Hall: Zimmer 1313, Gate 13
Matt Hall parkt kurz am Detroit River und startet wieder durch
Es ist Samstag, als hinter Matt Hall die Hotelzimmertür mit der Nummer 1313 ins Schloss fällt. Der Australier ist fokussiert. Er grüsst zwar freundlich und lächelt wie immer, doch er läuft auf Autopilot. Es ist Qualifying-Tag. Halls Gedanken kreisen um die technisch höchst anspruchsvolle Rennstrecke von Windsor, die von manch einem Mitstreiter eher als «Überlebensstrecke» denn als Herausforderung bezeichnet wird.
«Number 95, Hall, cleared into the track, Smoke On!» geben die Stimmbänder des Renndirektors Drew Searle von sich, als Hall schliesslich in seine erste Qualifying-Runde hinein fliegt. Die ersten Sektorzeiten sehen vielversprechend aus, Hall liegt weit vorne, fliegt sensationell. Dann der zweiten Run... nach dem 270-Grad-Turn knallt er noch mit voller Speed und Präzision durch das linke Double-Knife-Gate durch, rein in das blaue Gate, im Horizontalflug durch und dann passiert es: beim Positionieren des Fliegers in die Vertikale für die Schikane erlebt der Flügel einen Strömungsabriss, verursacht durch die hohen G-Kräfte, die Hall in dem Moment zieht, da er unbedingt noch den Weg in die Schikane erwischen will, denn er ist mit dem Flieger überhaupt nicht dort, wo er hätte sein sollen.
Der Flügel streift das Wasser, setzt auf, streift auf der anderen Seite das Wasser. Hall aber behält alles unter Kontrolle. Dank seiner hervorragenden Reaktionsstärke, aber auch der Beschleunigung des Motors hebt sich die Flügelspitze wieder. Hall bekommt es in Millisekunden hin, den Flieger wieder fliegbar zu machen und schafft es, den Motor aus dem Wasser zu halten.
«Ich habe die Grenze hauchdünn überschritten – und daraus ergeben sich dann die fast katastrophalen Konsequenzen. Ich bin einfach sehr enttäuscht darüber, dass ich das Limit überschritten habe. Ich habe getan was ich tun musste, um mich aus einer Situation zu befreien, in die ich mich selbst manövriert hatte. Der Aufprall auf das Wasser war im Cockpit ziemlich hart – aber nicht härter, als das was wir normalerweise im Cockpit zu spüren bekommen. Ich habe hinterher auf die Anzeige für die G-Kräfte geschaut und die war auch nicht höher als im Track. Ich habe also keine zusätzlichen G-Kräfte aufgebaut. Ich bin mit dem Flieger aber auch gesunken. Aber ich muss sagen, dass ich in dem Augenblick so mit mir selbst und der Situation beschäftigt war, dass ich von alledem nicht wirklich etwas mitbekommen habe. Letztendlich waren die Auswirkungen am Ende weniger heftig als ich anfangs dachte. Im Grunde habe ich einen Fehler gemacht und bin mit dem Schrecken davon gekommen. Ich bin mir sicher, dass mir die Erfahrungen von Adilson Kindlemanns Unfall auch ein wenig Sicherheit gegeben haben. Mir war bewusst, dass ich nicht Millisekunden von meinem Tod entfernt war, sondern nur Millisekunden davon, mein Flugzeug in einen Totalschaden zu verwandeln, im Wasser zu landen und gerettet zu werden. Das gibt unheimlichen Mut – zu wissen, dass man grundsätzlich in einer Situation ist, aus der man lebend herauskommt.»
Hall hat seinen Flieger im Gegensatz zu Kindlemann nicht in einen Totalschaden verwandelt. Die Maschine ist momentan beim Hersteller MX Aircraft und soll rechtzeitig vor dem Rennen in New York wieder repariert sein.
«Wenn sie fertig ist, werde ich einige Testflüge absolvieren, um wieder ein Gefühl für das Flugzeug und Selbstsicherheit zu bekommen. Und dann geht es hoffentlich Richtung New York, rechtzeitig zum nächsten Rennen.»