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Der britische Klassiker in den walisischen Wäldern

Von Toni Hoffmann
Der große Rallye-Klassiker reloaded: walisische Wälder einmal andersherum, ein Abstecher nach England, Stimmen aus dem Volkswagen-Lager.

Ob «Sweet Lamb», «Hafren» oder «Myherin» – eine Rallye Großbritannien ohne diese Klassiker ist einfach undenkbar. In diesem Jahr heißt es aber: turn around. Erstmals seit 1995 werden die beiden erstgenannten Wertungsprüfungen in entgegengesetzter Richtung durchfahren, «Myherin» gar zum allerersten Mal überhaupt. Zwar gehören die Routen durch die walisischen Wälder nicht zu den technisch anspruchsvollsten, dennoch ist ein präziser Aufschrieb wichtig. Grund hierfür: das unberechenbare Wetter auf der Insel.

Nebel, Regen, Schnee und Eis machen aus Schotter Matsch und Schlamm und sorgen bei der Rallye Großbritannien gern für rasant wechselnde Grip-Verhältnisse. Erstmals in diesem Jahrtausend statten die Fahrer und Beifahrer auch England wieder einen Dienstbesuch ab – wenn auch nur einen kurzen. Genauer gesagt: für 1,80 Kilometer. So „lang“ ist die Wertungsprüfung „Cholmondeley Castle“, die den Abschluss des Samstags bildet. Zum bis dato letzten Mal war England 1999 Teil der Rallye Großbritannien.

Da, wo alles begann – Latvala und Mikkelsen am Ort ihres Karrierestarts

2002 Jari-Matti Latvala, 2006 Andreas Mikkelsen – jene beiden Volkswagen Piloten, die bei der Rallye Großbritannien noch um Rang zwei in der Weltmeisterschaft kämpfen, kehren mit guten Erinnerungen nach Wales zurück. Hier begann jeweils ihre Karriere in der Rallye-WM. Latvala ging bereits 14-mal in den walisischen Wäldern an den Start, Mikkelsen sechsmal. Latvala stand 2008, 2010 und 2013 entweder als Zweiter oder Dritter auf dem Podium, 2011 und 2012 gewann er die Rallye Großbritannien zuletzt. Mikkelsen kletterte vergangenes Jahr als Dritter erstmals mit auf das Podest.

Stimmen vor der Rallye Großbritannien

Sébastien Ogier, Volkswagen Polo R WRC #1
«Ich bin sehr glücklich, als Weltmeister zur Rallye Großbritannien zu reisen. Meine Motivation bleibt aber unverändert, denn wir möchten auch den Herstellertitel für Volkswagen verteidigen. Mit der Wales Rally GB erwartet uns eine der geschichtsträchtigsten Rallyes überhaupt. Ich habe einige Zeit gebraucht, um in Wales zurechtzukommen. Wahrscheinlich war die Lernphase bei keiner anderen Rallye länger. Seitdem ich bei Volkswagen bin, habe ich hier dreimal gewonnen. Nach allem was ich in Wales erlebt habe, kann ich nun von mir behaupten, dass ich mich dort richtig wohlfühle. Eine wichtige Komponente ist, wie jedes Jahr, das Wetter. Wenn in den Wetterberichten kein Regen angekündigt wird, kann man sich eigentlich fest auf Regen einstellen. Ich erwarte ohnehin sehr nasse und neblige Strecken, die sehr typisch für diese Jahreszeit dort sind. Völlig verrückt sind die Fans, denn trotz des schlechten Wetters feuern uns jedes Jahr Tausende Zuschauer an. Darauf freue ich mich ganz besonders.»

Jari-Matti Latvala, Volkswagen Polo R WRC #2
«Die Rallye in Wales zählt absolut zu meinen Lieblings-Rallyes. Da ich zuletzt in Spanien auf den Schotter-Prüfungen schon recht schnell war, werde ich auch in Wales schnell sein. Da habe ich keine Zweifel. Allerdings war die Saison für mich bisher wirklich schwierig. Ich hoffe deshalb, bei den letzten beiden Saisonläufen noch einmal gut abzuschneiden um dann am Ende unter die ersten drei der Fahrer-WM zu kommen. In Wales kann der Untergrund sehr tückisch sein. Wenn es nachts stark geregnet hat, kann die Piste für die weiter hinten startenden Autos sehr schmierig und rutschig werden. Das ist typisch für Wales. Die Rallye startet diesmal aber etwa zwei Wochen früher als in den vergangenen Jahren, weshalb ich hoffe, dass es nicht ganz so viel regnen wird. 2002 bin ich dort meine erste Rallye gefahren, es gibt also keine Rallye, bei der ich auf mehr Erfahrung zurückgreifen kann – ich bin sicher, dass ich dort um den Sieg mitfahren kann.»

Andreas Mikkelsen, Volkswagen Polo R WRC #9
«An der Rallye Großbritannien gefällt mir besonders das Layout der Wertungsprüfungen. Ich genieße es immer, dort zu fahren. Natürlich ist es sehr knifflig, den Polo auf dem matschigen und somit rutschigen Untergrund am Limit zu bewegen. In Wales werden wir uns – wie jedes Jahr – auf Regen und schwierige Bedingungen einstellen müssen. Durch den Unfall in Spanien habe ich wichtige Punkte in der Meisterschaft liegen gelassen und mein Freund Thierry Neuville hat nach Punkten in der Fahrer-Wertung mit mir gleichgezogen. Es wird ein harter Kampf mit ihm um den zweiten Platz. Mein Ziel ist es natürlich, diese Position auch am Ende der Saison zu belegen. Anders und ich werden aber ausschließlich auf unsere eigene Leistung schauen und versuchen, das Maximale herauszuholen. Wir haben uns mit Thierry in dieser Saison bereits einige tolle Duelle geliefert. So wird es auch in Wales sein.»

Sven Smeets, Volkswagen Motorsport-Direktor
«Nach dem großartigen Erfolg von Sébastien Ogier und Julien Ingrassia in der Fahrer- und Beifahrer-WM können wir bei der Rallye Großbritannien nun aus eigener Kraft auch die Hersteller-Wertung der Rallye-Weltmeisterschaft für uns entscheiden. Das ist ohne jede Frage das erklärte Ziel. Wir reisen also mit großer Motivation an und mit dem Selbstbewusstsein, schon in Wales die Entscheidung herbeiführen zu können. Dazu müssen wir als gesamtes Team konzentriert und gewissenhaft arbeiten. Andreas Mikkelsen und Jari-Matti Latvala können beide noch Platz zwei in der Fahrer-Wertung erreichen – auch für dieses Ziel werden wir hart arbeiten. Beide haben bei diesem Klassiker gute Erinnerungen und beide haben hier ihre Karrieren gestartet.»

Drei Fragen an … Timo Gottschalk, Meteo-Koordinator

Was genau wertet die Meteo-Crew von Volkswagen Motorsport aus und wie kommen die Daten und Informationen zustande?
Timo Gottschalk: «Wir haben verschiedene Leute an den Wertungsprüfungen. Diese messen die Boden- und Lufttemperatur sowie die Windgeschwindigkeit. Sie schauen sich aber auch den Himmel an, messen gegebenenfalls die Regenstärke und bestimmen, wie feucht und schlammig die Oberfläche der Strecke und wie die Beschaffenheit der Spurrillen nach dem ersten Durchgang sein wird. Diese Daten kommen alle zu mir und ich trage sie in eine Liste ein. Anhand dieser Daten macht unsere Meteorologin Silke Hansen die Vorhersagen.»

Wie sehr kommt es bei der Rallye Großbritannien auf die Wetter-Crew an?
Timo Gottschalk: «Die Reifenwahl – hart oder weich – ist einer der entscheidenden Faktoren bei der Rallye Großbritannien. Damit unsere Piloten diese Entscheidung treffen können, müssen sie wissen, was sie auf der Strecke erwartet: Wie hoch oder niedrig ist die Boden- und Lufttemperatur? Wie feucht oder trocken ist es? All diese Informationen liefert die Wetter-Crew.»

Die Rallye Großbritannien wird dieses Jahr zwei Wochen eher ausgetragen als in der vergangenen Saison. Welche Auswirkungen hat das auf die Beschaffenheit der Wertungsprüfungen?
Timo Gottschalk: «Es sollte vom Wetter her ein bisschen angenehmer und nicht ganz so kalt sein wie im vergangenen Jahr. Eventuell ist auch die Bodentemperatur ein bisschen höher. Aber zwei Wochen sind nicht so viel – da kann das Wetter auch genauso werden wie im vergangenen Jahr. In Wales ist es allgemein sehr wechselhaft, man kann es sehr schwer einschätzen. Wir können auch in einer Woche alle vier Jahreszeiten erleben.»

Zahl zum Wochenende: 555

Das Duell Finnland gegen Frankreich ist ein ewiges in der Rallye-Weltmeisterschaft. Vor dem 555. Rallye-WM-Lauf der Geschichte schlagen für Frankreich 181, für Finnland 176 Siege zu Buche. Die mit weitem Abstand erfolgreichsten Nationen im WM-Zirkus werden bei der Rallye Großbritannien unter anderem von Sébastien Ogier und Jari-Matti Latvala in Volkswagen Farben vertreten. In Sachen Prüfungsbestzeiten liegen Latvala und Ogier beinahe gleichauf: 464 hat „JML“ auf dem Konto, 462 der alte und neue Champion.

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