Von Null auf 24-Stunden-Rennen in 236 Tagen

Von Oliver Runschke
Am 22. September machte GT Academy-Sieger Marc Gassner seine Rennlizenz auf dem Nürburgring. Am 16. Mai soll er beim 24-Stunden-Rennen im 550 PS Nissan GT-R Nismo GT3 starten.

Wo haben Sie im Juli das Finale der Fussball-WM geschaut?

Und jetzt stellen sich mal vor, dass sie an diesem Juliabend noch nichts davon gewusst haben, dass Sie zwei Monate später ihre ersten Schritte auf der Nürburgring-Nordschleife machen und bis Ende Oktober dort an vier Rennveranstaltungen teilgenommen haben.
Mit dem Ziel, am 16. Mai 2015 an den 24h auf dem Nürburgring teilzunehmen.
236 Tage nachdem sie ihre Rennlizenz gemacht haben.
In der Topklasse der GT3-Fahrzeuge 24-Stunden lang durch die Grüne Hölle.
In einem Werks-Nissan GT-R Nismo GT3 mit 550 PS.

So ergeht es gerade Marc Gassner. Der 23-jährige aus Kempen am Niederrhein hatte beim Fussball-WM-Finale allerdings schon eine Ahnung, denn das Endspiel schaute er mit den anderen Finalteilnehmern der deutschen Ausgabe der Nissan GT Academy im «Race Camp» in Silverstone. Zwei Tage später stand Gassner nach einem spannenden Finalrennen als dritter deutscher Sieger des ungewöhnlichen Nachwuchsförderprogramms von Nissan fest. Der Preis von Gassner: Ein Start beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring in einem Werks-Nissan. In der deutschen Version der GT Academy hatte sich Gassner gegen mehr als 60.000 Konkurrenten durchgesetzt. In der GT Academy formt Nissan aus Videospielern echte Rennfahrer. Dass dies funktioniert, ist mittlerweile hinlänglich erwiesen und wie das funktioniert, lesen Sie in den Links unter diesem Text.

Gassner im Sim Team mit Bottas und Catsburg

Wer denkt Gassner erfüllt das Klischee des bleichen, leicht übergewichtigen Computerspiele-Nerds mit ungepflegten Haaren muss mit seinen Vorurteilen aufräumen. Der Nachwuchsrennfahrer erfüllt alle Anforderungen für den netten Jungen von nebenan, ist sportlich, hat eine solide Ausbildung als Industriekaufmann, studiert «European Business Programm» und reist gerne. Schon im vergangenen Jahre schaffte Gassner es in die Runde der Nissan GT-Academy-Finalteilnehmer, doch «zu dem Zeitpunkt bin ich gerade durch Indien gereist, die Reise wollte ich dafür nur ungern aufgeben.» Er bewarb sich in diesem Jahr nochmals und schaffte es wieder in das Finale. Ohne übrigens um nächtelang vor der Playstation das Spiel «GT6» zu zocken, über das man sich in einem Online-Wettbewerb qualifiziert. Wenn Gassner erzählt, wie er sich in das Finale der GT Academy fuhr, klingt das schon unverschämt. «Ich habe mir die Playstation von einem Freund geliehen und eine Woche lang jeden Abend so ein, zwei Stunden gespielt.»

In Sachen Rennspiele war Gassner allerdings vorbelastet: Seit Jahren ist er begeisterter Sim Racer, spielt auf verschiedenen Plattformen am PC Autorennspiele und das nicht so schlecht. «Zu meinem Sim-Racing-Team zählte vor einigen Jahren auch der heutige Formel-1-Pilot Valtteri Bottas», erzählt Gassner. «Ich habe ihn zwar bisher noch nicht persönlich kennengelernt, dafür aber GT-Pilot Nick Catsburg, den ich auch über das Sim Racing kenne.»

Nach dem Sieg bei der GT Academy passierte für Gassner ein einmal........gar nichts. Konnten die Sieger der vergangenen Jahr gerade einmal noch neue Unterwäsche von zu Hause holen, bevor es in England mit der Rennfahrerausbildung weiterging, hatte Gassner erst einmal sechs Wochen Pause. Sein Programm ist gegenüber den übrigen GT-Academy-Siegern in diesem Jahr autark, denn der Preis der vier weiteren Sieger ist ein Start bei den 24h von Dubai. Dort wird Gassner allerdings nicht antreten.

Zwei Monate Stillschweigen nach dem Sieg

So gab es erst einmal sechs Wochen Pause, bevor das Programm im September startete. Bis dahin musste Gassner seine Klappe halten. Da das Finale der GT Academy erst am 20. September bei RTL ausgestrahlt wurde, musste der Sieger Stillschweigen bewahren. «Ich habe es nur meiner Familie erzählt und einigen guten Freuden, von denen ich wusste, dass sie dicht halten.» 

Beruflich hatte er schon vorher alles in die Wege geleitet, um sich seiner Rennfahrerausbildung zu widmen, die zum grössten Teil in England über die Bühne geht. «Ich hätte ohnehin in diesem Jahr in England studiert, daher hat niemand Verdacht geschöpft, als ich für die GT Academy dort hin musste.» Anfang September bekam er in England seine motorsportliche Grundausstattung, absolvierte ein Fitnesstraining, lernte sein zukünftiges Nordschleifen-Einsatzteam RJN kennen. Drei Wochen später machte er auf dem Nürburgring seine Rennlizenz. Eine reale Rennstrecke kannte er bis dahin nur von der Tribüne und die Nordschleife noch nicht einmal von Touristenfahrten.

Bereits 100 Runden Nordschleife in gut vier Wochen

Mittlerweile ist Gassner bereits voll in der Vorbereitung für das grosse Ziel. Er hat zwei VLN-Rennen in einem BMW absolviert, dazu noch zwei RCN-Läufe. Was Gassner und der GT Academy derzeit Kopfschmerzen bereitet, ist die für das nächste Jahr neu eingeführte Nordschleifen-Zusatzlizenz, die in zwei Stufen angelegt ist. Für den GT-Academy-Sieger gilt es nun, genügend Kilometer und Erfolge vorzuweisen, um die B-Lizenz zu bekommen und anschliessend zu versuchen, die A-Lizenz zu erhalten. Die ist Voraussetzung für den Start im GT3-Auto.

Auf der Nordschleife hat Gassner mittlerweile rund 100 Runden zurückgelegt. Für den Studenten ein rasanter Start von 0 auf 100, denn motorsportlich war er bisher unbefleckt. Bei den ersten Rennen hatte er trotz fehlender Motorsporterfahrung keine Probleme sich einzufinden. «Im Sim Racing lernt man schon recht viel. Man entwickelt ein grosses Verständnis für das Auto, auch wenn es nur virtuell ist. Daher hatte ich bei meinem ersten Rennen überhaupt Probleme. Sim Racing ist mittlerweile deutlich aufwendiger als sich das wohl die Meisten vorstellen, nicht umsonst zählt das Fahren im Simulator für viele Rennfahrer mittlerweile zur Vorbereitung. Ich habe keine Probleme damit das Auto richtig auf der Strecke zu platzieren oder die richtige Linie zu finden. Ich bin ohnehin nervenstark, daher können mich auch Rennsituationen nicht aus der Ruhe bringen. Nick Catsburg hat immer schon zu mir gesagt, wenn ich die Chance bekommen würde, in einem echten Rennauto zu fahren, bin ich dort auch schnell. Im Sim Racing geht es auch darum, das Auto auf der Strecke zu halten und keine Unfälle zu bauen, wenn man bei einem Sim-Racing-Turnier mehrere Hundert Euro Preisgeld gewinnen kann, fährt man nicht anders, als auf der Rennstrecke in der realen Welt.»

Wo Gassner seine noch frische Karriere hinführt, weiss er noch nicht. Das Studium ruht erst einmal, das 24-Stunden-Rennen im kommenden Jahr ist das grosse Ziel. «Ich setzte mir keine motorsportlichen Ziele, das wäre nach nur vier Renen auch vermessen. Sollte ich es schaffen mich über den Sieg bei der GT Academy im Motorsport zu etablieren, was das schon genial. Denn ohne die GT Academy wäre der Zug, es in den Motorsport zu schaffen, für mich schon lange abgefahren.»

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