Bikes von Garelli: Die Krönung der 125er-Zweizylinder

Von Thorsten Horn
Eugenio Lazzarini 1982 auf Garelli

Eugenio Lazzarini 1982 auf Garelli

Die Wurzeln von Garelli reichen bis 1912, also 110 Jahre zurück. Damals ließ sich Adalberto Garelli einen wegweisenden Zweitakt-Motor patentieren. 70 Jahre später dominierten Garelli-Motorräder die 125er-WM.

Der Firmengründer Adalberto Garelli wurde 1886 in Turin geboren. Nachdem er 1908 sein Maschinenbau-Diplom erworben hatte, arbeitete er als Ingenieur bei Fiat und war dort mit der Entwicklung der ersten Zweitakt-Motoren beschäftigt.

Garello verließ Fiat 1911 und reichte ein Jahr später ein Patent für einen damals revolutionären Doppelkolben-Zweitaktmotor mit 350 ccm Hubraum ein. Dessen Entwicklung war bis Anfang 1914 so weit fortgeschritten, dass er einem aussagekräftigen Test unterzogen werden konnte. Mitten im Winter fuhr der Italiener die winklige Pass-Straße hinauf zum Col de Mont Cenis in den nahegelegenen südostfranzösischen Alpen, was in der Öffentlichkeit viel Aufsehen erregte. Im gleichen Jahr wurde Adalberto Garelli bei Bianchi Leiter der Motorrad-Abteilung und wechselte danach zu Stucci, einem damals ebenfalls erfolgreichen Motorrad-Hersteller.

1919 gründete Garelli schließlich in Sesto San Giovanni bei Mailand seine eigene Firma und stellte von Beginn an die Leistungsfähigkeit seiner Maschinen bei den unterschiedlichsten Rennen unter Beweis. Zu seinen Fahrern gehörten Tazio Nuvolari und Achile Varzi, die später im Automobilsport zu Weltruhm gelangten. Varzi wurde zum Beispiel 1923 auf einer Garelli Italienischer Meister.

Weltrekorde, dann Miltärgüter

Nach zahlreichen Weltrekorden zog sich Garelli Ende 1926 zu Gunsten der Produktion von Militärgütern aus der Motorradherstellung und dem Rennsport zurück, doch zehn Jahre später betrat man die Bühne mit Fahrrädern und Hilfsmotoren erneut.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Garelli-Mosquito-Zweitakt-Motörchen mit 38,5 ccm Hubraum, einem Gewicht von weniger als vier Kilogramm und einem Verbrauch von 1,5 Liter auf 100 Kilometer der Verkaufsschlager schlechthin.

In den 1950er-Jahren kam es zu geschäftlichen Beziehungen mit der Firma Agrati, die eine ähnliche Produktvergangenheit hatte. Mit ihr spannte Garelli ab 1961 komplett zusammen und produzierte unter dem Namen Agrati Garelli neben Rollern auch Dreirad-Lieferwagen, Motorsägen, Go-Karts, Jet-Boote, Elektroroller und schließlich Leichtkraftmotorräder.

1963 stieg Garelli (im Motorsport war dieser Name geläufiger) wieder in den Rennsport ein, beschränkte sich zunächst aber auf Weltrekordfahrten.

In den 1970er-Jahren feierte Garelli auch im italienischen Straßenrennsport ein Comeback.

Erfolge im GP-Sport mit Jan Thiel

1982 wurde unter der Leitung des Niederländers Jan Thiel in Sesto San Giovanni eine 50-ccm- und eine 125-ccm-Rennmaschine auf Basis der erfolgreichen Minarellis entwickelt. Während in der kleinsten Hubraumklasse der Motorrad-Weltmeisterschaft Eugenio Lazzarini auf sich allein gestellt war, schickte Garelli im Kampf um die Achtelliter-Krone neben dem Italiener auch den bis dahin zehnfachen Weltmeister Angel Nieto aus Spanien in die Rennen.

Der Saisonauftakt erfolgte in jenem Jahr für die 125-, 350- und 500-ccm-Klasse Ende März in Buenos Aires, wo Angel Nieto das 125-ccm-Rennen gewann. Mit seinen weiteren Grand-Prix-Siegen auf dem Salzburgring, in Jarama, Misano, Assen und Silverstone entschied er die Hälfte der zwölf Achtelliter-GP für sich und gewann die Weltmeisterschaft mit einem weiteren Podestplatz vorzeitig.

Garelli-Kollege Lazzarini steuerte in Rijeka und Brünn zwei weitere GP-Siege sowie vier Podestplätze bei und wurde damit Vizeweltmeister. Mit drei von sechs möglichen Rennsiegen ebenso in der Schnapsglasklasse, dort hinter dem Schweizer Stefan Dörflinger.

1983 entpuppte sich ziemliches Abziehbild der Vorsaison. Nieto gewann sechs von diesmal elf 125-ccm-Grand-Prix und wurde erneut Weltmeister. Lazzarini holte einen GP-Sieg und wurde hinter dem Schweizer Bruno Kneubühler WM-Dritter.

In der 50-ccm-Klasse gewann Lazzarini erneut drei Grand Prix, musste sich aber wieder dem siegreichen Dörflinger beugen.

Als 1984 die 80er- die 50-ccm-Klasse ablöste, beschränkte sich Garelli werksseitig auf die Achtelliterklasse. Angel Nieto gewann die ersten sechs der diesmal nur acht Grands Prix und heimste damit seinen 13. WM-Titel ein. Es sollte sein letzter sein, zumal er danach zu Derbi in die 80-ccm-Klasse wechselte, dort aber in den deutlich jüngeren Jorge «Aspar» Martinez und Manuel Herreros seine Meister fand. Sein 13. WM-Titel behagte dem abergläubischen Nieto später nicht sonderlich, weshalb er sich gern als 12+1-Weltmeister bezeichnete.

Mit Lazzarini auf WM-Rang 2 und Fausto Gresini auf dem Bronzerang war das Jahr 1984 wieder ein voller Erfolg für Garelli.

Fausto Gresini hatte schon 1983 gelegentlich seinen Landsmann Lazzarini in Garelli-Farben vertreten. So auch 1984, als er ab dem dritten Saisonrennen auf dem Nürburgring von seiner MBA ins Garelli-Team transferiert wurde und dieses Vertrauen mit seinem ersten GP-Sieg in Anderstorp sowie zwei weiteren Podestplätzen rechtfertigte.

Nachdem Nieto abgewandert und Lazzarini zurückgetreten war, bildeten die Italiener Gresini und Ezio Gianola die Garelli-Fahrerpaarung 1985. Bis zum vierten Saisonrennen musste sich die erfolgsverwöhnte Truppe gedulden, bis Gresini auf dem Salzburgring den ersten Saisonsieg einfuhr. In der deutlich ausgeglicheneren Saison gewann er zwei weitere Male und holte sich so seinen ersten und für Garelli den vierten WM-Titel in Folge.

Ezio Gianola gewann einen Grand Prix und wurde WM-Vierter.

Zu wenig, denn für 1986 musste er seinen Platz an Luca Cadalora abtreten. Er und Fausto Gresini gewannen je vier der elf Grands Prix. Mit den etwas besseren weiteren Platzierungen wurde Cadalora mit acht Punkten Vorsprung vor Gresini Weltmeister und verabschiedete sich danach schnurstracks in die 250-ccm-Klasse und zu Yamaha.

Fausto Gresini blieb der Achtelliter-Kategorie weiter treu und wurde 1987 mit zehn von elf möglichen Grand-Prix-Siegen in überlegener Manier vor seinem neuen Stallgefährten Bruno Casanova vorzeitig Weltmeister.

Für 1988 wurde die Zylinderzahl für die 125-ccm-Klasse per Reglement von zwei auf einen reduziert, was zu einer längeren Übermacht von Honda und Aprilia führte. Und dann war da noch Derbi, die mit ihren adaptierten Einzylinder-Know-how aus der 80er-Klasse und Spitzenfahrer Jorge Martinez in jenem Jahr alles in Grund und Boden fuhren. Die Garelli-Piloten Luis Miguel Reyes aus Spanien und Fausto Gresini waren mit dem Einzylinder-Bike chancenlos; sie landeten nur auf den WM-Endrängen 14 und 21.

In der noch nicht umgestellten 125-ccm-Europameisterschaft, die damals noch sehr bedeutsam war, holte sich der Italiener Emilio Cuppini den Titel mit dem Garelli-Twin.

In der WM wurde die Situation für Garelli auch 1989 nicht besser, als sich Ex-GP-Sieger Domenico Brigaglia mit Gesamtrang 14 begnügen musste.

Danach zog sich Garelli aus dem Rennsport zurück und kehrte nie mehr wieder. Heute ist Garelli auf die Herstellung von Elektro-Zweirädern spezialisiert.

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