KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Das sind die Technikdetails des neuen Porsche 963

Von Felix Schmucker
Der Porsche 963 ohne Fronthaube in Daytona

Der Porsche 963 ohne Fronthaube in Daytona

Der erste Renneinsatz des neuen Porsche 963 steht bevor. Das Fahrzeug gibt das Debüt bei den 24h Daytona, die zur IMSA zählen. Der 963 wird auch in der WEC antreten. Jeder Porsche 963 besteht aus 16.705 Einzelteilen.

Am 16. Dezember 2020 bekannte sich Porsche zur Entwicklung eines LMDh-Prototypen für den Einsatz ab Januar 2023. Die Aussicht, ein Fahrzeug sowohl in der FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) und der nordamerikanischen IMSA WeatherTech SportsCar Championship einsetzen zu können, gab den Ausschlag für die Entscheidung des Vorstandes der Porsche AG. Weniger als fünf Monate später gab Porsche die enge Kooperation mit Team Penske bekannt. Das neue, weltweit agierende Team Porsche Penske Motorsport war geboren. Es agiert von zwei Standorten aus: Am Hauptsitz der amerikanischen Mannschaft in Mooresville im US-Bundesstaat North Carolina ist das Team für die IMSA-Meisterschaft beheimatet, im deutschen Mannheim das Einsatzteam für die WEC. Nachdem im Januar 2022 die aktive Testphase für den neuen Prototypen gestartet wurde, steht das Werksteam jetzt unmittelbar vor seiner Rennpremiere in Daytona.

Bei den 24 Stunden von Daytona im US-Bundesstaat Florida (28./29. Januar) absolviert der neue Porsche 963 seine offizielle Rennpremiere. Bis es soweit ist, hat das Hybridfahrzeug bei Tests und beim sogenannten Roar in Daytona weit mehr als 30.000 Kilometer absolviert. Im abschließenden Qualifying erreichten die beiden Werkswagen die Plätze zwei (Startnummer 7) und neun (Startnummer 6). Bereits die Typenbezeichnung macht deutlich, welchen Weg der Sportwagen-Hersteller aus Stuttgart mit dem Porsche 963 verfolgt: Das neue, im Rennbetrieb rund 500 kW (680 PS) starke Auto für die Topklassen Hypercar (FIA WEC) und GTP (IMSA) soll die erfolgreiche Geschichte des Porsche 962 fortschreiben. Das legendäre Modell aus Gruppe-C-Zeiten schaffte in den Jahren 1986 und 1987 etwas Einzigartiges: In beiden Saisons fuhren die Autos in Le Mans, Sebring und Daytona zum Gesamterfolg. Bei allen drei Rennen ist Porsche Rekordsieger. Je 18 Triumphe stehen bei den US-Langstrecken-Klassikern zu Buche, in Le Mans sind es gar 19 Erfolge. Gesamtsieg Nummer 20 könnte bereits im Juni folgen, wenn das französische 24-Stunden-Rennen seinen 100. Geburtstag feiert. Der neue Porsche 963 ist bereit für die großen Klassiker des Jahres.

Chassis: LMP2-Basis von Multimatic mit Porsche-typischem Markengesicht

Die neuen Fahrzeuge der Kategorie LMDh müssen allesamt auf einem LMP2-Chassis basieren – so schreibt es das Regelwerk vor. Vier potenzielle Partner standen für ein solches Projekt zur Wahl: Multimatic, Oreca, Dallara und Ligier. Im Anschluss an eine umfangreiche Evaluierung hat sich Porsche frühzeitig für die Zusammenarbeit mit Multimatic entschieden. Als größter unter den vier LMP2-Herstellern steuert das Automobiltechnologie-Unternehmen mit Stammsitz in Toronto (Kanada) auch Komponenten für den Porsche 911 RSR, Porsche 911 GT3 R und Porsche 911 GT3 Cup bei. Neben den bereits vorhandenen Geschäftsbeziehungen sprachen unter anderem auch die enormen Produktionskapazitäten für Multimatic – ein wichtiger Faktor, denn der Porsche 963 wird bereits im ersten Einsatzjahr auch als Kundenfahrzeug auf beiden Seiten des Atlantiks fahren.

Der neue Rennprototyp ist sofort als echter Porsche zu erkennen. Sein Design verbindet moderne Elemente mit historischen Anleihen. Die Frontpartie erinnert an die weichen Formen der legendären 956 und 962, im Heckbereich greift ein durchgängiges Lichtband eines der prägenden Merkmale der aktuellen Neunelfer-Generation 992 auf. «Das Reglement gibt uns ein Performance-Fenster vor», erklärt Christian Eifrig, Technischer Leiter des Porsche 963. «Das Fahrzeug muss bezüglich Abtrieb und Rundenzeiten in einem vom Regelwerk vorgeschriebenen Leistungsbereich liegen. Nur so ist es den Verantwortlichen später möglich, die Autos verschiedener Hersteller per Balance of Performance anzugleichen», so Eifrig weiter.

Über die sogenannte BoP, eine Einstufung der verschiedenen Fahrzeuge in den neuen Topklassen, wird ein ausgeglichener und somit spannender Wettbewerb gewährleistet. Faktoren wie Mindestgewicht, Höchstdrehzahl oder Energie pro Stint bringen die LMDh-Autos auf ein gemeinsames Performanceniveau. «Dieses Leistungsfenster zu erreichen, ist durchaus anspruchsvoll», beschreibt Eifrig. «Gleichzeitig geht es um das Porsche-typische Erscheinungsbild. Unsere schwierige Aufgabe war es, den perfekten Kompromiss aus effizienter Aerodynamik und sofort erkennbarer Designsprache zu finden.» Damit auch die Regelhüter des ACO und der FIA das sogenannte Markengesicht akzeptieren, muss es darüber hinaus zahlreiche weitere Kriterien erfüllen. Diese Freigabe erhielt der Porsche 963 auf Anhieb.

V8-Turbomotor: Modernes Aggregat mit Wurzeln vom Porsche RS Spyder

Während das Reglement die Hybridkomponenten sowie das Getriebe als kosteneffiziente Einheitsbauteile festschreibt, gewährt es bei der Wahl des Verbrennungsmotors umfangreiche Freiheiten. Im Prinzip gilt: Das Aggregat muss eine Leistung von 520 kW (707 PS) generieren können und samt Peripherie ein Mindestgewicht von 180 Kilogramm auf die Waage bringen. Stefan Moser, als leitender Ingenieur verantwortlich für den Antrieb des Porsche 963, hat sich gemeinsam mit seinem 18-köpfigen Team Ende 2020 für den 4,6-Liter-Motor aus dem Porsche 918 Spyder entschieden. Dieser Supersportwagen mit Hybridantrieb debütierte Anfang September 2013. Kurz zuvor gelang es mit ihm als erstem Seriensportwagen die Nürburgring-Nordschleife in weniger als sieben Minuten zu umrunden.

Sein leistungsstarker Achtzylinder wartet unter anderem mit hoher Haltbarkeit, enormer Steifigkeit und einer Trockensumpf-Schmierung auf. «Der Motor besitzt eine flache Kurbelwelle und ist sehr kurzhubig ausgelegt», erläutert Moser. «Damit können wir ihn sehr tief einbauen, wodurch er einen tiefen Schwerpunkt und optimale Anlenkpunkte der Aufhängung am Getriebe ermöglicht. Der Motor stellte im 918 zwar kein tragendes Element dar, aber er bringt eine verhältnismäßig hohe Grundsteifigkeit mit - auch das kommt uns sehr entgegen.»

Im Porsche 918 Spyder arbeitet das hocheffiziente Aggregat als Saugmotor ohne Aufladung. Im neuen LMDh-Prototypen agiert es in Kombination mit zwei Turboladern des niederländischen Herstellers Van der Lee, die den Umgebungsdruck um lediglich 0,3 bar erhöhen. Die Lader sind auf der «heißen Seite» verbaut, also in der 90 Grad weiten Öffnung der V-Geometrie. «Das Gute dabei: Der Motor bewahrt seine Grundcharakteristik als Sauger und spricht sehr direkt auf Gaspedalbefehle an. Der relativ geringe Ladedruck baut sich schnell auf, ein sogenanntes Turboloch entfällt», freut sich der Entwickler aus dem Porsche Motorsportzentrum Flacht. Der Umbau des Serienmotors auf Turbobetrieb gestaltete sich unkompliziert: Rund 80 Prozent aller Bauteile stammen aus dem 918. Einige Komponenten erhielten zusätzliche Versteifungen, damit das Aggregat im 963 als tragendes Element fungieren kann. Weiterer Vorteil des 4,6-Liter-Motors: Im 918 Spyder hat Porsche den Antrieb bereits auf das Zusammenspiel mit Hybridkomponenten abgestimmt.

Die Standardkomponenten des elektrischen Boost-Systems stammen von den Herstellern Bosch (Motor-Generator-Einheit, Elektronik sowie Software) und Williams Advanced Engineering (Hochvolt-Batterie). Die sogenannte Motor Generator Unit (MGU), die für Leistungsabgabe und Rekuperation an der Hinterachse während der Bremsphasen verantwortlich zeichnet, agiert in direktem Zusammenspiel mit dem Standard-Getriebe der Marke Xtrac. Die MGU ist in der Getriebeglocke zwischen Verbrennungsmotor und Schalteinheit verbaut. Die gesamte Elektrik des Hybrids arbeitet mit einer Spannung von maximal 800 Volt. Die Einheitsbatterie speichert eine nutzbare Energie von 1,35 kWh, die in Beschleunigungsphasen jederzeit abgerufen werden darf. Eine Leistung von 30 bis 50 kW (40 bis 68 PS) steht für kurze Zeiträume zur Verfügung, ändert aber nichts an der Gesamtleistung des Antriebsstrangs. Setzt der Schub der MGU ein, wird die Power des über 8.000 Touren (je nach Einstufung) drehenden Verbrenners automatisch abgesenkt. Das Reglement schreibt die Leistungsabgabe präzise vor.

Der 4,6-Liter große V8-Biturbo mit der Porsche-internen Bezeichnung 9RD hat seine frühen Wurzeln im Aggregat des RS Spyder. Das Rennfahrzeug gewann in den Händen des damaligen Kundenteams Penske zwischen 2006 und 2008 alle Titel in der LMP2-Klasse der damaligen American Le Mans Series. Der Motor in den auffällig gelb-rot lackierten Prototypen hatte damals einen Hubraum von 3,4 Litern. Bauform und Konzeption genügen jedoch noch heute höchsten Ansprüchen im modernen Motorsport. «Der V8-Motor eignet sich zudem für den Betrieb mit CO2-optimiertem Treibstoff, sogenanntem biobasierten Refuel», freut sich Stefan Moser. In diesem Bereich hat Porsche mit der Einführung von umweltschonenden Treibstoffen im Porsche Mobil 1 Supercup seit der Saison 2021 eine Vorreiterrolle übernommen. Die dort gesammelten Erfahrungen mit dem 911 GT3 Cup helfen auch beim optimalen Betrieb des neuen Porsche 963.

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