Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Weltmeister Marc Márquez: «Musste hohen Preis zahlen»

Von Sharleena Wirsing
Im Alter von 23 Jahren feierte Marc Márquez in Japan bereits seinen fünften WM-Titel

Im Alter von 23 Jahren feierte Marc Márquez in Japan bereits seinen fünften WM-Titel

Marc Márquez hat noch immer seinen unverwechselbaren Killerinstinkt, wenn es darum geht, ein MotoGP-Rennen für sich zu entscheiden. Doch 2016 hat der Weltmeister gelernt, ihn wohlüberlegt zu dosieren.

Vor dem Aragón-GP betonte Marc Márquez, dass es für ihn wichtiger sei, den Titel zu holen, als weitere Rennen zu gewinnen. Er wäre auch ohne einen weiteren Saisonsieg zufrieden, wenn er dafür Weltmeister werden würde. Schon wenige Tage später feierte der Repsol-Honda-Pilot seinen ersten Saisonsieg seit dem Sachsenring-GP, der insgesamt vierte in diesem Jahr. Vor dem Japan-GP erklärte der Spanier, der Titelgewinn in Motegi sei seiner Meinung nach nahezu unmöglich. Nun ist er Weltmeister.

«Ich habe mich vor dem Rennen ganz normal gefühlt. Nachdem ich aufgewacht war, habe ich zur selben Zeit gefrühstückt und ging zur selben Zeit auf die Toilette», lachte der jüngste Fahrer, der je fünf WM-Titel einfahren konnte. «Wenn man nervös ist, muss man normalerweise öfter auf die Toilette. Ich war ruhig und entspannt. Mein Kumpel José sagte mir, in welcher Kurve sie auf mich warten, wenn ich den Titel holen sollte. Ich sagte ihm: ‹Darüber können wir in Australien sprechen.› Fünf oder sechs Runden vor dem Ende des Rennens dachte ich dann darüber nach, ob ich in Australien Siebter oder Achter werden muss, um Weltmeister zu werden. Als ich dann aber sah, dass ‹Lorenzo out› auf meiner Boxentafel stand, spielte alles verrückt in meinem Kopf. Ich habe dann ein paar Fehler gemacht. Der Schlüssel zum Erfolg war aber, dass ich zu Beginn des Rennens sehr ruhig war. Als mich Rossi drei, vier Mal überholte, bremste er zu spät, ging weit. Ich sagte zu mir: ‹Ich will diese Art von Kampf nicht, ich muss weg.› Ich schnappte ihn und pushte am Maximum für fünf Runden. Dann machte er einen Fehler und ich kontrollierte den Abstand zwischen mir und Jorge.»

«Als ich die Ziellinie überquerte, dachte ich, dass es keine T-Shirts oder so gäbe. Ich hatte das nicht erwartet, doch sie glauben immer an mich. Ich fühlte auch Druck, weil Santi beim Start zu mir sagte: ‹Bitte mach dir nicht den Sieg zum Ziel. Bleib ruhig.› Doch ich fühlte mich auf dem Bike wohl und pushte. Wenn man danach sieht, dass einige aus dem Team weinen, ist das ein unglaubliches Gefühl. Es ging alles so schnell. Doch die besten Partys erlebt man, wenn sie nicht geplant sind. Wir werden in der Box mit ein paar Bier beginnen und dann sehen wir, wo das hinführt.» Im Paddock ist bekannt, dass Márquez so kompromisslos feiern kann, wie er Motorrad fährt.

Seinen großen Vorsprung in der Gesamtwertung verdankt Márquez vor allem seiner Konstanz. Als einziger MotoGP-Pilot konnte er 2016 in allen bisherigen Rennen punkten. Rossi und Lorenzo handelten sich hingegen jeweils vier Nuller ein. Ein ungewöhnliches Bild, wenn man es mit einem Blick auf die Gesamtwertung 2015 vergleicht, als Márquez sechs Rennstürze fabrizierte.

Marc Márquez hat sich in der Vergangenheit viele Spitznamen verdient. Die spanische Presse nennt ihn «El Niño», das Kind. Die englischen Journalisten haben ihn «Smiling Assassin», also der lächelnde Attentäter, getauft. Diesen Namen erhielt er, da er im normalen Leben ein netter Kerl ist, aber auf der Strecke durch Killerinstinkt glänzt. Andere nennen ihn «Márquez the Merciless», also den Gnadenlosen. 2016 wurden neue, ungewohnte Attribute mit Márquez in Verbindung gebracht: Reife, Besonnenheit und Taktik.

In diesem Jahr sahen wir Marc Márquez 2.0, die verbesserte Version.

Der 23-Jährige hat aus der Saison 2015 viel gelernt. Sechs Rennstürze vermasseltem ihm damals die Chance auf seinen dritten MotoGP-Titel, er musste sich beiden Yamaha-Werkspiloten geschlagen geben. 2016 hatte er bereits in Japan seinen ersten Matchball gegen Rossi und Lorenzo und holte den Titel.

Und das trotz der großen Probleme mit der RC213V, die sich in der ersten Saisonhälfte vor allem bei den anderen Honda-Piloten wie Dani Pedrosa und Cal Crutchlow deutlich zeigten. «Ja, der Saisonstart war die schwierigste Sache. Es war vielleicht die schwierigste Vorsaison meiner Karriere. Mein Gefühl war okay, aber vor uns lag ein Berg. Wir mussten einen Weg finden, ihn zu erklimmen. Wir haben aber daran geglaubt. Ich erinnere mich daran, dass ich zu den Honda-Ingenieuren gesagt habe: ‹Ich glaube an euch. Bei den ersten Rennen werde ich meine Herangehensweise ändern, aber in der zweiten Saisonhälfte brauche ich eure Hilfe.› Und diese Hilfe kam in der zweiten Saisonhälfte. Sie machten vor allem bei der Elektronik einen sehr guten Job. Zudem verbesserten wir die Beschleunigung. Nun haben wir eine konkurrenzfähige Maschine, in Aragón hatten wir vor dem Rennen einen großartigen Test. Wir hatten 2016 einen schwierigen Start. Natürlich kann jetzt jeder sagen: ‹Du hast den Titel und es sind noch drei Rennen zu fahren.› Aber dieser Titelkampf war wirklich sehr schwierig», betonte der 23-jährige Champion, der bereits 29 MotoGP-Siege feiern durfte. Insgesamt gewann Márquez bisher 55 Grands Prix und stand in 89 seiner 147 GP-Rennen auf dem Podest.

Nach seinen Siegen in Argentinien und Austin musste Márquez 2016 bis zum Sachsenring-GP warten, um wieder gewinnen zu können. Zwischen Austin und dem Deutschland-GP lagen fünf sieglose Rennen, zwischen dem Sachsenring und Aragón waren es vier – eine Tortur für Márquez. «Nach den ersten beiden Siegen folgte eine sehr wichtige Phase in dieser Saison. Wenn du die WM-Tabelle anführst, dann kannst du die Rennen anders angehen. Du kannst auch mit zweiten oder dritten Plätzen zufrieden sein. Als ich die WM-Führung durch den Sturz und dann nur drei Punkte in Le Mans verlor, sagte ich: ‹Okay, wir müssen ruhig bleiben.› Der Fehler in Le Mans passierte deshalb, weil ich wieder mehr pushte, als es mein Gefühl für die Maschine eigentlich zuließ. Für den Rest der Saison sagte ich mir: ‹Wenn ich es nicht fühle, pushe ich nicht.› So war es dann auch. Das war aber wirklich hart für mich, denn um das zu lernen, musste ich erst einen Titelkampf verlieren. Das war ein hoher Preis, den ich zahlen musste, um diese neue Herangehensweise an die Rennen zu erlernen. Ich gewann auf dem Sachsenring, als dann die zweite Saisonhälfte begann, schaffte ich es zwar meist auf das Podest, aber ich wurde etwas nervös. Doch Emilio [Alzamora] und Santi [Hernandez] sagten mir immer: ‹Bitte bleib ruhig, du hast einen großen Vorsprung. Aragón wird kommen.› Ich wartete auf Aragón. Als wir dorthin kamen, wusste ich, dass es das Wochenende ist, um wieder zu gewinnen. Ich war dort sehr konzentriert, es war ein Schlüsselmoment. Wenn dein Team aber dieselbe Einstellung wie du hat, dann fällt alles leichter.»

War dies deine schwierigste Saison? «Jede Saison ist schwierig und jedes Jahr bist du am Maximum, aber in diesem Jahr war der Druck, den ich fühlte, vor allem zu Beginn der Saison, riesig. Im letzten Jahr hatte ich ein paar Fehler gemacht. Ich wollte die Saison nicht wie 2015 abschließen. Auch das Ende des letzten Jahres war hart. Ich hatte mehr Druck, aber ich fühlte auch eine zusätzliche Motivation. Diese Kombination hielt mich sehr fokussiert und konzentriert. Von Donnerstag bis Sonntag war ich nur auf mein Bike und mein Team konzentriert. Das war der Schlüssel zum Erfolg», ist Márquez überzeugt.

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