Hervé Poncharal (Tech3): Moto2-Team wird hinterfragt

Von Günther Wiesinger
In acht Jahren hat Hervé Poncharals Moto2-Team nur einen Sieg errungen. Jetzt nennt er verschiedene Gründe, die die Sinnhaftigkeit des Projekts in Frage stellen. Denn er bildet nur Talente für die Konkurrenz aus.

Seit dem Beginn der Moto2-WM-Klasse mit den 600-ccm-Einheitsmotoren von Honda betreibt Tech3-Teambesitzer Hervé Poncharal einen Moto2-Rennstall – also seit 2010. Er baut dafür mit seinem Team um Guy Coulon sogar eigene Rolling Chassis mit der Typenbezeichnung Mistral 610.

Für 2019 kommen die neuen 765-ccm-Dreizylinder-Einheitsmotoren von Triumph.

Bisher hat Poncharal mit Bradley Smith aus der Moto2 Klasse erst einen Fahrer ins hauseigene MotoGP-Team befördert, alle anderen waren nicht schnell genug. Xavi Vierge war 2017 in Motegi Zweiter, dieses Talent hat ihm das deutsche Dynavolt Intact-Team weggeschnappt, das für 2017 schon Marcel Schrötter von Tech3 engagiert hat.

Zwei Podestplätze in acht Jahren – deshalb steht dieses Projekt immer wieder auf dem Prüfstand wie Teambesitzer Hervé Poncharal im Interview mit SPEEDWEEK.com verriet.

Hervé, du hast mit dem Moto2-Team bisher erst einen GP-Sieg errungen, das war 2010 in Barcelona mit Yuki Takahashi. Wirst du es langfristig weiter betreiben, obwohl die Erfolge nicht immer den Erwartungen entsprechen?

Jetzt sei so gut… (Er schmunzelt). Wir haben in Japan immerhin einen Startplatz in der ersten Reihe geschafft und einen Podestplatz!

Aber Fakt ist: Wir beginnen gerade die letzte Saison mit den Honda-Motoren. 2019 kommen neue Motoren. Wir arbeiten bereits mit ziemlich viel Aufwand an diesem Projekt. Wir haben einige Partner für diese Kategorie. Es läuft alles gut.

Aber man weiß nicht, was in Zukunft passieren kann. Im Moment fokussieren wir uns auf die Entwicklung der Maschine für 2019.

Aber ich beobachte, dass sich die Situation ändert. Suter war fast verschwunden, dann kamen sie zurück, sie fahren auch 2018, aber ich weiß nicht, wie groß ihr Aufwand beim Comeback sein wird.

Speed-up ist in einer ähnlichen Situation wie wir.

Auch Kalex ist nicht mehr in derselben sicheren Situation wie in der Vergangenheit, sie haben Kunden verloren. Denn es existiert ein neuer Player namens KTM, der unglaublich stark ist.

Für mich wird KTM spätestens 2019 der überragende Player in der Moto2-WM sein.

Aber wie gesagt: Im Moment arbeiten wir mit 100 Prozent in die Richtung, dass wir unsere Mistral 2019 mit den Triumph-Motoren einsetzen werden.

Wir gewinnen in der Moto2 keine Rennen, aber wir sind halbwegs konkurrenzfähig. Xavi hat 2017 in fast allen Rennen um die Top-8 gefightet. Das ist nicht so schlecht.

Ich denke, 2018 können wir ähnlich abschneiden.

Aber für 2019 kann sich noch viel ändern. Im Moment tun wir alles, um die Mistral-Triumph im Mai oder Juni erstmals auf der Rennstrecke testen zu können. Das ist unser Ziel.

Vielleicht kommt einmal ein Investor, der uns vorschreibt, welchen Fahrer wir nehmen sollen… Ich spreche mit vielen Partnern. Trotzdem: Ich lasse mich von meiner Leidenschaft nicht blenden.

Wir haben in der Mittelgewichtsklasse den Titel im Jahr 2000 mit Yamaha und Olivier Jacque gewonnen. Wir haben in der 250er-WM vorher auch mit Honda ein paar großartige Ergebnisse erzielt.

Doch es ist aufregend, wenn man in dieser Klasse sein eigenes Motorrad hat. Das ist eine andere Philosophie. Aber wenn du dein eigenes Motorrad hast und aus gewissen Gründen nie ein Topfahrer bei dir unterschreiben wird, dann musst du dir Gedanken machen…

Im Moment konzentrieren wir uns auf 2018. Wir haben Bo Bendsneyder neu engagiert, er ist bei den Tests wirklich gut gestartet. Ich war beeindruckt. Dazu haben wir Remy Gardner, er bleibt ein zweites Jahr. Wir hoffen, dass er reifer wird und jene Ergebnisse erreicht, die Xavi Vierge 2017 herausgefahren hat.

Während der Saison werde ich entscheiden, wie es in der Moto2 bei uns weitergeht.

Dein MotoGP-Vertrag mit Yamaha läuft am Jahresende genauso aus wie jener mit Sponsor Monster. Wenn Rossi aufhört und ein MotoGP-Team bildet, musst du einen neuen Ausrüster suchen – KTM, Aprilia oder Suzuki. Dann wird das Moto2-Projekt vielleicht neu überdacht werden?

Ich habe schon erwähnt: Ich rechne damit, dass Valentino auch 2019 MotoGP fährt. Gleichzeitig stimmt es, dass unser Vertrag mit Yamaha ausläuft. Die Gespräche beginnen Ende Januar beim Sepang-Test. Es kann auch sein, dass Yamaha drei Teams beliefert.

Aber natürlich müssen wir uns auch in der restlichen MotoGP-Welt umhören, um gerüstet zu sein.

Wenn du womöglich in der MotoGP-Klasse 2019 auf KTM umsteigst, kannst du auch in der Moto2 auf KTM fahren. Dann hättest du ein Sieger-Motorrad und könntest Topfahrer anlocken.

Ich werde erst im Laufe der Saison mehr dazu sagen können. Ich muss zuerst die Situation mit Yamaha klären.

In acht Jahren hast du außer Bradley Smith in der Moto2 keinen Fahrer für die MotoGP-Klasse ausgebildet. In den letzten Jahren hast du nur die Ausbildung für die künftigen Intact-Fahrer betrieben.

(Er lacht). Danke schön; du bist böse…

Nein, Spaß beiseite. Ich war sehr enttäuscht. Marcel Schrötter, okay, dafür hatte ich Verständnis, ein deutscher Fahrer. Aber Xavi ist für mich ein starker Verlust.

Als er mir gesagt hat, dass er weggeht, war das ein arger Tiefschlag für mich.

Seither stelle ich mir in dieser Klasse die Sinnfrage. Du findest ein Talent, einen jungen Fahrer, du baust ihn auf, du hilfst ihm Erfahrung zu sammeln. Und wenn sich die ersten brauchbaren Resultate anbahnen, wenn du endlich die Früchte deiner harten Arbeit und deines Investments ernten könntest, verschwindet er.

Und mir bleibt nichts anders übrig, als von vorne zu beginnen.

Ich stimme dir bei diesem Thema zu 100 Prozent zu.

Welchen Sinn hat es, wenn ich junge Fahrer heranziehe und sie dann gehen lassen muss, ohne irgendeinen Vorteil davon zu haben? Ja, ja, das ist ärgerlich.

Denn solche Manöver sind auch in der Vergangenheit passiert. Wir haben vor einigen Crutchlow und Dovizioso an Ducati überreicht, wir haben Pol Espargaró und Bradley Smith vor zwei Jahren zu KTM gehen lassen müssen. Und wir haben Schrötter und Vierge Intact überlassen.

Ja, immerhin können wir sagen: Wir sind gute Talentscouts und Fahrer-Ausbilder.

Im Fußball nennt man so etwas Farmteam.

Ja. Aber ich hätte gerne jemanden, der mein Farmteam finanziert. (Er lacht).

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