Werner Frowein wird 75: Dankbarer Blick zurück
«Am Ende bleibt ein dankbarer Blick zurück.» Mit diesen Worten hatte sich Werner Frowein als ehemaliger Chef der Audi Quattro GmbH 2012 in den Ruhestand verabschiedet. Fast 15 Jahre lang war der gebürtige Rheinländer Leiter des sportiven Audi-Individualausrüsters in Neckarsulm.
Die begehrte RS-Baureihe und der erfolgreiche GT3-Sportwagen R8 LMS sind in seiner Amtszeit entstanden. Damit hat der allseits geschätzte Vollblut-Techniker Meilensteine bei Audi gesetzt.
Aber schon vor seiner letzten beruflichen Station hatte Frowein bereits ein bewegtes Motorsport-Leben. Ein Blick zurück auf sein Lebenswerk.
Ich erinnere mich an das Flugplatzrennen Faßberg im Mai 1970, hoch im Norden im Landkreis Celle. Ein klappriger Kleinlaster mit Hänger rollt ins Fahrerlager, beladen mit zwei weiß-blau lackierten BMW 2002 TI. Am Steuer sitzt der 22-jährige Werner Frowein.
Der junge Mann mit dicker Brille ist Renn-Mechaniker bei BMW-Tuner Hans-Peter Koepchen in Willich und bringt die beiden 2002 für Hans-Joachim Stuck und den Autor dieser Geschichte. Weiteres Betreuungs-Personal gibt es an diesem Wochenende nicht vor Ort. Weil kaum Geld da ist, muss Frowein seine beiden Piloten auch schon mal alleine durchs Renn-Wochenende bringen.
42 Jahre später, Mai 2012 am Nürburgring, Zieldurchfahrt beim ADAC 24 Stunden-Rennen. Im vierten Anlauf gewinnt ein Audi R8 LMS den Langstrecken-Klassiker in der Eifel, es wird sogar ein grandioser Doppelsieg. Werner Frowein, inzwischen 64 und kurz vor der Pension, Initiator, Vater und unermüdlichen Antreiber des R8 GT3-Projekts, ist vor Freude kaum zu bändigen.
Das siegreiche Quartett Basseng/Stippler/Winkelhock/Haase zerrt den quattro-Chef einfach mit aufs Siegerpodium, wo er auf starke Fahrerschultern gehievt wird. Frowein ist hin und weg, verdrückt ein paar Tränen.
Er wollte den R8-Sieg am Ring unbedingt noch während seiner Amtszeit erleben. «Der R8 LMS hat fast alle Klassiker gewonnen, nur die 24 Stunden am Ring haben uns noch gefehlt. Dass es jetzt doch noch so kurz vor meinem Abschied geklappt hat, ist einer der schönsten Augenblicke meines Berufslebens und ein wunderbares Abschiedsgeschenk.»
Werner Frowein blickt auf ein Berufsleben zurück, «wie es schöner und aufregender kaum hätte sein können». Bei Koepchen erlebte er 1970 als Schrauber am Stuck/Schickentanz-BMW 2002 schon den ersten 24 Stunden-Sieg am Ring. Den Lehrjahren als «Mechaniker-Geselle» im chronisch unterfinanzierten BMW-Rennstall und Tuning-Betrieb folgte das Fahrzeugtechnik-Studium an der Fachhochschule in Köln.
Im Team des legendären Duos Neerpasch/Braungart begleitete der frischgebackene Ingenieur die Entwicklung von sportiven Autos der M-Serie und natürlich auch die der Rennfahrzeuge. In das M1-Projekt war er genauso eingebunden wie in das Sportprogramm des BMW M3. Es gab genügend Gründe zum Feiern, Siege und Titelgewinne wurden in München schon fast zur Gewohnheit.
Nach 13 BMW-Jahren bahnte sich eine Luftveränderung an. AMG-Manager Domingos Piedade lotste den rennverrückten Frowein zur Mercedes-DTM-Truppe nach Affalterbach. Dort übernahm der Rheinländer im Ressort «Entwicklung und Produktion» 1990 eine leitende Funktion, kaufmännische Bereiche eingeschlossen.
Acht Jahre fühlte er sich bei der AMG-Truppe wohl, bis sich plötzlich eine ganz neue, noch reizvollere Perspektive ergab: Audi-Vorstand Franz-Josef Paefgen bot Frowein 1998 die Leitung der quattro GmbH an. Das kleine, aber feine Unternehmen in Neckarsulm galt und gilt als erste Adresse für sportlich orientierte Audi-Individualkunden.
Frowein ließ sich nicht zwei Mal bitten, zügig startete er durch und forcierte mit einem tüchtigen Mitarbeiterstab die sportiven RS-Sonderserien.
Innerhalb von zwölf Jahren verließen rund 60.000 individuell ausgestattete Audi RS4, RS6, RS5 und RS3 die Werkshallen in Neckarsulm. Und für Froweins ebenso grandiose wie mutige Idee, den Sportwagen R8 in kultivierter Straßenversion bauen zu lassen, konnten sich seit 2007 Käufer in aller Welt begeistern.
Die schärferen und mehr als doppelt so teuren Ausführungen «R8 LMS» und «LMS V10 ultra» als Renngeräte für den GT 3-Sport ließ der quattro-Chefplaner 2009 in jeweils limitierten Kleinstserien nachschieben.
Seitdem haben Rennfahrer in aller Welt mit dem R8 LMS nahezu alle bedeutenden GT-Langstrecken-Klassiker und GT-Meisterschaften gewonnen.
«Wenn ich gehe», sagte Frowein damals stolz, «übergebe ich an meinen Nachfolger Franciscus van Meel ein florierendes Geschäft für die Straße und den Sport.» Das sah auch der damalige Audi-Vertriebsvorstand Peter Schwarzenbauer so: «Werner Frowein hat die quattro GmbH zu unserer technologischen Speerspitze gemacht.»
Am Ende hatte Werner Frowein, der bis zu seinem Ausscheiden fast alle DTM- und VLN-Rennen persönlich besuchte, noch ein Kompliment für seine drei wichtigsten Partner parat: «BMW hat mich zum Techniker ausgebildet, bei AMG habe ich nebenbei auch noch die kaufmännische Seite verinnerlicht und bei Audi konnte ich alles zusammen wunderbar umsetzen.»
Eines allerdings musste die rheinische Frohnatur nie lernen, weil er es bereits zeitlebens praktiziert hat: Menschlichkeit, Herzlichkeit und Fairness.
Gesundheitlich geht es Werner Frowein inzwischen nicht mehr ganz so gut, aber seine Familie in Gestalt von Ehefrau Gabriele und den Kindern Moritz (40) und Lisa (38) kümmern sich rührend um ihn.
Das gilt auch für Audi und den aktuellen Sportchef Rolf Michl, der mit seinem alten Kollegen in Kontakt steht und ihn zu Events einlädt. Wenn er in den Boxen zu Besuch ist, hat seine alte Truppe für ihn stets den «Frowein-Stuhl» als Sitzgelegenheit parat. Auf diese Art kann Werner Frowein trotz angeschlagener Gesundheit immer noch den einen oder anderen Audi-Einsatz vor Ort verfolgen. Denn so ganz ohne Racing geht’s bei ihm noch immer nicht.
Happy Birthday, lieber Werner, alter Vollgas-Junkie. Alle guten Wünsche, bleib stramm auf Kurs und lass‘ dich nicht unterkriegen.