vermutlich wegen eines technischen Defekts, mit gut 300 km/h in einer Bremszone geradeaus und krachte in eine Mauer. Der Porsche ging sofort in Flammen auf. Der nachfolgende Toyota-Pilot Paolo Barilla hielt an, zog Kris mutig aus den Flammen und rettete so buchstäblich in letzter Sekunde das Leben des Verunglückten.
Wie Niki Lauda nach seinem Feuerunfall 1976 kämpfte sich auch Nissen mit eiserner Willenskraft und schwer gezeichnet wieder zurück ins Leben. Es wurde ein schmerzvoller, langwieriger Genesungsprozess und kaum jemand glaubte angesichts der schweren Verletzungen daran, ihn jemals wieder hinterm Lenkrad eines Rennautos zu sehen.
Tatsächlich aber hatte Nissen nur ein einziges Ziel – die Rückkehr ins Cockpit.
So saß er schon ein knappes Jahr später bei der DTM am Norisring erstmals wieder am Lenkrad eines Werks-BMW M3. Der erste Start im neuen Leben war anstrengend und kostete ihn «wahnsinnig viel Energie und Kraft», wobei das Resultat erst mal zweitrangig war. Viel wichtiger war ihm, wieder ein Gefühl fürs Racing zu bekommen.
Wobei man speziell dem unvergessenen BMW-Motorsport-Chef Karl-Heinz Kalbfell ein großes Kompliment machen muss für das Vertrauen, das er in den Rekonvaleszenten gesetzt hat. Die schwierige Zeit bis zu seiner Rückkehr in den Rennsport schildert Nissen übrigens in seiner 1990 erschienenen Biografie mit dem Titel «Ich habe gewonnen».
Kris revanchierte sich bei BMW mit ordentlichen Resultaten, bekam einen mehrjährigen Werksvertrag und näherte sich langsam immer mehr den Top 10-Platzierungen. Schon im Jahr darauf gehörte er bereits wieder zu den potentiellen Punktesammlern.
Es folgten Rang 2 im Gesamtklassement des 24h-Rennens am Ring im Linder-BMW M3 mit Ellen Lohr/Jean-Michel Martin und Norbert Haug. Und im Jahr darauf sogar der Gesamtsieg mit Armin Hahne und Jockel Winkelhock, diesmal im Schnitzer M3.
Höhepunkt der DTM-Aktivitäten war zweifellos Nissens Sieg am Norisring 1994 im RTL-Alfa 156 V6 – immerhin hatte er Larini und Thiim auf die Ehrenplätze verwiesen. Und mit seiner RTL-Lackierung samt des Sender-Logos die übertragenden TV-Anstalten ZDF und 3sat in Verlegenheit gebracht.
Danach gab es noch verschiedene Engagements im GT-Cup, der STW-Meisterschaft, ein zweijähriges Gastspiel in der V8-Star-Serie sowie nochmals eine kurze Rückkehr in die neue DTM im Audi TTR bei Abt, bevor Nissen ins Management von Volkswagen Motorsport berufen wurde.
Dort betreute er als Chefcoach zunächst die Teilnehmer der hauseigenen Marken-Cups, um ab Herbst 2003 die Leitung von VW Motorsport in Hannover zu übernehmen. Mit ihm ging VW in den Spitzensport, in seine Amtszeit in Hannover fielen die Entwicklung des Dakar-Touareg (drei Siege 2009, 2010 und 2011) sowie die erfolgreiche Rückkehr mit eigenem Motor ins internationale Formel 3-Geschäft.
Parallel dazu trieb Nissen bereits die Entwicklung des später nahezu unschlagbaren VW Polo WRC für die Rallye-WM voran, bevor er die Amtsgeschäfte 2011 an seinen Nachfolger Jost Capito übergab, aber zunächst noch Berater an Bord blieb.
Doch der Platz im Cockpit ließ ihn nicht los. Seit 2019 ist er eine feste Größe in der TWC-Rennserie des historischen Tourenwagensports. In einem 88er Ex-DTM BMW M3 teilte er sich anfangs den Schalensitz mit dem Bayern-Prinzen Poldi, danach fuhr er die Classic-Rennen in einem eigenen M3 zumeist alleine.
Nach einer beruflichen Auszeit hat sich Kris zu Beginn der DTM-Saison 2025 dazu entschieden, nochmals im Management durchzustarten und die Position des Sportdirektors beim privaten belgischen Aston Martin-Rennstall «Cometoyou» zu übernehmen.
Damit dürften die beschaulichen Tage und Wochen mit seiner Familie an seinem Wohnort im Schweizer Hergiswil mit Blick auf den Vierwaldstädter See zumindest öfter mal durch Verpflichtungen bei seinem belgischen DTM-Partner unterbrochen werden.
«Es macht mir Spaß, diese Herausforderung nochmals anzunehmen und das Team auf seinem Weg in und durch die DTM zu begleiten», lässt der mit viel Management- und Rennpraxis ausgestattete Däne wissen.
Ein privates Schlusswort des Autors: Lieber Kris, es war mir eine Ehre, dich vor 40 Jahren im Auftrag von VW Motorsport in der Formel 3-DM mit zu betreuen und deine weitere Karriere als Journalist und Kommentator zu begleiten. Ich verneige mich vor deinem eisernen Willen, nach so einem furchtbaren Feuerunfall in den Rennsport zurückzukehren und erneut erfolgreich zu sein. Happy 65, bleib’ weiter gesund, erfolgreich und genieße dein zweites Leben.