McLaren-Honda: Fernando Alonso wie Ayrton Senna?

Von Mathias Brunner
Nach dem enttäuschenden Saisonbeginn von McLaren-Honda: Was die englisch-japanische Seilschaft braucht und was nicht. Zweiter Teil des grossen Journalistengesprächs von SPEEDWEEK.com.

Im ersten Teil unseres Gesprächs (Sie finden es HIER) haben wir festgehalten, wieso die Erwartungen an McLaren-Honda so gross waren und die Enttäuschung jetzt noch grösser ist. Wir haben über technische Schwierigkeiten gesprochen und das Problem, sie auf die Schnelle zu lösen. Im zweiten Teil geht es in der Expertenrunde aus Luis Vasconcelos (Portugal), Tony Dodgins und Eric Silbermann (beide England) sowie Mathias Brunner zunächst einmal um die Entscheidungsstruktur bei McLaren-Honda.

Eric Silbermann
Was Honda unbedingt vermeiden sollte – Entscheidungen von einem Komitee fällen zu lassen. Und das war in der Vergangenheit so. In der Formel 1 brauchst du einen Leader, der die Richtung vorgibt. Du kannst Fragen nicht endlos in Gremien wälzen, die nie zu einem Ergebnis kommen. Vor allem in Zeiten einer Krise brauchst du eine Führungspersönlichkeit. Ich kann nicht einschätzen, ob Honda-Rennchef Yasuhisa Arai dieser Leader ist. Dazu kenne ich ihn zu wenig. Aber was du nun brauchst, ist einer, der sich Probleme gründlich anschaut und sich dann flott für Lösungen entscheidet. McLaren hat mit Ron Dennis einen solchen Leader. Aber in Japan wird der Tradition zufolge eher nach Komitee entschieden, Toyota war dafür ein gutes Beispiel. Und wenn Honda das gleiche macht, dann werden wir beim Finale von Abu Dhabi erneut zusammensitzen und eine ähnliche Diskussion führen.

Tony Dodgins
Aber das ist doch nicht nur ein Problem von Honda. Als Eric Boullier von Renault zu McLaren kam, war er baff, dass es für jede Aufgabe drei Fachkräfte zu geben scheint. Das ändert sich derzeit bei den Engländern, und dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Es ist nicht nur die Entscheidungsfindung bei Honda zu hinterfragen, sondern auch jene bei McLaren. Und eine Führungspersönlichkeit wie Ron Dennis bedeutete noch nicht, dass Entscheidungen schnell beschlossen werden. Ein gutes Beispiel dafür war die Frage im vergangenen Herbst – Jenson Button oder Kevin Magnussen? Das hat auch endlos gedauert. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass es bei McLaren viele personelle Wechsel gegeben hat unter den Technikern. Das braucht auch seine Zeit, bis jeder sich optimal entfalten kann, angefangen von Peter Prodromou, der von Red Bull Racing zurück zu McLaren kam.

Eric Silbermann
Und das birgt dann wieder die eigenen Probleme. Man kann ja nicht einfach kopieren, was man zuvor bei Red Bull Racing getan hat. Ob der neue McLaren ein gutes Auto ist, können wir meiner Meinung nach noch gar nicht richtig einschätzen. Erst wenn Honda volle Leistung liefert, werden wir erfahren, ob auch das Chassis etwas taugt.

Luis Vasconcelos
Wenn Alonso und Button ihr Auto jetzt rühmen, dann gibt es zwei Aspekte zu beachten: Erstens sind Rennfahrer immer grundsätzlich Optimisten. Sie wollen daran glauben, dass sie einen guten Wagen haben werden. In Barcelona fiel mir entlang der Strecke auf: in den Bremszonen lag das Fahrzeug überaus stabil. Die Probleme entstanden jeweils ausgangs der Kurven, weil der Honda-Motor seine Kraft nicht gleichmässig entwickelte. Da kam nichts, dann kam alles, oder jedenfalls alles, was man hatte. Wenn Adrian Newey bei Red Bull Racing einige Jahre brauchte, um alles auf die Reihe zu bekommen, dann wird das die Technikertruppe von McLaren-Honda auch nicht über Nacht schaffen. Egal wie gut oder schlecht das 2015er Auto ist.

Eric Silbermann
Ich erinnere daran, wie die Saison 2014 verlaufen ist. Die Hackordnung war eigentlich von den ersten Rennen an klar und hat sich kaum geändert. Red Bull Racing hat sich ein wenig verbessert, Ferrari war im Rückwärtsgang, und sonst tat sich da nicht viel. Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass die Saison 2015 da anders verlaufen wird. Wunderheilungen gibt es in der Formel 1 nicht, also erwarte ich für McLaren-Honda auch in den kommenden Wochen und Monaten hartes Brot. Da sie das grösste Entwicklungspotenzial haben, werden sie nach vorne rücken, die Frage wird sein, wie weit nach vorne.

Mathias Brunner
Wir sollten nicht allzu viel darauf geben, was die Fahrer über ihr Auto sagen. Wir leben in Zeiten politischer Korrektheit. Da sollte keiner ernsthaft erwarten, dass ein Pilot über sein Auto herzieht. Die Fahrer sagen mir jedoch, dass eine alte Faustregel der Formel 1 noch immer Gültigkeit hat – nach den ersten Runden im Testwinter weiss ein Fahrer ungefähr, wie die Saison verlaufen wird. Ob er ein Auto besitzt, das ihm taugt, oder ob er einen Wagen bekommen hat, dem er mühselig das Laufen beibringen muss. Ich schätze, Alonso und Button wissen, welche Arbeit sie vor sich haben. Aber das werden wir so von ihnen nicht hören.

Eric Silbermann
Alonso wäre vielleicht einer der einzigen Piloten, die sich da tatsächlich etwas zu sagen trauen.

Luis Vasconcelos
Warten wir mal ab, was er sagt, wenn es mehrere Wochenenden so gelaufen ist wie in Australien und in Malaysia!

Eric Silbermann
Wenn wir von Alonso reden: es ist eine gute Sache, dass Fernando wieder hinterm Lenkrad sitzt. Denn er ist einer jener Fahrer, die den Finger dorthin legen, wo es weh tut. Er wird Honda antreiben. Ich sehe da schon Parallelen zwischen Ayrton Senna und Fernando Alonso. Der Brasilianer hat den japanischen Technikern ziemlich unmissverständlich klar gemacht, was ein Fahrer braucht. Bei Alain Prost traf das weniger zu, weil der ein politisches Problem mit Honda hatte. Heute ist es so: Jenson Button ist Darling von ganz Japan, weil er schon einmal bei Honda war, wegen seiner Frau, weil er mit der japanischen Kultur gut zurecht kommt. Alonso ist das alles egal. Er wird einfach tüchtig auf den Tisch hauen. Und die Vergangenheit hat gezeigt, dass Japaner darauf ziemlich zügig reagieren.

Mathias Brunner
Fernando Alonso ist bis in die Haarspitzen motiviert, mit McLaren-Honda Grosses zu erreichen. Denn der Spanier spürt, dass ihm die Zeit davonläuft. Er sollte heute so viele WM-Titel mehr haben. Er hätte in dem einen Jahr mit McLaren Champion werden müssen, 2007, das hat der Rennstall vergeigt. Als Weltmeister wäre er dort wohl auch nicht weggegangen und hätte vielleicht noch einen Titel erobert. Er hätte mit Ferrari sodann zwei Mal den Titel holen sollen, auch wieder wegen Fehlern des Rennstalls. Er könnte jetzt als fünf- oder sechsfacher Champion dastehen, statt dessen ist er seit 2006 ohne WM-Titel. Das muss ihm zu denken geben.

Luis Vasconcelos
Ich sehe es wie Eric: Fernando wird aus technischer Sicht eine grosse Hilfe sein. Er hat jede Menge Erfahrung mit Top-Teams, die kann er einbringen. Aber hilft das auch aus menschlicher Sicht? Fernando neigt dazu, innerhalb eines Rennstalls sein eigenes kleines Team zu haben, und das braucht McLaren-Honda derzeit nicht. Alonso und sein kleines Team im Team, das war bei McLaren so, das war bei Ferrari so, wir gegen den Rest der Welt. Aber der Rest der Welt kann dann mal leicht auch der Rest des eigenen Rennstalls sein, und das hilft nicht.

Tony Dodgins
Für mich sprach es Bände, was Ferrari-Technikchef James Allison in Malaysia über Sebastian Vettel sagte. Welche toller Kommunikator und Motivator der Deutsche sei. Wenn es etwas zu kritisieren gäbe, dann sage das Vettel zwar deutsch und deutlich, aber das erfolge immer auf eine konstruktive Art und Weise. Allison lobt die herausragende Arbeitsethik von Vettel.

Mathias Brunner
Ich war bei dieser Konferenz auch dabei. James hat den Namen Alonso nie in den Mund genommen, aber du konntest zwischen den Zeilen genau erkennen, worauf er anspielte.

Luis Vasconcelos
Wenn Fernando bei McLaren-Honda Fortschritte erkennt, wird er für das Team wunderbar sein. Wenn er aber keine Fortschritte sieht, dann bin ich mir nicht so sicher, wie positiv er reagieren wird.

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