Formel 1: Aus für Perez bei Red Bull Racing

Die Angst vor der Prognose

Von Mathias Brunner
Chelsea Scanlan als Repräsentantin des Australian Grand Prix

Chelsea Scanlan als Repräsentantin des Australian Grand Prix

Vor dem Formel-1-Saisonstart sind kernige Vorhersagen Mangelware. Der Verdacht liegt nahe: Am Sonntag-Abend wird sich das kaum ändern.

Ausgerechnet auf einer Eisfläche wurde das australische Model Chelsea Scanlan als Repräsentantin des «Rolex Australian Grand Prix 2013» präsentiert – komplett mit einem Formel-1-Zweisitzer auf Spikes-Reifen.

Passenderweise hat die australische Rennlegende Sir Jack Brabham den Spruch geprägt: «When the flag drops, the bullshit stops.»

Das Ende des winterlichen Sprücheklopfens wird auch im Fahrerlager vom Albert-Park herbeigesehnt. Denn inzwischen klingen die meisten Hauptdarsteller, als hätte ihre Platte einen Sprung.

Da wollte uns Lewis Hamilton wochenlang weismachen, er werde wohl 2013 keine Siegchancen haben. Als ob jemand allen Ernstes glauben würde, dass ein so erfolgshungriger Racer wie der Champion von 2008 nur deshalb zu Mercedes gewechselt habe, weil er dort mehr Geld verdient als bei McLaren.

Inzwischen hat der Brite dankenswerterweise seine Aussage in einen etwas optimistischeren Bereich korrigiert.

Da behaupten alle, man habe «im Winter hart gearbeitet» (welche Überraschung!). Jeder hat «einen Schritt vorwärts gemacht» (verblüffend fände ich mal die gegenteilige Erkenntnis). Andere halten fest, Melbourne sei «ein fabelhafter Ort für den Saisonstart» (also das haben wir jetzt wirklich noch überhaupt gar nie gehört). Allenthalben freut man sich, dass es losgeht (noch so eine Binsenweisheit), die Rookies sind «dankbar für diese Chance» (Haltet die Druckerpressen an! Seite 1 wird neu aufgerissen!). Jeder ist «fit und fokussiert», fühlt sich «unheimlich motiviert» und «will alles geben» (weniger würde ich von einem Rennprofi auch nicht erwarten).

Bla-bla-bla – siehe Jack Brabham.

Da träumt der Hinterbänkler von WM-Punkten, das Mittelfeld-Team vom Siegen und Fernando Alonso vom WM-Titel. Aber nur ein Alonso wird sich trauen, das auch zu sagen.

Da betet uns jeder zweite Teamchef vor, die Wintertests liessen «keinen Rückschluss auf das Kräfteverhältnis zu».

Ich behaupte: Die meisten Durchblicker im Fahrerlager wissen ziemlich genau, was auf sie zukommt. Wer in Sachen Konkurrenzfähigkeit ruhig schlafen kann, stapelt aber gerne tief, um sich nicht in die Karten sehen zu lassen. Oder Hohn und Spott entgehen, wenn es denn doch nichts wird. Wer punkto Speed oder Standfestigkeit Sorgen hat, der geht zum Stapeln gleich in den Keller und flüchtet in PR-Abteilungs-abgesegnete Worthülsen.

Was wir auch schon am Horizont sehen: Am Sonntag, nach einem hoffentlich abwechslungsreichen Saisonstart, werden wir hüben wie drüben zu hören bekommen – der Australien-GP sage nicht viel aus.

Pirelli-Markenbotschafter Jean Alesi, in 201 Grand-Prix-Einsätzen gestählt, bestätigt: «Der Albert Park Circuit ist als Strassenkurs atypisch. Zu Beginn einer Saison lernen die Fahrer und die Teams noch so viel über ihre Autos und das Verhalten der Reifen, dazu kommt die ganz besondere Charakteristik dieses Kurses, da würde ich das Resultat des Australien-GP nur bedingt als Massstab für den weiteren Verlauf der Saison bemühen.»

Der «Albert Park Circuit» also nicht repräsentativ?

Ein früherer Rivalen von Alesi, der Mönchengladbacher Nick Heidfeld, widerspricht: «Ich finde, das stimmt nur teilweise. Generell bietet die Strecke weniger Grip als die meisten anderen Kurse – und mehr Bodenwellen. Insofern kommt sie einem Stadtkurs nahe. Aber man kann sich danach durchaus schon ein Bild darüber machen, was die Autos können.»

Wie Alesi glaubt aber auch «Quick Nick», dass wir über den Melbourne-GP hinaus Geduld haben müssen, um ein schlüssiges Bild zu erhalten: «Vor allem in Einheit mit dem zweiten Rennen in Malaysia, wo der Asphalt erheblich mehr Bodenhaftung bietet. Und die Strecke schnellere Kurven und deutlich weniger Bodenwellen aufweist – also das Gegenteil von Melbourne ist. Danach lässt sich die Hackordnung festlegen.»

Oder doch nicht?

Schwarzmaler im Fahrerlager von Melbourne argumentieren: «Der Albert Park? Als Strassenkurs nicht aussagekräftig. Sepang? Vom launischen Wetter verfälscht. China? Oft zu kalt, zu windig, Wechselverhältnisse, da lernt man überhaupt nichts. Da siegte 2012 doch Mercedes, und wo waren die Silberpfeile während des restlichen Jahres? Eben. Bahrain? Wegen des Sandes und des oft wechselnden Windes auch nicht repräsentativ. Nein, was wirklich Sache ist, lernen wir erst dann, wenn wir im Mai dorthin zurückkehren, wo wir im Winter zu wenig gelernt hatten – auf den Circuit de Catalunya.»

Fazit – wir vermuten stark, die meisten Formel-1-Insider sind heimliche Fans von Karl Valentin, Mark Twain oder Winston Churchill. Ihnen allen wird das Bonmot zugeschrieben: «Prognosen sind schwierig, besonders dann, wenn sie die Zukunft betreffen.»

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