In den frühen1950ern: Schwenningen im Rennsportfieber
Fast mythisch und mit viel Nostalgie verbunden steht der Begriff «Hammerstatt-Rennen» in der heutigen Doppelstadt Villingen-Schwenningen, auf halbem Weg zwischen Stuttgart und Zürich gelegen. Nicht nur im Fußball, Radsport und Eishockey zeigte vor allem das württembergische Schwenningen bundesweit und gar international in den 1950er Jahren sportlich richtig Flagge. Die Haudegen des Schwäbischen Automobilclubs Schwenningen veranstalteten darüber hinaus - eigentlich heute unvorstellbar - zunächst ziemlich hemdsärmlig, aber dann doch gekonnt, vier Rundstrecken im Stadtteil Hammerstatt.
Im Jahre 1950 waren es dem SAC-Vorsitzenden Fritz Haspel einfach leidd gewesen, dass sich die Vereinsaktivitäten in Sonntagsausflüge und Kaffeefahrten zu erschöpfen. Zusammen mit seinem zur Untätigkeit verdammten Sportleiter Sepp Bihl wollte er endlich wieder etwas richtig Tolles am Neckarursprung bieten.
Zuerst dachten die Männer daran, dass in den 1930er-Jahren mehrmals veranstaltete Bergrennen am Dreifaltigkeitsberg bei Spaichingen wieder aufleben zu lassen. Das Projekt scheiterte an zweierlei: Erstens zeigte sich die Straße zum Dreifaltigkeitsberg im Jahre 1950 in einem unwahrscheinlich schlechten Zustand. Das noch größere Hindernis stellte indes das Vereinsvermögen mit gerade 49 DM dar.
Schließlich kam die Idee mit einem Sandbahnrennen auf. Als Terrain sollte die dafür scheinbar optimal geeignete 400-Meter-Aschenbahn der Turngemeinde genutzt werden. Zwar hatte die Organisationsmannschaft zunächst keinen blassen Schimmer wie man das Projekt tatsächlich angehen sollte, aber schließlich wurde am 11. Juli die Veranstaltung doch ausgerichtet.
Bei den Ovalrennen waren vor allem Fahrer aus Bayern und einige Exiltschechen dabei. Die tollkühnen Männer in Schräglage sahen nach einer Rennrunde schon aus wie schwarzbraune Monstermumien - die Zuschauer nach weiteren Umläufen auch.
Als das Rennen von Rennleiter Sepp Bihl mit der Schachrettflagge abgewinkt hatte, stand die gesamte Vorstandschaft verdattert da, denn die Aschenbahn offenbarte sich mit Spurrillen total ramponiert. Was die TG-Verantwortlichen angesichts des Sturzackers laut lamentierend von sich gaben, war nicht druckreif. Für die Instandsetzung und die Kosten der Organisation musste der SAC ein Defizit von über 5000 DM beklagen - sehr viel Geld in den 1950er Jahren.
Der Katzenjammer indes dauerte nur eine Woche. Die Mitglieder spendeten oder wurden mit kleinen zinslose Darlehen angepumpt. Schließlich hatten die SAC-Verantwortlichen die fast unglaubliche Idee ein Motorrad-Rundstreckenrennen auszutragen, um das Kassenmanko wieder auszugleichen und krempelten die Hemdsärmel hoch.
Sepp Bihl präsentierte mit seinem Führungsteam mit den Geschäftsleuten Herbert Waldmann, Erich Bick, Hermann Sixt und Josef Mikoni sowie den Jungspunden Erich Schlenker und Fred Jäckle: Den Hammerstatt-Rundkurs, eine interessante Berg- und Talstrecke, fast wie der Circuit beim Monaco-Grand Prix. Länge 1,2 Kilometer, vier Linkskurven, eine Rechtskurve und 30 zu überfahrende Kanaldeckel.
Der Start befand sich an der Bahnlinie Rottweil-Villingen, dort wo erst später die Brücke zum Neckarstadtteil hinüber gebaut wurde. Der Streckenverlauf führte nach der Maico-Kurve in die Lichtensteinstraße hinein und mündete mit einer Haarnadelbiegung in die Achalmstraße. Von dort folgte der Streckenverlauf in der Hammerstattstraße bis zum Gasthaus Rosengarten hinauf. Von dort ging es rechts steil die Burgstraße hinab, an deren Ende eine enge Spitzkehre nach rechts schließlich in die Start- und Zielgerade mündete.
Das Fahrerlager befand sich auf dem Werksgelände der nahe der Strecke gelegenen Ventilatorenfabrik Maico. Als Rennbüro diente das Gasthaus «Paradies» (heute eine Wärmestube) in der Talstraße.
Das Rennen wurde am 10. September 1950 veranstaltet. In den einzelnen Klassen verliefen die Wettfahrten äußerst spannend und interessant. In der Kategorie bis 100 ccm gab es einen engen Rad-an-Rad-Kampf eines Fahrers aus Messkirch (Sieger) mit dem einheimischen Erhard Götte auf seiner 6 PS-Imme. In der Achtelliterkategorie gewann der Ebinger DKW-Fahrer Karl Bodmer. In der 250 ccm-Kategorie siegte Werner Martin (Stockach) auf einer NSU Max. Die 350 ccm-Klasse gewann der Trossinger Hans Schweizer mit seiner Horex. Im Seitenwagenrennen lagen die Stockacher Oswald/Kemptner mit ihrem BMW-R68-Gespann vorne.
Das Hauptrennen der Maschinen bis 500 ccm gestaltete sich zur großen Triumphfahrt des Schwenninger Lokalmatadors Siegfried Schlenker. Auf seiner Norton siegte der «Stierle-Klepfe»“ mit einem Schnitt von 66,8 Kilometern pro Stunde. Er überrundete während des auf über 25 Umläufe angesetzten Rennens das gesamte Feld. Über 16000 Zuschauer verfolgten vom Bahndamm unterhalb der Wannenstraße den Renntag mit.
Die Flucht nach vorne hatte sich für den Verein gelohnt: Die SAC-Kasse war nach der Veranstaltung gut gefüllt, konnte sich Schatzmeister Heinz Lauffer freuen.
Ein Nachspiel hatte das erste Hammerstatt-Rennen dann aber doch noch. Fritz Haspel und Sepp Bihl wurden zur ADAC-Gau-Württemberg-Zentrale nach Stuttgart zitiert. Die Genehmigung der Stadt Schwenningen und des Landratsamts Rottweil hatten für die Veranstaltung zwar vorgelegen und auch ein Versicherungsschutz war abgeschlossen worden. Indes, der ADAC war über die Veranstaltung nicht informiert worden und es erfolgte eine riesiges Donnerwetter. Noch lange wurde über das «wilde Rennen» in Schwenningen gesprochen.
Weitere Hammerstatt-Rennen fanden in den Jahren 1951, 1954 und 1955 statt. Lokalmatadoren waren immer wieder erfolgreich. So fuhr 1951 der Bad Dürrheimer Adolf Reich mit seiner Doppel-Kolben-Puch auf den zweiten Platz. Der Adler-Werksfahrer Siegfried Baier aus Hochmössingen siegte in 1955 am Neckarursprung, im gleichen Jahr wurde er auch Deutscher Meister. Einige später bekannte und erfolgreiche Rennfahrer stießen als Mavericks auf der Hammerstatt ihre Hörner ab. So startete etwa auch der spätere Porsche-Werksfahrer und Targa Florio-Sieger Gerhard Mitter (Böblingen) in Schwenningen.
Nachdem beim ersten Hammerstatt-Rennen nur Motorräder am Start gewesen waren, wurden bei weiteren Austragungen auch Rennen mit Formel 3-Monoposti und Porsche-Sportwagen gefahren. In 1955 kam es in einem Sonderlauf zu einem Prestige-Duell zwischen Untertürkheim und Zuffenhausen. Fürst Joachim zu Fürstenberg aus Donaueschingen startete mit seinem Flügeltürer-Mercedes gegen den Braunschweiger Kurt Ahrens (der schon das Aschenbahnrennen gewonnen hatte) im James Dean-Porsche Spyder. Das Rennen war allerdings schnell vorentschieden, als der Fürst in der Startkurve einen fulminanten Dreher fabrizierte.
Ab dem Jahr 2000 bis 2015 richtete der SAC, nach der VS-Städtefusion 1972 mit Villingen auf den neuen Namen Schwarzwälder Automobil Club umgetauft, seine selbst mittlerweile legendärenl Hammerstatt-Revials aus. Prominente Fahrer wie etwa auch die Motorradweltmeister Luigi Taveri, Fredy Spencer, Jim Redman, Phil Read, Dieter Braun und Hans-Georg Anscheid gaben dabei ihr Stell-dich-ein bei ziemlich flotten Präsentationsfahrten.
Am 12. Oktober plant der SAC ein Old- und Youngtimer-Treffen im alten Hammerstatt-Revial-Fahrerlager im Schwenninger Industriegebiet am Flugplatz auszurichten. Nostalgie ob der fulminaten Rennsportzeiten auf der Hammerstatt wird wohl beim PS-Festle eine große Rolle spielen.