Oh moon of Atacama
Die Dakar schreibt immer wieder einzigartige Geschichten
Der Mond stand noch ziemlich voll und klar über den Dünenbergen der Atacama. Ockersand und graue Felsen wirkten weiß im Dunkel. Herrlich sangen die Generatoren und sorgten für krachendes Licht in den Serviceburgen. Hammel in rostbrauner Sauce war angesagt im Fress-Zelt unter kreischend hellen Lampen.
Über den bekleckerten, einstmals weiß – ja, weiß! - bezogenen Tischen schwärmten Riesenfalter. Lauwarmes Mineralwasser floss in Strömen. Es wäre noch heimeliger gewesen in der Wüste, hätte draußen ein Feuer gebrannt, wie sonst jeden Abend im Biwak. Aber hier gibt es nichts Brennbares – es sei denn, man hätte Sand mit Diesel gemischt und das geflämmt.
Jürgen Schröder aus Hamburg und sein Pilot Alfi Cox ,glückliche Treiber eines SMG Buggy, verströmten Freude. Schröder: „ Eigentlich wollte ich ja mit einem Motorrad fahren, aber da habe ich in Südafrika den Alfi kennen gelernt.“ Der feixte: „ Ich habe ihm gesagt, dass er frische Luft auch in einem Zweisitzer genießen kann. Und viel, viel mehr Möglichkeiten hat, ordentlich zu schrauben“.
Die beiden waren 18. gewesen an diesem Tag, hatten nur anderthalb Stunden auf Sainz verloren, standen aber im Gesamt mit 236 Stunden im Minus nur auf dem 54. Platz. 200 Stunden hatte es bekanntlich ja gegeben für all' jene, die nach dem Ruhetag wieder starten durften, ohne bei den Etappen 5 und 6 ins Ziel gekommen zu sein.
Während sich diese zwei Privatmenschen mit einem in der Kategorie T 4 laufenden Renn-Laster begnügen müssen, hatte VW anfangs drei dieser MAN- Schwerge-wicht-Boliden auf Achsen. Einer pausierte zu lange in den Mörderdünen der Etappe 5 und rollte direkt zurück nach Buneos Aires zur Verschiffung, zwei rollen unverdrossen. Gestern brauchten sie nicht recht eingreifen, denn Dieter Depping und Timo Gottschalk bauten persönlich. Dieter: „Da war am Meer unten eine frisch befestigte Piste, wir waren schnell. In einer plötzlichen Links ging uns die Straße aus. Der Touareg ballerte links in die Felsen, dann rechts.“
Das taten vier, fünf andere Autos auch. Die Besatzung des Touareg ersetzte demolierte Querlenker und humpelte ins Biwak, mit anderthalb Stunden Rückstand auf King Carlos und nun nur noch an 10. Stelle im Gesamt. Teamchef Kris Nissen reagierte: „ Mein Vater hat mich gelehrt, immer die Wahrheit zu sagen. Hab' ich auch in diesem Fall getan. Dieter soll sich schämen. Er kannte seine Aufgaben genau – den anderen zu helfen. Dass er sich verfahren hat, ist bei der schwierigen Navigation hier kein Problem. Aber das Auto raus zu setzen und den Mechanikern Extra-Arbeit zuzumuten., ist unmöglich.“ Als Dieters Auto endlich zur 10. Etappe wieder genesen war, knipsten die Mechaniker das Licht aus. Um fünf Uhr morgens.
Der Fall Nasser al Attiyah, BMW-Pilot im X-Raid-Team, ausgeschlossen wegen Auslassens von neun Wegpunkten, kam im Kantinenkabinett erneut auf's Tapet. Die Organisation räumte gegenüber Teamchef Sven Quandt ein, dass sie mit ihrer Ablehnung falsch lag. Eindeutig falsch auch mit ihrer Entscheidung, nach dem Ruhetag alle Piloten wieder zum Raid zuzulassen – außer denen, die als “gesetzt“ eingestuft wurden. Die einzigen zwei bisher ausgefallenen Gesetzten heißen Nasser al Attiyah und Stephane Peterhansel.... Tragischer verlief diese Geschichte für Miki Biasion, der mit einem Mitsubishi Pajero reiste: Er erfuhr im startenden Flugzeug in Santiago, dass er hätte weiterfahren können.
Das ruppige Verhalten der chilenischen Gendarmen gibt immer wieder Anlass zu harscher Kritik. Den Gipfel ihres völligen Unverständnisses leisteten sie sich am Zieleinlauf vor der Liaison nsch Valparaiso: Akkreditierten Journalisten im Auto verboten sie den Zugang zur Interview- Stelle . Auch zu Fuß durften sie nicht dorthin. Einer Gruppe, die im Helikopter ankam, wurde ebenfalls drangsaliert und gesperrt. Der Heli-Pilot reagiert göttlich: Er ließ alle wieder einsteigen und setzte sie 100 Meter hinter der Bullerei in Olivgrün mitten auf der Raid-Strecke wieder raus.
Womit wir wieder beim Thema wären: Was interessiert es den Mond, wenn die Hunde unten heulen.