Neerpasch: Gerechtigkeit musste man sich erarbeiten
Achim Warmbold und Jean Todt brillierten mit dem 235 PS starken BMW 2002
Bei den Recherchen zu unserer Neerpasch-Biografie bin ich auf eine wunderbare Geschichte gestoßen, die von einem der wenigen offiziellen Werkseinsätze von BMW in der Rallye-WM handelt. Und die mit einem ebenso wunderbaren Zitat des damaligen großen BMW-Motorsport-Zampanos Jochen Neerpasch endet.
September 1973, Österreichische Alpenfahrt, ein WM-Lauf. Achim Warmbold und Jean Todt (der spätere Ferrari-Rennleiter und heutige FIA-Präsident) brillierten mit dem 235 PS starken BMW 2002 vor allen anderen Werksteams von Alpine, Fiat, Saab und Co. und gewannen schließlich - erster von zwei BMW Siegen in einer Weltmeisterschafts-Rallye! (Der Vollständigkeit halber: Den anderen besorgte am 9. Mai 1987 der Franzose Bernard Béguin mit Co Jean-Jacques Lenne auf Korsika im M3.)
Allerdings war der Erfolg in Österreich mit einigen unschönen, zum Teil nur noch schemenhaft nachvollziehbaren Arabesken verbunden. In Kurzform: Führung, Aufhängungsschaden, Reparatur, Gerüchte und Diskussion über Benutzung einer unzulässigen Strecke, nachweisliche Blockade durch einen Funktionär eines Wettbewerbs-Teams, großes Palaver. Es sollte tatsächlich viereinhalb Monate dauern, bis BMW der Sieg zuerkannt wurde.
Diese Geschichte musste schon deshalb noch einmal erzählt werden, weil sich so die Gelegenheit ergibt, den unübertrefflichen Herbert Völker zu zitieren, der eine Momentaufnahme Jochen Neerpaschs in einer der entscheidenden Verhandlungen festhält, Neerpasch wie er leibt und lebt: «Er war hinreißend! Die überlegene Ruhe, dieser sanft-freundliche Blick, die exakten Antworten, die grandiose Sicherheit, dieses elementare Streben nach Gerechtigkeit - oh, Neerpasch war die große Nummer der Show.»
Um die Geschichte zu Ende zu erzählen: Völker sagt, Todt sage noch immer nicht die Wahrheit in dieser Angelegenheit, Warmbold habe es sehr wohl getan.
Und was sagt Neerpasch? Als ich Jochen im Zuge unserer Gespräche darauf ansprach, konnte ich ihn zu diesem an zweideutiger Eindeutigkeit kaum zu überbietender Aufrichtigkeit animieren: «Wegen einer Lappalie eine fahrerische Meisterleistung von Achim Warmbold und eine navigatorische Meisterleistung von Jean Todt aufs Spiel zu setzen, das wäre fahrlässig gewesen. Gerechtigkeit musste man sich unter den damaligen Verhältnissen auch 'erarbeiten'».