Vor 50 Jahren: Geburt der DRM – Tage des Donners

Von Rainer Braun
Beim Eifelrennen auf dem Nürburgring brach am 30. April 1972 für den Tourenwagen- und GT-Sport in Deutschland eine neue Zeitrechnung an – mit der Premiere der Deutschen Rennsport Meisterschaft (DRM).

Das erste Rennen der DRM vor 50 Jahren war zugleich auch der Startschuss für ein Championat, das sich als Vorläufer der späteren DTM über mehr als ein Jahrzehnt beim Publikum ungebrochener Faszination erfreute. Und der Neuanfang war bitter nötig.

Denn bis zum Saisonende 1971 hatten sich Deutschlands Rundstrecken-Spezialisten durch eine wenig attraktive Rennsport-Dekade gequält. Viele Disziplinen, wenig Attraktivität, wildes Durcheinander von Klassen und ein unüberschaubarer Wust an Sonder- und Gutpunkten. Tagespresse und Sportagenturen taten sich hierzulande schwer, ihren Lesern dieses Punktegestrüpp zu erklären. Touren- und GT-Fahrzeuge stritten um Klassensiege, Klassenfüller, Abfangjäger und Gefälligkeitsstarter entschieden über Siege und Niederlagen. Oft hatte das Sportgericht das letzte Wort.

«So kann’s nicht weitergehen, wir brauchen dringend eine neue Top-Rennserie», wetterte Hugo Emde, allgewaltiger Sportchef des Hauses Bilstein, anlässlich einer Tagung der «Arbeitsgemeinschaft Renndienste».

Als Verbündete holte sich Emde die Sportchef-Kollegen Fritz Jüttner (Bosch), Jochen Neerpasch (Ford) und Sigismund von Kahlen (Geschäftsführer der ONS, heißt heute DMSB) ins Boot. Gemeinsam mit den wichtigsten Veranstaltern erarbeitete das Quartett Spielregeln, Rahmenbedingungen und Termine für die geplante neue Parade-Rennserie «Deutsche Rennsport Meisterschaft».

Anfang des Jahres 1972 war klar, wie die neue Produktionswagen-Zukunft aussehen soll: Gruppe 2-Spezial-Tourenwagen nach Anhang J des internationalen Sportgesetzes und GT-Autos der Gruppen 3 und 4 fahren in zwei Divisionen bis und über zwei Liter Hubraum um Punkte und Preisgeld. Dazu klare Regeln, überschaubare Punktvergabe und Rennstrecken mit erfahrungsgemäß hohem Zuschauer-Zulauf.

Insgesamt zehn Läufe, darin enthalten auch die populären Bergrennen Schauinsland und Sauerland-Bergpreis Nutlar. Überdies gab es noch die Möglichkeit, sich Zusatzpunkte bei den großen Ring-Events 1000 km und Tourenwagen-GP zu sichern. Nach heftiger Kritik wegen angeblicher Wettbewerbsverzerrung wurden die Bergrennen ab 1974 wieder aus dem Kalender gestrichen.

Das Eifelrennen des ADAC Nordrhein am Nürburgring präsentierte sich am 30. April 1972 als stolzer Ausrichter der offiziellen DRM-Geburtsstunde. Eingebettet im Vorprogramm des Formel2-EM-Laufs starteten vor reichlich erschienenem Publikum insgesamt 35 Autos in beiden Divisionen (22 Starter bei den 2-Liter-Autos, 13 in der großen Hubraumklasse).

Zufrieden blickten die vier Väter der neuen Rennserie auf das Ergebnis ihrer Bemühungen. Capri RS, Porsche Carrera, BMW 2800 CS und Opel Commodore bei den Großen, fast nur Escort RS und BMW 2002 in der kleineren Abteilung. Übrigens gab es anfangs nur den Capri-Werkseinsatz von Ford, erst später im Jahr zog BMW nach, ausgelöst durch den Wechsel von Jochen Neerpasch nach München.

Allerdings erwies sich die Nordschleife für die Premiere als nicht so prickelnd, weil sich 35 Autos auf 22,8 km eben rasch auseinanderziehen. Zumal die Capri RS-Fraktion mit Hans-Joachim Stuck im Werksauto und Klaus Fritzinger im privaten Capri RS den Verfolgern auf und davon fuhren. Das gleiche Bild auch eine Etage tiefer mit der Escort RS-Meute, wo Zakspeed-Pilot Harald Menzel seinen Wooding-Kollegen Gerd Schüler und Jörg Obermoser keine Chance ließ.

Daraus ergab sich auch für die folgenden Läufe in Hockenheim und Mainz-Finthen eine gewisse Hackordnung, die erst ab dem vierten Punktrennen in Diepholz langsam gesprengt wurde. Dort gelang dem tapfer kämpfenden Dieter Basche endlich der überfällige erste BMW-Divisions-Sieg vor dem kompletten Escort RS-Geschwader.

Stuck und der Capri RS blieben auch nach dem Premiere-Sieg in der Eifel das Maß der Dinge. Mit neun von zehn möglichen Saison-Siegen krönte sich der Ford-Werkspilot zum fast unbesiegten Herrscher der neuen Rennserie.

Nur einmal, in Kassel-Calden, vergriff er sich in der Reifenwahl und musste den Sieg seinem Markenkollegen Klaus Fritzinger im privaten Capri RS überlassen, womit alle Rennen der großen Division von einem Capri RS gewonnen wurden. Selbst auf die beiden wackeren Capri RS-Damen Liane Engemann aus Holland und Waltraud Odenthal aus Siegburg nahm Womanizer Stuck auf der Piste keine Rücksicht.

Von Jahr zu Jahr legte die DRM an Power und Attraktivität zu und spätestens 1974 war die neue Rennserie auch von internationalem Interesse. Ford, BMW, Lancia und Porsche droschen in den Jahren danach so deftig aufeinander ein, dass die Zuschauer ihre helle Freude hatten.

Teams wie Schnitzer, Zakspeed, GS-Sport, Joest oder Kremer bereicherten die DRM genauso wie große Fahrernamen. Selbst aktive Formel 1-Stars wie Lauda, Mass, Stommelen, Peterson, Ickx, Nilsson oder Regazzoni fuhren als Gaststarter sporadisch für Ford, BMW oder Porsche.

Unvergessen bleiben auch die ebenso erbitterten wie brisanten Zweikämpfe des DRM-Stammpersonals wie zum Beispiel Hans Heyer vs. Klaus Ludwig als Zakspeed-Stallgefährten im Escort RS 1975/76. Oder die wilden Ritte der BMW-Junioren Marc Surer, Manfred Winkelhock und Eddie Cheever 1977. Und natürlich die grandiose Turbo-Ära der Zakspeed-Capri, BMW 320, Lancia Beta oder Porsche 935.

Ab 1983 ging Deutschlands Parade-Rennserie dann so langsam die Puste aus. Die Felder wurden dünner, die Rennen langweiliger, die Zuschauerzahlen weniger. Aus Verzweiflung peppte man das Feld nun mit Sportwagen auf, aber das half auch nicht viel weiter. Die Jahre des Donners neigten sich ihrem Ende zu – am 22. September 1985 fiel die letzte Start- und Zielflagge genau dort, wo 14 Jahre zuvor alles angefangen hatte: am Nürburgring. Letzter Titelträger war Jochen Mass im Porsche 956-Sportwagen.

Von den vier DRM-Initiatoren lebt heute nur noch Jochen Neerpasch. Der mittlerweile 83 Jahre alte ehemalige Ford- und BMW-Sportchef, auch Initiator des ersten BMW-Junior-Teams sowie Gründer der BMW Motorsport GmbH vor exakt 50 Jahren, erfreut sich bester Gesundheit. Gerade kümmert sich als Coach im BMW-Auftrag wieder mal drei neue Junioren im M4 GT3. Und die machen sich in der Tat prächtig.

Die Titelträger der DRM

1972 Hans-Joachim Stuck, Ford Capri RS*
1973 Dieter Glemser, Ford Escort RS
1974 Dieter Glemser, Ford Escort RS
1975 Hans Heyer, Ford Escort RS
1976 Hans Heyer, Ford Escort RS
1977 Rolf Stommelen, Porsche 935 T**
1978 Harald Ertl, BMW 320 Turbo
1979 Klaus Ludwig, Porsche 935 K3
1980 Hans Heyer, Lancia Beta Turbo
1981 Klaus Ludwig, Ford Capri Turbo
1982 Bob Wollek, Porsche 936-Turbo***
1983 Bob Wollek, Porsche 956 Turbo
1984 Stefan Bellof, Porsche 956 Turbo
1985 Jochen Mass, Porsche 956 Turbo

*Touren/GT-Wagen nach Gr. 2/3/4
**Spez. Touren/GT-Wagen nach Gr. 5
***Sportwagen nach Gr. C/Gr. 6, Rest Gr. 5

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