Vor der GP-Saison 2020: Die wichtigsten Änderungen

Kolumne von Mathias Brunner
Die Formel 1, geboren 1950

Die Formel 1, geboren 1950

​Sechs Tage Wintertestfahrten auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya liegen hinter uns, am 15. März steht in Australien der WM-Auftakt auf dem Programm. Wir zeigen Ihnen die wichtigsten Änderungen.

Für die Königsklasse gilt der Leitsatz: Stillstand ist Rückschritt. Vielleicht murksen die Verantwortlichen ein wenig zu oft am Reglement, nicht immer zum Besseren. Wenn wir zwei eher fade Grands Prix in Folge haben, dann schrillen in der Formel 1 schon die Alarmglocken, und irgendwelche (mehr oder weniger intelligenten) Massnahmen werden aufgegleist. Wie ist das in anderen Sportarten? Wenn ich mich über zwei langweilige Fussballspiele hintereinander ärgere, dann lese ich nichts davon, dass zur kommenden Saison die Grösse der Tore geändert wird.

Um Sie für die Formel-1-Saison 2020 fit zu machen, weisen wir gerne auf einige Änderungen hin, das beginnt beim Kalender: Erstmals in 70 Jahren Formel 1 sollten wir 22 WM-Läufe haben. Ob das wirklich passieren wird, steht in den Sternen – der Coronavirus hat zu einer Verschiebung des Rennens von Shanghai geführt, ob es nachgeholt wird? Eher fraglich. Wir haben gemessen am Programm 2019 den Grossen Preis von Deutschland in Hockenheim verloren, dafür kehrt ein Grand Prix der Niederlande (Zandvoort) ins Programm zurück, und im April findet der erste WM-Lauf in Vietnam statt, sollte es denn möglich sein.

Das Formel-1-Reglement bleibt weitgehend stabil, der Hammer kommt dann 2021, mit komplett neuartigen Rennwagen. Dennoch finden wir in den Regeln für 2020 zahlreiche Änderungen, hier eine kleine Übersicht.

Gar nicht kleinkariert
Als die Zielflagge zum Grossen Preis von Kanada 2018 zu früh fiel, war die scheinbar Schuldige schnell gefunden – das kanadische Star-Model Winnie Harlow. Tenor in den sozialen Netzwerken: Der Kleiderständer sei halt zu doof, um die karierte Flagge zur rechten Zeit zu zeigen. Aber der Autoverband FIA korrigierte diese Fehleinschätzung bald. In Tat und Wahrheit hatte Harlow die Anweisung erhalten, die Flagge zu zeigen und tat, wie ihr geheissen. Wer von uns hätte schon zurückgefragt, ob es wirklich der richtige Zeitpunkt ist?

Die FIA führte daraufhin für 2019 ein, dass die Videotafel, auf welcher bei Start/Ziel die karierte Flagge eingeblendet wird, das offizielle Ende des Grand Prix bedeutet – ungeachtet dessen, ob und wie oben mit der Flagge gewedelt wird. Aber in Japan 2019 ging das schief. Da wurde in Suzuka die Videowand eine Runde zu früh aktiv. Daher also Befehl zurück: Das offizielle Ende des Grand Prix wird wieder traditionsgemäss mit der karierten Flagge angezeigt.

Testfahrten: Weniger ist mehr
Die Rennställe stöhnen unter der Belastung der GP-Wochenenden. Das führt dazu, dass die Wintertests gekürzt wurden – statt zwei Viertagestests wie bis anhin gab es nur noch zwei Tests zu je drei Tagen. Die Praxis in Katalonien hat gezeigt: für die Teams kein Problem. Tests während der Saison sind ganz gestrichen. Dafür wird nach Abschluss der Saison in Abu Dhabi drei Tage lang gefahren, an einem dieser Tage muss ein Rookie ins Auto (der zwei Grands Prix oder weniger bestritten hat).

Na denn gute Nacht
Theoretisch sollten die geforderten Mechaniker 2020 zu mehr Schlaf kommen: Die befohlene Ruhezeit von acht Stunden ist im neuen Reglement am Donnerstag und Freitag auf neun erhöht worden. Zwei Mal pro Saison darf ein Team die Ruhezeit brechen, ohne bestraft zu werden (wenn länger am Wagen gearbeitet werden muss, etwa nach einem Unfall).

Eine Flosse wird zum Stummel
Als die 2017er Rennwagen vorgestellt wurden, erkannten wir schnell – die segelartigen Verlängerungen der Motorabdeckungen zum Heckflügel hin waren zurück, die Briten nennen sie «shark fin», Haiflosse, andere tauften diese Luftleitelemente Segel. Wir reden hier von einem aerodynamischen Hilfsmittel, das schon in der Saison 2010 zu voller Blüte gelangt waren. Die Teams freuten sich, potenziellen Sponsoren mehr Werbefläche präsentieren zu können. Die FIA fand: Ein prima Platz, um die Namen der Rennfahrer hinzuschreiben und die Startnummern der Piloten. Später wurden die Flossen wieder verbannt.

Für 2020 wird es einen Flossenstümmel an der Oberkante der Airbox geben, die FIA will, dass die Rennställe dort die Startnummer der Fahrer platzieren – zum Wohle der Fans. McLaren hat im Frühling 2019 gezeigt, wie das aussehen kann. Die FIA-Aerodynamiker wollen herausgefunden haben, dass sich dadurch so gut wie kein aerodynamischer Vorteil bietet. Über die Ästhetik darf durchaus diskutiert werden.

Mehr Augenmass bei Strafen
Der Franzose Pierre Gasly wurde 2019 von den Rennkommissaren in Baku zu einem Start aus der Boxengasse verdammt. Im zweiten freien Training zum Grossen Preis von Aserbaidschan hatte es der Franzose versäumt, trotz Aufforderung bei der Waage der FIA zu stoppen. Die Regelhüter Gerd Ennser (Deutschland), Mika Salo (Finnland), Nish Shetty (Singapur) und Anar Shukurov (Aserbaidschan) kannten kein Pardon. Viele Fans fragten sich: Warum eine so harte Strafe? Wieso wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen?

Die Antwort liegt im Reglement begründet. Die FIA-Kommissare erklärten sich so: «Wer an der Waage vorbeifährt und an wessen Auto danach gearbeitet wird, der wird gemäss Artikel 29.1 a) mit einem Start aus der Boxengasse bestraft.» Die FIA ist sich selber da treu: Carlos Sainz (Monaco 2015) und Kevin Magnussen (Bahrain 2016) erhielten die gleiche Strafe. Der FIA blieb also gar nichts Anderes übrig, als diese Strafe zu verhängen. Die Fahrer werden von der FIA nach dem Zufallsprinzip zur Waage gebeten, um zu prüfen, ob nicht jemand untergewichtig fährt.

Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner regte sich fürchterlich auf: «Diese Strafe war dem Vergehen nicht angepasst. Wir bestreiten das Foul keineswegs. Aber wir hätten die gleiche Strafe erhalten, wenn wir Pierre mit 50 Kilo Untergewicht an seinem Wagen auf die Bahn geschickt hätten. Da stimmt doch etwas nicht.»

Das fand auch die FIA: Die Rennkommissare erhalten in solchen Fällen ab jetzt mehr Spielraum, das gilt auch für Vergehen wie Frühstart. Einst war dafür eine Durchfahrtstrafe zwingend oder sogar eine Bestrafung von 10 Sekunden Stop and go. Ab 2020 können die Kommissare nachsichtiger sein, wenn sie das für angemessen halten, mit Fünf- oder Zehnsekunden-Strafen, welche auf die Rennzeit addiert werden.

Ein kleiner Stubser mit grosser Wirkung
Das haben wir schon oft erlebt – ein kleiner Stubser mit dem Frontflügel und schon geht der Reifen eines Gegners in Fetzen. Die FIA reagiert mit der neuen Regel: Die ersten 50 Millimeter einer Frontflügel-Endplatte müssen rein aus Kohlefaser bestehen, Einsätze aus Metall als Anlenkpunkt ausgenommen, die müssen aber zur Vorderkante um 30 mm zurückversetzt sein.

Selbst ist das Team
Lufthutzen der Bremsen gehören neu zu den so genannten «listed parts», Bauteile also, welche von den Rennställen selber entworfen werden müssen und nicht von einem anderen Team übernommen werden dürfen. Zu diesen Teilen gehören auch die Karosserie oder die Überlebenszelle.

Mehr Macht dem Fahrer
Ab 2020 müssen beim Rennstart 90 Prozent des Drehmoments ausschliesslich vom Fahrer über die Kupplungswippe kontrolliert werden. Elektronische Helfen zum Finden des Schleifpunkts oder zum Schutz vor dem Absterben des Motors bleiben erlaubt, nur soll die Rolle des Piloten noch wichtiger werden.

Ein Generator mehr
Die geplanten 22 Rennen der Saison 2020 haben bei den Teams zu berechtigten Zweifeln geführt, ob sie mit den erlaubten Motorteilen über die Runden kommen. Daher dürfen neu drei Generatoren für die kinetische Energie (MGU-K) verwendet werden (bislang zwei). Gleich bleiben hingegen drei erlaubte Verbrennungsmotoren, drei Turbolader, drei elektrische Generatoren am Lader, ebenso gleich bleibt es bei zwei Batterien und Steuereinheiten. In der Saison 2019 mussten 9 von 20 Fahrern mehr als die zwei erlaubten MGU-K verwenden.

Die Formel-1-Termine 2020

15. März: Melbourne, Albert Park Circuit/AUS
22. März: Bahrain, Bahrain International Circuit/BRN
5. April: Hanoi, Street Circuit Hanoi/VN
3. Mai: Zandvoort, Circuit Park Zandvoort/NL
10. Mai: Montmeló bei Barcelona, Circuit de Barcelona-Catalunya/E
24. Mai: Monte Carlo, Circuit de Monaco/MC
7. Juni Aserbaidschan, Baku City Circuit/AZ
14. Juni: Montreal, Circuit Gilles Villeneuve/CDN
28. Juni: Le Castellet, Circuit Paul Ricard/F
5. Juli: Spielberg, Red Bull Ring/A
19. Juli: Silverstone, Silverstone Circuit/GB
2. August: Mogyoród bei Budapest, Hungaroring/H
30. August: Francorchamps, Circuit de Spa-Francorchamps/B
6. September: Monza, Autodromo Nazionale/I
20. September: Singapur, Marina Bay Street Circuit/SGP
27. September: Sotschi, Sochi Autodrom/RUS
11. Oktober: Suzuka, Suzuka Circuit/J
25. Oktober: Austin, Circuit of the Americas/USA
1. November: Mexico City, Autódromo Hermanos Rodríguez/MEX
15. November: São Paulo, Autódromo José Carlos Pace/BR
29. November: Abu Dhabi, Yas Marina Circuit/UAE

Noch ohne Termin: Shanghai, Shanghai International Circuit/RCH

Formel-1-Wintertests 2020

1. Valtteri Bottas (FIN), Mercedes W11, 1:15,732, Fr21 C5
2. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing RB16-Honda, 1:16,269, Fr28 C4
3. Daniel Ricciardo (AUS), Renault RS20, 1:16,276, Fr28 C5
4. Charles Leclerc (MC), Ferrari SF1000, 1:16,360, Fr28 C5
5. Lewis Hamilton (GB), Mercedes W11, 1:16,410, Fr28 C5
6. Esteban Ocon (F), Renault RS20, 1:16,433, Fr28 C5
7. Sergio Pérez (MEX), Racing Point RP20-Mercedes, 1:16,634, Fr28 C5
8. Carlos Sainz (E), McLaren MCL35-Renault, 1:16,820, Fr28 C4
9. Sebastian Vettel (D), Ferrari SF1000, 1:16,841, Do27 C5
10. George Russell (GB), Williams FW43-Mercedes, 1:16,871, Fr28 C5
11. Daniil Kvyat (RU), AlphaTauri AT01-Honda, 1:16,914, Fr28 C4
12. Robert Kubica (PL), Alfa Romeo-Sauber C39-Ferrari, 1:16,942, Do27 C5
13. Romain Grosjean (F), Haas VF-20-Ferrari, 1:17,037, Fr28 C4
14. Pierre Gasly (F), AlphaTauri AT01-Honda, 1:17,066, Do27 C5
15. Kimi Räikkönen (FIN), Alfa Romeo-Sauber C39-Ferrari, 1:17,091, Do20 C5
16. Lance Stroll (CDN), Racing Point RP20-Mercedes, 1:17,118, Do27 C3
17. Nicholas Latifi (CDN), Williams FW43-Mercedes, 1:17,313, Do27 C5
18. Antonio Giovinazzi (I), Alfa Romeo-Sauber C39-Ferrari, 1:17,469, Fr21 C5
19. Kevin Magnussen (DK), Haas VF-20-Ferrari, 1:17,495, Fr28 C4
20. Alex Albon (T), Red Bull Racing RB16-Honda, 1:17,550, Mi26 C2
21. Lando Norris (GB), McLaren MCL35-Renault, 1:17,573, Do27 C3

Reifenmischungen von Pirelli: C1 (hart) bis C5 (extraweich)

Mi19 = Mittwoch, 19. Februar
Do20 = Donnerstag, 20. Februar
Fr21 = Freitag, 21. Februar
Mi26 = Mittwoch, 26. Februar
Do27 = Donnerstag, 27. Februar
Fr28 = Freitag, 28. Februar

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