Hitze-GP Malaysia: Mensch und Technik am Anschlag

Von Rob La Salle
Grand Prix von Malaysia: viel trinken ist unerlässlich

Grand Prix von Malaysia: viel trinken ist unerlässlich

Malaysia ist kein Grand Prix wie jeder andere. Die Kühlung ist eine der grössten Herausforderungen in der neuen Hybrid-Ära der Formel 1– in Sepang gilt das auf und neben der Rennstrecke.

Wenn Malaysia von den Organisatoren selber als der heisseste Grand Prix des Jahres angeprisen wird, dann steht seit vergangenem Jahr fest: der Superlativ ist verschärft worden. Durch den Wechsel des Verbrennungsmotors (internal combustion engine, kurz: ICE) von einem V8 mit 2,4 Litern Hubraum zu einem V6 mit 1,6 Litern sowie dem damit verbundenen Anstieg von Leistung pro Liter laufen die Motoren heisser. Weitere Hitze entsteht durch das neue Druckladesystem.

Die Antriebseinheit (power unit) ist gänzlich anders aufgebaut als ihr Vorgänger. Es gibt mehr Hybridsysteme, ein komplexeres Auspuffsystem, und der Ladeluftkühler, der für das Druckladesystem benötigt wird, trägt ebenso zu den Kühlanforderungen des Autos bei.

Der richtige Umgang mit der Hitze sorgt nicht nur für ein intaktes Auto, sondern spielt auch bei der Performance und der Effizienz eine wichtige Rolle. Wenn die Hitze zum Beispiel im Auspuffbereich zwischen dem Motor und dem Turbolader gesenkt werden kann, kann diese möglicherweise durch die MGU-H (Generator für elektrische Energie am Lader) zurückgewonnen werden. Dies würde zu einem erhöhten Energiegewinn und einem insgesamt höheren Effizienzgewinn führen.

Dabei gibt es zwei gegensätzliche Einflüsse. Der erste konzentriert sich darauf, dass jede der Komponenten innerhalb eines optimalen Temperaturfensters funktioniert. Der andere ist dafür verantwortlich, die Kühlsysteme so zu gestalten, dass sie keinen negativen Einfluss auf die aerodynamische Effizienz des Autos nehmen.

Gemeinsam mit anderen Austragungsorten sind die Anforderungen an effiziente Kühllösungen in Malaysia besonders hoch. Das Land ist für sein Klima bekannt und stellt in diesem Bereich sowohl für das Team als auch für die Fahrer eine der grössten Herausforderungen des Jahres dar. Anders als im Albert-Park sind die Temperaturen am Sepang International Circuit relativ konstant. Die Umgebungstemperatur liegt meistens zwischen 30 und 32 Grad. Somit kann die Kühlung des Autos mit recht hoher Genauigkeit massgeschneidert werden. Während die Motoren unter diesen Bedingungen eine andere Lebensdauer aufweisen, wissen die Teams zumindest, worauf sie sich einstellen müssen. Anders als in Melbourne müssen sie nicht mit Temperaturschwankungen von bis zu zehn Grad rechnen.

Dennoch bleibt die Herausforderung, ein Überhitzen ohne die Hilfe des Luftflusses rund ums Auto und in die Lufteinlässe zu verhindern – zum Beispiel im Stand. Wenn man sicherstellen kann, dass die optimalen Temperaturen so schnell wie möglich wiederhergestellt werden können, etwa nach einem Qualifying-Lauf, kann dies zu einer zusätzlichen Chance führen. Ebenso kann es von Vorteil sein, die gesamten Fahrzeugtemperaturen in der Startaufstellung auf sehr niedrige Werte zu bringen. Jedes dieser kleinen Elemente kann ein wichtiger Teil im grossen Ganzen der Gesamtleistung an einem Rennwochenende darstellen.

An diesem Punkt können Onboard-Kühlsysteme eine wichtige Rolle spielen. Sie ersetzen den Luftfluss, der durch die Bewegung des Autos entsteht, durch eine künstliche Alternative. Die Umgebungstemperatur kann an Strecken wie in Sepang bis zu 40° Grad erreichen. Die Temperaturen am Auto steigen sogar auf bis zu 75 Grad und die Arbeitstemperatur der Kühler in den Seitenkästen kann mehr als 120 Grand betragen.

Dies spielt auf Strecken wie Sepang eine so wichtige Rolle, dass das Team den offiziellen Team-Partner ebm-papst zu Rate gezogen hat, um Hochleistungs-Ventilatoren mit hoher Effizienz zur Verfügung zu stellen. Der Einsatz von Kühlgeräten an den Seitenkästen und auf dem Überrollbügel ermöglicht eine Steigerung der Kühlung des F1 W06 Hybrid um 518 Prozent!

Hinzu kommt in Malaysia die berüchtigte Luftfeuchtigkeit. Deren Einfluss auf die Kühlung des Autos ist nicht so bedeutend wie jener der Umgebungs- oder Streckentemperatur. Aus Sicht des Teams ist ihre Wirkung jedoch entscheidend.

In der Box nehmen die beiden Autos, eine Vielzahl an Mechanikern, etliche Aerodynamik-, Elektronik und IT-Spezialisten sowie die Ersatzteile und Reifen viel Platz ein. Die Vorderseite ist jedoch stets offen, so dass dort Hitze einströmen kann. In Malaysia und Singapur können die Arbeitstemperaturen in der Box 40 Grad leicht überschreiten. Die Luftfeuchtigkeit beträgt dort oft mehr als 90 Prozent.

Der Mensch spürt die Luftfeuchtigkeit besonders stark. Sie führt oftmals zu Problemen bei der Anpassung und manchmal sogar zu Atembeschwerden. Inmitten all der technischen Überlegungen vergisst man nur allzu leicht, dass in der Box und im Cockpit Menschen bei sehr schwierigen Bedingungen Spitzenleistungen erbringen.

Der entwässernde Effekt des Klimas ist bei Rennen wie in Singapur und Malaysia so stark, dass ebm-papst erneut damit beauftragt wurde, eine innovative Kühlungs- und Wärmeabzugs-Lösung für die Box des Mercedes-Teams zu entwickeln. Dies ist eine entscheidende Entwicklung zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Teammitglieder und Fahrer.

Die speziell entwickelte, wassergekühlte Klimaanlage kommt beim Grossen Preis von Malaysia 2015 zum ersten Mal zum Einsatz. Sie kühlt die kritischen Arbeitsbereiche der Box auf Raumtemperatur herunter. Die Einheit ist 1 Meter mal 2 Meter mal 90 cm gross und besitzt ein modulares Druckluftverteilungssystem. Das Klima-Modul kann in den unterschiedlich großen Formel-1-Boxen in aller Welt eingesetzt werden. Der Einfluss einer solchen Boxen-Kühlung wird den Fahrern nicht verborgen bleiben. Selbst bei den fittesten Piloten im Feld führt die physische Anstrengung hinter dem Lenkrad während eines typischen Malaysia Grand Prix zu einem Herzschlag von bis zu 170 Schlägen pro Minute. Dabei verliert der Fahrer leicht drei Liter an Körperflüssigkeit.

Die schlimmsten Auswirkungen der hohen Luftfeuchtigkeit spüren die Fahrer jedoch, wenn sie an die Box zurückkehren. Dann erlischt der Luftfluss um sie herum. Stattdessen müssen sie plötzlich mit einer enormen Wärmeabweisung und Transpiration klarkommen. In der Hitze des Gefechts gilt in Malaysia das Gesetz des Stärkeren, und zwar bei Mensch und Maschine. Darüber hinaus ist es ein Beispiel dafür, was selbst unter den extremsten Bedingungen erreicht werden kann – quasi die Essenz der Formel 1!

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