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Kenan Sofuoglu: Can Öncü muss quasi einhändig fahren

Von Ivo Schützbach
Seit dem 23. April leidet Can Öncü an einer Nervenlähmung im linken Arm, dennoch kehrte er nach der Sommerpause in die Supersport-WM zurück und schaffte es seither dreimal in die Punkte. Wie es weitergehen soll.

Can Öncü hätte für Kawasaki dieses Jahr die Supersport-WM gewinnen und anschließend zu den Superbikes aufsteigen sollen. Mit einem dritten Platz in Australien sowie dem Sieg in Indonesien und einem vierten Platz begann die Saison verheißungsvoll, doch dann kam Assen.

Nach dem Start des zweiten Supersport-Rennens wurde Öncü in der ersten Kurve von Yari Montella (Barni Ducati) abgeschossen und brach sich im linken Unterarm Elle und Speiche – knapp über dem Handgelenk und knapp unterhalb des Ellbogens. Was sich als noch schlimmer herausstellte, ist die Verletzung des Radialisnervs. Dieser steuert die Bewegung des Handgelenks und die Fingerstreckung. Funktioniert der Nerv nicht, hat der Betroffene eine sogenannte Fallhand – die Hand hängt schlaff herunter und hat nur wenig Bewegung in den Fingern.

Trotz dieser Behinderung kehrte Öncü nach der Sommerpause Anfang September in die Supersport-WM zurück, denn zugreifen – also den Lenker festhalten – ist auch mit einer Fallhand möglich. Die Muskeln in Cans linkem Arm sind in den gut fünf Monaten seit dem Unfall zwar stark verkümmert, vom Motorradfahren lässt sich der 20-Jährige dadurch aber nicht abhalten. Erstaunlich: In Magny-Cours konnte er zwei WM-Punkte erobern, in Portimao weitere drei.

«Wenn du den Arm von Can siehst, dann kannst du dir nicht vorstellen, dass er damit Rennen fahren kann», meinte Kawasaki-Teamchef Manuel Puccetti. «Das ist unmöglich zu glauben, er hat fast keine Muskeln mehr. Aber auf dem Motorrad schaut es nicht so schlecht aus. Er ist körperlich in der Lage, Rennen zu fahren. Wir wollen schauen, dass er nach dieser Saison in bestmöglicher Verfassung ist.»

«Kawasaki glaubt an das Talent von Can», hielt dessen Manager Kenan Sofuoglu beim Treffen mit SPEEDWEEK.com fest. «Er ist ein unfassbar talentierter Junge, der jüngste GP-Sieger. Es kann nicht sein, dass seine Karriere vorbei ist, bevor er einige Weltmeisterschaften gewonnen hat. Er machte in der Vergangenheit schwere Zeiten durch, aber das ist die schlimmste. Wir haben ihn für Magny-Cours zurückgebracht, damit er lernen kann, wie er das Motorrad mit einer Hand fahren kann. Bei modernen Motorrädern musst du keine Kupplung mehr ziehen, das ging zu meiner Zeit nicht. Er kann nicht ein Jahr Pause einlegen und dann zurückkommen und die Meisterschaft gewinnen – das ist schwierig. Deshalb lassen wir ihn jetzt schon fahren. Die letzten Rennen sind in Jerez, dort ist er sehr stark. Das soll ihm mentale Stärke geben, um bereit zu sein für nächstes Jahr.»

Die behandelnden Ärzte gehen von einem Erholungszeitraum von zehn bis zwölf Monaten aus, was den lädierten Nerv in Öncüs Arm betrifft. Regeneriert er in dieser Zeit nicht, ist eine spätere Genesung sehr unwahrscheinlich.

«Can bleibt nichts anderes als abzuwarten», weiß Sofuoglu. «Wir überlegen jetzt schon wegen einer Operation, warten aber sicher noch bis nach Jerez ab. Oder bis zum Winter. Ich glaube, dass das Motorradfahren für viel Adrenalin in seinem Körper sorgt. In Magny-Cours war seine Hand jeden Tag geschwollen. Das halte ich für gut, weil es bedeutet, dass viel Blut zirkuliert. Als er das erste Mal nach der Verletzung in der Türkei wieder fuhr, war das nicht so.»


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