Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Adventure-Prototypen von KTM mit 650 und 990 ccm

Von Bernhard M. Höhne
Unseren Erlkönig-Jägern sind zwei Prototypen von KTM vor die Linse gefahren. Anhand der Fotos lässt sich abschätzen, mit welcher Stragetie KTM seine Reise-Enduros und weitere Modelle entwickelt.

Seit 2017 bietet KTM in der Mittelklasse Modelle mit dem LC8c genannten Reihenzweizylinder an. Damals plante KTM, neben der gehobenen Mittelklasse auch im Einsteigersegment Twins anzubieten und so ein lückenloses Motorangebot von 125 bis 1300 ccm zu schaffen. So wurde während einigen Jahren bei Partner Bajaj in Indien ein ca. 490 ccm messender, nahezu komplett neuer Motor entwickelt, der auch dort gefertigt werden sollte.

Dieses Projekt ist eingestellt. Unter anderem durch die zu hohe Komplexität der Neuentwicklung wäre es schwierig gewesen, Motorräder mit diesem Motor rentabel zu produzieren.

Stattdessen ist wohl eine verkleinerte Version des Antriebs der jetzigen 790 Duke geplant. Offensichtlichster Vorteil dabei ist die Nutzung vieler bestehender Teile und die dadurch geringeren Entwicklungs- und Herstellungskosten. Seit einigen Monaten fahren die ersten Erprobungsmaschinen eines Naked Bikes, der aufgrund der technischen Nähe zur 790 Duke und guter Tarnung kaum von dieser zu unterscheiden ist.

Inzwischen wurde jedoch auch ein Prototyp gesichtet, der auf eine 650 Adventure hinweist. Zwar ist dieser Prototyp mit der Verkleidung der 790 Adventure getarnt, doch darunter befindet sich auch hier bereits neue Technik.

Der bereits final ausgeformte Tank hat diesen Prototypen verraten. Denn zwar sind 650 und 790 Adventure ebenso eng verwandt wie es die neue 650 Duke und Vorgängerin 790 Duke sein werden. Doch die bauchige, zweigeteilte Tanklösung der jetzigen Mittelklasse-Adventures wird es künftig nicht mehr geben und so ist deren Fehlen der erste Hinweis auf die 650 Adventure bei diesem Prototypen.

Darüber haben die Ingenieure hier noch die Verkleidung der kürzlich überarbeiteten 790 Adventure gezogen, die später aber einem eigenständigen Design weichen wird. Zu erwarten ist beispielsweise eine Frontmaske im 3D-Look, wie 990 Duke und 1390 Super Duke sie erhalten haben und mit der auch die kommende 390 Adventure aufwartet.

Neben den Unterschieden sind die technischen Parallelen mit der Plattformspenderin 790 Adventure jedoch ebenso offensichtlich: So scheint beispielsweise die Schwinge nahezu unverändert übernommen zu werden, ebenso das Federbein. Auch die äußeren Merkmale des Motors und dessen Umfeld erscheinen bekannt, was darauf hindeutet, dass die Reduzierung des Hubraums hier die markanteste Neuerung darstellt. Sie wird vermutlich ebenso durch eine Verkürzung des Hubs erreicht wie eine Verringerung der Bohrung. Resultat wird eine verringerte Spitzenleistung sein, genauere Daten sind aber noch Spekulation. Wir gehen von etwa 60 bis 70 PS aus, da hier die offensichtlichste Lücke im Angebot der Österreicher klafft.

Durch weniger Leistung und weniger Gewicht muss auch weniger Aufwand für adäquate Bremskraft betrieben werden, weshalb am Vorderrad künftig nur noch eine Bremsscheibe zum Einsatz kommen wird. Die Produktion wird, wie ursprünglich geplant, bei Bajaj in Indien stattfinden, wo künftige alle Einstiegsmodelle von KTM, Husqvarna und GasGas produziert werden sollen. Die stärkeren Reihenzweizylindermodelle sollen künftig geschlossen von CFMoto in China produziert werden, was auch die Nachfolgerin der 890 Adventure betrifft.

Auch von dieser sind inzwischen erste Prototypen unterwegs. Zwar ist an diesen noch gar nichts vom fertigen Design zu erkennen. Doch ein Blick auf die Technik lässt hier bereits den Schluss zu, dass nahezu das gesamte Motorrad neu entwickelt wird. Kernelement wird hier der neue, stärkere LC8c-Reihenzwin mit 947ccm, wie er auch in der 990 Duke zum Einsatz kommt. In dieser leistet er 123 PS, in der Adventure-Ausführung dürften die Ingenieure zugunsten eines besseren Drehmomentverlaufs auf ein paar PS verzichten.

Mit dem neuen Motor einher geht, anders als bei der 650 Adventure, hier ein neues Abgassystem mit einem größeren Sammler. Dies macht, wie bei den Österreichern mittlerweile üblich, eine neue Schwinge nötig, die sich in Bananenform über den Sammler windet. Als Folge wird auch der Auspuff selbst künftig tiefer positioniert als bei der 790 und 890 Adventure. All dies bedingt einen neu konstruierten Rahmen, dazu wird auch der Heckrahmen ebenso neu entwickelt und offenbar länger, was mehr Platz schafft für Fahrten zu zweit mit Gepäck.

Ebenso prägnant ist auch, wie bei der kleinen Schwester 650 Adventure, der Verzicht auf den zweigeteilten Tank im Fußbereich. Stattdessen trägt der Prototyp ein klassisch positioniertes Spritfass. Durch sein offenbar bereits beim Prototypen ordentliches Fassungsvermögen baut der Tank hier sehr breit. Im vorderen Bereich des Tanks ist zudem eine neue Kühlerkonstruktion er erkennen. Diese ist hier zweigeteilt, wie bei der großen Schwester Super Adventure.

Die Grundkonstruktion teilt die 990 Adventure auch künftig wieder mit einer SMT-Variante. Kein Wunder, ist die gerade präsentierte 890 SMT doch erfolgreich in den Verkauf gestartet. Dennoch dreht auch die Nachfolgerin 990 SMT bereits jetzt erste Testrunden. Bei näherem Hinsehen jedoch erscheint dies durchaus logisch: Die derzeitige 890 SMT kam als zusätzliche Variante erst mit dem Modellupdate des Schwestermodells zur Mitte des Produktzykluses. Künftig wird die SMT-Variante von Anfang an erhältlich sein. Wann genau es so weit sein wird ist noch schwer abzusehen, doch vor 2026 ist auch hier definitiv nicht damit zu rechnen.

Damit splitten die Mattighofener künftig ihr Angebot in der Mittelklasse weiter auf in eine 650er-Baureihe, die sich künftig klarer an Einsteiger richten wird und an die 990er-Baureihe, die sich preislich nach oben orientieren wird. Die 990 Duke gibt diese Strategie bereits vor: Sie ist mit 14.490 Euro deutlich teurer als die 790 Duke, die für 8999 Euro zu haben ist. Zwischen den 9000 Euro für die 790er und der mit 6299 Euro vergleichsweise günstigen 390 Duke ist Platz für eine 650 Duke, die um die 7600 Euro kosten könnte.

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