Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

GERT56: Bewegender Abschied von Lucy Glöckner

Von Esther Babel
Lucy Glöckner

Lucy Glöckner

Die eine oder andere Träne wurde vergangenen Samstag verdrückt, als Glöckner dem Team GERT56 ihren Rücktritt vom aktiven Rennsport bekanntgab. Teamchef Karsten Wolf verabschiedet sich auch öffentlich.

Lucy Glöckner hört auf. Und damit verlässt eine der weltweit schnellsten und wohl auch erfolgreichsten Frauen in Sachen Superbike die Bühne. Die letzten Jahre erlebte Glöckner gemeinsam mit dem Team GERT56. Langstrecken-WM war das letzte Aktionsfeld der BMW-Pilotin. Aus der IDM-Rückkehr im Vorjahr wurde aus gesundheitlichen Gründen nichts und der Traum von einem Einsatz in der Superbike-WM erfüllte sich nicht. Dennoch blickt Glöckner auf eine erfolgreiche Karriere zurück.

Ihr Teamchef Karsten Wolf trägt auch beim Abschied seiner Fahrerin das Herz auf der Zunge und beschreibt das Ende von Glöckners Laufbahn in seinen eigenen Worten: «Es war Samstag, der 5. Februar 2022, so gegen 18:15 Uhr als Lucy in einer verschneiten Berghütte irgendwo im Erzgebirge das letzte Mal als Fahrerin vor ihr Team GERT56 getreten ist. Nur ich wusste Bescheid, was kommt und hielt in meiner linken Hand einen Strauß mit 20 Rosen und in der rechten eine sichtlich bewegte Lucy Glöckner. Auf dem eingewebten Band stand, „20 Jahre Racing mit Herz. Auf zu neuen Zielen. Danke Lucy“.

Nach den vielen schönen Momenten und Erfolgen, hat sie uns auch diesen letzten großen Moment geschenkt und uns vor allen anderen über das Ende ihrer aktiven Laufbahn als Rennfahrerin informiert, was das Team mit Standing-Ovations und einigen Tränen quittierte. Als sie sprach stockte sie kurz, als sie vom Ende ihrer Karriere redete, dann ungläubig in die Runde schaute und vor sich selbst fragend sagte, «war es denn eine?». Dies zeigt einen Wesenszug. Das Bescheidene, das Bodenständige und das Nahbare, was ihr Fans über alles lieben. Ja Lucy es war eine und was für eine.

Woran misst man Erfolg, worauf stützt sich Ruhm? Du bist damals nicht angetreten, um die schnellste Frau zu werden. Nein, du wolltest Rennen fahren und gewinnen. Und trotzdem bist du für eine ganze Generation von Frauen das Leitbild, um in diese Domäne der ‚Testosteronmachos‘ einzudringen, du hast deren Selbstverständnis verändert für das Motorradfahren und hast gezeigt, welche Stärken im vermeintlich schwachen Geschlecht verborgen sind. Du bist nicht auf Rosen gebettet, Familie und Freunde haben die Basis unter vielen Opfern geschaffen, du hast es ihnen mit deinen Erfolgen zurückgegeben.

Die BMW war dann das Gerät, was du die letzten Jahre am souveränsten bewegt hast. Seien es die Zeiten in IDM, in der EWC oder am Pikes Peak, sie werden in Erinnerung bleiben. Da ist der epische Fight in der Schlussrunde beim Bol d‘Or 2017 gegen die Werks-Honda, da ist die Hatz auf dem Gipfel des Pikes Peak, den du als erste Frau unter 10 Minuten und mit einem Klassensieg erledigt hast. Wahrscheinlich ein Rekord für die Ewigkeit.

Wir durften dich einige Zeit in der Nachbarbox bei Schubert-BMW kennen und schätzen lernen. Als man dort begann an ‚andere Götter‘ zu glauben, haben wir die Tür aufgemacht und dich und deinen Kerschi zu uns geholt. Die Frau im Team als PR-Gag? Ich würde lügen, wenn es nicht etwas Besonderes ist, wenn sich eine Frau auf einem Superbike in der härtesten Disziplin, der Endurance, der Konkurrenz stellt. Die Aufmerksamkeit der Presse, der Sponsoren und das freundliche Willkommen der Fans haben wir dank Lucy gern mitgenommen.

Aber ‚the clock never lies‘ ist dann die einfache Wahrheit, der sich auch eine Lucy Glöckner stellen muss und der einzige, unbeugsame und manchmal auch grausame Gradmesser für Erfolg und Niederlage ist. Und das wusste Lucy und hat in ihrer bescheidenen Art nie Sonderbehandlungen gefordert und war in ihrem Wesen völlig unprätentiös und uneitel. Sie war die ‚Aqua – Queen‘, die mit ihrem besonderen Gefühl und ihrer Fahrzeugbeherrschung die Gegner wahnsinnig gemacht hat. Wie sie sich am Slovakiaring 2019 an der EWC-Spitze vorbei zurückgerundet hat, wie sie uns beim Überseerennen im selben Jahr im Monsun von Malaysia, fast im Alleingang, aufs Podium gefahren hat, war faszinierend und unglaublich zugleich. Dass wir dir und dem Team in Oschersleben den WM-Titel, auch aufgrund eines Fehlers von mir und einem technischen Defekt, nicht schenken konnten, ist ein Umstand, der nur schwer zu verkraften ist, aber deren Bewältigung charakterbildend war.

Im Corona-Jahr 2020, wo die Träume von IDM und Superbike-WM in der Pandemie versanken, machten wir uns im August auf nach Le Mans, zum letzten Rennen von GERT56 in der EWC und insgesamt zum siebenten Anlauf auf dieses Sehnsuchtsziel. Der Rest ist Geschichte. Mit Stefan Kerschbaumer und Toni Finsterbusch hast du die durch die Kälte und den Regen wahrscheinlich härteste Endurance-Schlacht aller Zeiten gewonnen. Dieser Moment und der Weg dorthin, wird dich für immer mit uns und auch mit mir persönlich verbinden. Du bist die einzige Frau, die jemals einen EWC-Lauf gewonnen hat. Du bis die einzige Frau, die in einem Premiumchampionat der FIM auf einem Superbike einen WM-Lauf gewonnen hat. Das ist der größte und zugleich letzte Eintrag in deiner Rennsport-Vita.

Wir sind stolz, dass wir das letzte Stück deiner Karriere begleiten durften, und damit bleibst du immer GERT56! Die Menschen mögen sich gern an die Erfolge und diesen Tag erinnern.
Wir sind traurig, dass du keine Rennen mehr fahren wirst, aber wir sind auch froh, dass du keine schlechten Rennen mehr fahren wirst. Du wirst uns fehlen, ganz besonders am Abend, wenn du deinen Rucksack genommen hast, zur Tür gegangen bist und gesagt hast: «Danke Freunde, gute Nacht und träumt schön von mir!». Das werden wir tun liebe Lucy und an die Zeit mit dir zurückdenken. Solange wir Rennen fahren, wird immer ein Stuhl in unserer Box für dich stehen und die Türen für dich weit offen sein. Pass auf dich auf, bleib gesund, wir lieben dich!»

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