Rallye Deutschland: Was wir daraus gelernt haben
1. Sébastien Ogier bleibt auf Asphalt die Nummer 1
Möglicherweise hatte Volkswagen-Pilot Jari-Matti Latvala nach dem Sieg bei der Rallye Frankreich im letzten Jahr geglaubt, er könne Teamkollege Sébastien Ogier inzwischen auch auf Asphalt das Wasser reichen. Seit letzten Wochenende sollte klar sein: Auf festem Untergrund ist Ogier nur zu schlagen, wenn er Fehler macht. So wie in den vergangenen beiden Jahren bei der Rallye Deutschland und auch beim französischen WM-Lauf 2014.
Der saubere Fahrstil von Ogier setzt die technischen Möglichkeiten des Polo R WRC – beziehungsweise im Falle des fehlenden Mitteldifferenzials dessen Grenzen – optimal um. Der erstmals eingesetzte Michelin-Reifen verstärkt den Vorteil des Doppel-Weltmeisters weiter. Der neue Pneu ist noch dichter an einem Rundstrecken-Reifen dran, reagiert aggressiver auf Lenkbewegungen. Eigenschaften, mit denen Latvala nach eigener Aussage zu kämpfen hat.
Es spricht für Latvala, dass er als Einziger dem Tempo von Ogier folgen konnte. Spätestens bei der nächsten Asphalt-Rallye auf Korsika werden die beiden VW-Piloten erneut Hackfleisch aus ihren Konkurrenten machen.
2. Der Vorsprung von Volkswagen wird eher größer als kleiner
Mein geschätzter Kollege Herbert Völker hat vor zwei Jahrzehnten zum damals in der WM überlegenen Team sinngemäß geschrieben: Während die Spatzen noch ihre Wunden lecken, baut Lancia schon größere Kanonen. Auf 2015 übertragen heißt dies: Citroën, Hyundai und Ford hinken dem aktuellen Polo R WRC jetzt schon meilenweit hinterher, gleichzeitig arbeitet Volkswagen bereits mit Hochdruck am Auto für 2017 - und ist der Konkurrenz schon wieder einen möglicherweise entscheidenden Schritt voraus.
Am ehesten hatte man vor der Rallye Deutschland noch Citroën zugetraut, den Wolfsburgern erneut das Heimspiel zu verderben. Immerhin hat der DS3 WRC auf Asphalt schon ein paar Rallyes gewonnen. Doch Kris Meeke leistete sich schon früh einen Fehler.
Der auf festem Untergrund schwächere Teamkollege Mads Østberg war fortan die Speerspitze der Franzosen. Doch Østberg hatte gar nicht in Deutschland getestet und brauchte entsprechend lange, um sich auf die speziellen Bedingungen einzuschießen. Rang sieben für Østberg und zwölf für Meeke bedeutete des schlechteste Resultat aller vier beteiligten Hersteller.
Raten Sie mal, wer bereits einen Test auf korsischem Asphalt absolviert hat. Ein Tipp: Citroën, Ford und Hyundai waren es nicht.
3. Hyundai wird zur ernsten Gefahr für Citroën
Citroën war acht Mal Marken-Weltmeister. Vom einstigen Glanz ist nicht mehr viel übrig. Nach der Rallye Deutschland musste die Marke sogar Platz zwei in der Hersteller-Tabelle an Hyundai abgeben.
Obwohl der aktuelle i20 WRC ein vergleichsweise altes Auto ist, belegten Dani Sordo und Thierry Neuville die Ehrenplätze hinter dem Volkswagen-Trio. Bei der nächsten Rallye in Australien, dann wieder auf losem Untergrund, wird Sordo als Punktelieferant für die erste Mannschaft erstmals durch Schotter-Spezialist Hayden Paddon ersetzt.
Der Neuseeländer geht von der «down under» äußerst vorteilhaften Startposition zehn ins Rennen. «Wenn ich dieses Jahr irgendwo gewinnen kann, dann in Australien.»
4. M-Sport braucht dringend einen Topfahrer
Auch bei der Rallye Deutschland wurde M-Sport, private Vertretung von Ford in der Weltmeisterschaft, unter Wert geschlagen. Der Focus WRC sollte zumindest mit den Hyundai mithalten können. Was der Mannschaft fehlt, ist ein Topfahrer. Wunschkandidat von Teamchef Malcolm Wilson ist ?Hyundais Nummer 1, Thierry Neuville. Aber Wilson sind die Hände gebunden, das Geld für eine Verstärkung fehlt.
5. Deutschland wird um den ADAC Opel Rallye Cup beneidet
Im offiziellen WM-Feld durften sie zwar nicht mitfahren. Unter Beobachtung standen die Teilnehmer des ADAC Opel Rallye Cup trotzdem. So einen Nachwuchs-Markenpokal sollte es in jedem Land geben, lautete das allgemeine Urteil von Teamchefs und Talentscouten.
Nicht von ungefähr zieht es längst junge Fahrer aus halb Europa in die deutsche Serie. Vorjahressieger Emil Bergkvist hat gerade die Junior-Wertung der Europameisterschaft gewonnen – im Werksteam von Opel.
Der nächste logische Schritt für den Schwede wäre der Aufstieg in die Weltmeisterschaft. Doch der ist markenintern kaum machbar. Die Kategorie R2, in die der Opel Adam passt, spielt auf WM-Ebene keine Rolle. Und die Entwicklung eines Corsa R5 liegt bei dem wirtschaftlich angeschlagenen Unternehmen weiterhin auf Eis.