Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Elena Myers: Sexuell belästigt, Karriere zu Ende?

Von Günther Wiesinger
Die amerikanische Profi-Motorradrennfahrerin Elena Myers wurde von einem Therapeuten sexuell belästigt. Seither leidet sie unter Panikattacken; deshalb geht sie vor Gericht.

Es ist ruhig geworden um Elena Myers (23), die vor ein paar Jahren in der US-Motorrad-Meisterschaft nicht nur wegen ihres Speeds Aufsehen erregte, sondern auch wegen ihres attraktiven Aussehens.

Sie galt als mögliche künftige GP-Fahrerin, Teams, Experten und Gegner bescheinigten ihr ein aussergewöhnliches Talent.

Elena Myers schloss im Februar 2011 die High School ab, sie lebte damals in Discovery Bay, Kalifornien. Ihre Zweiradlaufbahn begann mit Pocketbikes, ihr Vater Matt Myers unterstützte sie tatkräftig.

Elena Myers gewann als erste Frau ein «professional race» auf dem Daytona International Speedway; das war 2012 in der US Supersport-Meisterschaft. Sie war das jüngste Mädchen, das ein AMA Pro Racing Sprintrennen gewann; sie galt in Amerika als Danica Patrick des US-Motorradsports. Schon mit 13 Jahren war sie beim Kawasaki Team Green unter Vertrag, mit 16 nahm sie an der US-Supersport Championship teil, später fuhr sie eine Suzuki GSX-R 1000 in der MotoAmerica Superbike Championship.

Beim Indy-GP 2011 kümmerte sich sogar Suzuki-MotoGP-Werkspilot Álvaro Bautista um die Karriere der schnellen Kalifornierin. Etliche Teams wollten die langhaarige, attraktive Blondine für die Moto2-WM engagieren.

Schon 2008, im Alter von 15 Jahren, steuerte Elena eine Kawasaki Ninja ZX-6R in der WERA-Championship. 2014 war sie bei Triumph unter Vertrag, sie pilotierte eine Daytona 675R In der AMA Daytona SportBike-Klasse.

Aber plötzlich verschwand die 23-jährige von der Racingbühne, Hunderttausende Facebook-Freunde fühlten sich im Stich gelassen.

Sie wunderten sich, warum eine junge Frau mit einer so vielversprechenden Rennsportzukunft ihren geliebten Sport von einem Tag auf den anderen hinter sich lassen könne.

Jetzt hat sie Elena Schweigen gebrochen und ihre Story erzählt.

Das Dilemma begann auf einem Massagetisch in einem renommierten 4-Sterne-Hotel in Philadelphia.

Myers kam im September 2014 in diese Gegend, um ein Rennen im New Jersey Motorsport Park zu bestreiten, der ausserhalb von Vineland liegt. Sie war damals 20 Jahre alt und lebte in Atlanta, ihre Mutter flog aus Kalifornien zu diesem Event.

Myers stürzte am Samstag mit ihrer Triumph und erlitt leichte Verletzungen. Die zarte Blondine (160 cm, 53 kg) klagte über ein geschwollenes Knie und einen schmerzenden Rücken. Deshalb buchte sie im «Loews Hotel» in Philadelphia eine Sportmassage, sie wollte mit ihrer Mutter bis Dienstag dort bleiben.

Am Montagnachmittag wurde Elena Myers im Wellness-Bereich des Hotels in der fünften Etage von Jerome McNeill begrüsst, der erst fünf Monate vorher vom Staat Pennsylvania seine Massage-Lizenz erhalten hatte.

Der kräftig gebaute Afro-Amerikaner aus Port Richmond war fünf Jahre älter und deutlich grösser als Myers. Aber sie war schon öfters von männlichen Therapeuten massiert worden. Prellungen und Schmerzen waren Teil ihres Jobs. Mann oder Frau, das spielte für Elena bei der Massage keine Rolle.

Elena Myers erzählte später, sie habe sich im Massagezimmer entkleidet, McNeill wartete vor der Tür

Was Myers nicht ahnen konnte, als sie sich sozusagen nackt allein mit McNeill in diesem Raum befand: Eine Kundin im «Hand & Stone Massage» in Haverford hatte ihn bereits zuvor wegen sexueller Nötigung beschuldigt.

Elena Myers wusste auch nicht, dass McNeill wegen der Vergewaltigung eins zwölfjährigen Mädchen 2007 angeklagt worden war. In einer eidesstattlichen Erklärung des Opfers war von drei Vergewaltigungen die Rede. Doch die Vorwürfe führten zu keiner Verurteilung, weil ein Kronzeuge nie vor Gericht erschien. McNeill kam nach der Untersuchungshaft wieder frei.

Was Elena Myers jetzt über den Vorfall im «Loews Hotel» erzählt, deckt sich mit den Aussagen dreier weiterer Frauen, die bei einer Massage mit McNeill Bekanntschaft gemacht hatten.

Inzwischen wurde von Myers ein Gerichtsverfahren gegen McNeill eingeleitet, gegen das Hotel und gegen die Betreiber des Wellness-Bereichs.

Gegenüber dem «Philly Mag» schilderte Elena Myers die pikanten Details ihres unliebsamen Zusammentreffens mit dem feinen Mister McNeill.

Myers wirft ihm vor, er habe sie durch den Slip im Genitalbereich berührt, außerdem habe er ihre Pobacken befummelt. Sie sei wie versteinert gewesen, schilderte die Rennfahrerin.

«Ich hatte Hunderte von Massagen», sagte Myers aus. «Aber nicht einmal im Entferntesten ist mir so etwas vorher jemals passiert. Ich war im Schock. Er war wesentlich größer und stärker als ich, deshalb wollte ich eine Eskalation vermeiden. Es war Furcht einflößend, ein schreckliches Erlebnis.»

Als die «Massage» vorbei war, verließ McNeill den Raum.

Unmittelbar danach habe sie einem Wellness-Mitarbeiter von dem Vorfall in Kenntnis gesetzt, beteuert Elena Myers. Aber dessen Antwort sei vom Gleichgültigkeit und Desinteresse geprägt gewesen. Der Mann habe gefühllos und hartherzig gewirkt.

Elena Myers ging auf ihr Zimmer, duschte und informierte ihre Mutter. Der Wellness-Manager Frank Baer rief im Zimmer an und bemühte sich, die Vorwürfe zu entkräften. «Er sagte im Grunde: ‚Es tut mir leid, dass sie mit unserem Service nicht zufrieden waren’», berichtete Elena Myers.

Dann wurde Hoteldirektor Sean Clancy informiert, dass sich Elena Myers «persönlich verletzt» gefühlte habe. Das Hotel-Management wollte den Vorfall durch eine Einladung zu einem kostenlosen Lunch im ‚Bank & Bourbon’ unter den Tisch kehren.

Da McNeill alle Vorwürfe bestritt und es keine Zeugen gab, ging Elena Myers nicht zur Polizei, sie flog heim nach Atlanta. «Ich wollte mir eine Aussage bei der Polizei ersparen und diesen Vorfall vergessen», betont sie heute. «Es war sehr verstörend für mich, die Vorkommnisse dauernd wiederholen zu müssen, beim Wellness-Manager, beim Hoteldirektor, und keiner schenkte mit Glauben. Ich war in der Fremde, ich konnte keine weiteren Fragen ertragen. Und ich wollte meinem Peiniger nicht mehr gegenüber treten. Ich habe erst später beim Philadelphia District Attorney Klage eingereicht. Heute wünsche ich mir, ich hätte das früher getan, dann wären einige andere Frauen womöglich von diesen sexuellen Belästigungen verschont geblieben.»

Myers versichert, sie habe anfangs gedacht, sie sei durch den Motorsport abgehärtet genug, um diesen sexuellen Missbrauch wegstecken zu können. «Ich hatte fünf Operationen nach Motorradstürzen. Jedes Mal bekam ich eine ganze Flasche von Schmerztabletten mit auf den Heimweg. Aber ich habe insgesamt nur eine Tablette genommen! Ich ertrage diese Schmerzen... Ich werde mit vielen Dingen fertig.»

Aber diesmal waren die Schmerzen seelischer Natur. Elena ertrug sie nicht. Sie wurde mit dieser schlimmen Geschichte nicht fertig, sieverlor ihren Biss und ihre Entschlossenheit, ihr Talent schien sich zu verflüchtigen.

Deshalb hat sie seit September 2014 an keinem Rennen mehr teilgenommen. «Ich war früher ein sehr glücklicher Mensch», betont sie. «Ich war sehr extravertiert, ich kannte keine Probleme. Seit diesem Vorfall bin ich völlig verängstigt. Ich kenne mich selbst nicht mehr. Ich hatte mehrmals Panikattacken; das war bisher nie Teil meines Charakters.»

Erst im September 2016 reichte Elena Myers Klage ein.

Und als sie hörte, dass ein anderes weibliches Opfer im Dezember 2016 in einer Klage gegen das Hotel, die Wellness-Abteilung und McNeill einen Schadenersatz von 1 Million US-Dollar erstritt, wuchs ihre Zuversicht. «Aber es geht mir nicht ums Geld», versichert Myers. «Ich will eine Botschaft loswerden. Ich möchte andere Frauen, die belästigt wurden, zum Widerstand ermutigen.»

Aber der Fall ist kompliziert. Die Wellness-Abteilung wurde nicht vom Lowes Hotel betrieben, sondern von der Firma «12th Street Gym». Und McNeill war dort nicht angestellt.

«Ich arbeite jetzt als Verkäuferin. Bevor ich angestellt wurde, ist überprüft worden, ob ich Vorstrafen habe», sagt Elena Myers. «Aber warum werden Leute, die mit nackten Frauen zu tun haben, vorher nicht überprüft?»

Das Strafverfahren ist weiter im Gang.

Die einst so vielversprechende Motorradkarriere von Elena Myers ist hingegen vorläufig auf Eis gelegt. «Ich habe null Verlangen, auf ein Rennmotorrad zu steigen», seufzt sie. «Aber das kann sich irgendwann wieder ändern.»

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