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Ford und BMW: Blitz in Köln, Licht an in München

Kolumne von Rainer Braun
1. Mai 1972: Schock in der Vorstands-Etage bei Ford in Köln, als bekannt wurde, dass Sportchef Jochen Neerpasch in gleicher Funktion zu BMW nach München wechselt.

Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf die Kölner Ford-Vorstände im Frühjahr 1972 die Nachricht, dass ihr Sportchef Jochen Neerpasch per 1. Mai ausgerechnet zum Erzfeind zu BMW nach München wechselt. Diese Nachricht traf die Führungsriege völlig unvorbereitet. Während der von Neerpasch initiierte Capri RS mit Hans Joachim Stuck europaweit von Sieg zu Sieg eilte, verloren die Kölner ihren großen Denker und Lenker.

Seinen Freund und Fahrwerks-Ingenieur Martin Braungart nahm Neerpasch gleich mit, aber wenigstens beließ er DRM-Titelkandidat Hans Joachim Stuck noch bis zum Saisonende in Ford-Diensten. Danach sollte auch er seinem Mentor Neerpasch als neues Zugpferd zu BMW folgen.

Eingefädelt wurde diese ganz große Nummer übrigens Sportfan und Technik-Freak Robert «Bob» Lutz, der nach neun Jahren im GM/Opel-Vorstand schon vor Neerpaschs Wechsel-Ambitionen eine neue Position als Verkaufsdirektor im BMW-Vorstand angetreten hatte. Besonders pikant: Zwei Jahre später verließ Lutz BMW wieder und wurde ab 1974 ausgerechnet bei Ford in Köln Europa-Chef.

Ford-PR-Direktor Klaus-Dieter Banzhaf, selbst ein begeisterter Verfechter des Motorsport-Engagements, berief nach dem ersten Schreck mehrere Krisensitzungen ein, in deren Verlauf alle personellen Optionen durchgespielt wurden. Von Stuart Turner über Hubert Hahne und Rico Steinemann bis hin zur logischen Lösung des bisherigen Neerpasch-Assistenten Michael Kranefuss lag da alles zur Abwägung und Diskussion auf dem Tisch.

In einer speziell für die lokalen Kölner Zeitungen angesetzten Pressekonferenz verkündete Fords oberster Öffentlichkeitsarbeiter relativ schnell das Resultat der Entscheidungsfindung. «Unser neuer Mann an der Spitze von Ford Motorsport heißt ab sofort Michael Kranefuss. Er hat unser vollstes Vertrauen und wir sind sicher, dass er jenen, die uns den Rücken gekehrt haben, schon bald die richtigen Antworten auf der Rennstrecke geben und sie mit ihren eigenen Waffen schlagen wird. Der Capri RS ist ein sagenhaftes Auto, wir sind bereit.»

Das klang nicht nur wie ein Schlachtruf, das sollte auch einer in Richtung München sein. Zu tief saßen Frust und Enttäuschung über Neerpaschs Abschied.

Fast entschuldigend kam dessen brave Antwort auf Banzhafs Kampfansage: „Ich hatte eine wunderbare Zeit in Köln und wir haben gemeinsam sehr viel erreicht. Aber bei BMW kann ich endlich meine Vision einer eigenständigen Motorsport GmbH verwirklichen. Bei Ford hätte es für so ein Modell absolut keine Chance gegeben. Ich war gerne in Köln, habe eine intakte Abteilung mit einem hoch qualifizierten Mitarbeiterstab hinterlassen und wünsche meinem Nachfolger viel Erfolg.»

Neerpasch fand in München ein kleines Paradies vor. Er installierte die erste «Motorsport GmbH» Deutschlands (aus der später die «M GmbH» hervorging), die ab 1. Mai 1972 ihren Betrieb aufnahm. Jene BMW Motorsport GmbH, die übrigens in wenigen Wochen beim 24 h-Rennen am Ring ihr 50. Jubiläum feiert, unter anderem mit einem «BMW M Race of Legends» mit zwölf identischen M2 Cup-Autos über 20 Minuten Grand-Prix-Kurs. Dem Ex-Ford-Mann wurden am Sitz der GmbH in der Preußenstr. 45 alle erdenklichen Freiheiten zugestanden, dazu ein großzügiger Etat und eine hoch motivierte Mannschaft.

Als erste Amtshandlung schärfte Neerpasch das CSL-Coupé als stärkste BMW-Waffe im Kampf um die Tourenwagen-EM 1973. Nachdem der Capri RS 1972 noch alles gewann, was es zu gewinnen gab, konterte Neerpasch mit einer Leichtbauversion, neuem Heckflügel und leistungsstärkerem 3.3 Liter-Triebwerk. Damit waren die Messer gewetzt und München forderte die Kölner zum ultimativen Duell heraus.

1973 wurde ein hochdramatisches Tourenwagenjahr, vielleicht sogar das aufregendste aller Zeiten. Mit tatkräftiger Unterstützung des Partners Alpina schlug BMW den Erzgegner Ford geradezu vernichtend. BMW CSL und Capri RS lieferten sich zwar hinreißende Duelle, am Ende aber blieb BMW meist Sieger und entriss Titelverteidiger Ford die Tourenwagenkrone. Dafür schlugen die Kölner im gleichen Jahr BMW im Kampf um die DRM.

Zwar stand auch der Gewinn der DRM auf Neerpaschs Wunschzettel, aber da hatte ihm sein alter Freund Kranefuss einen richtig dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Sehr freundschaftlich haben sich die beiden Kölner Kumpels von einst mit zunehmendem Saisonverlauf 1973 sowieso nicht mehr unterhalten – so manche Debatte um Stil und Strategien trugen Neerpasch und Kranefuss ziemlich lautstark und leidenschaftlich aus.

So galt zum Beispiel zwischen den beiden Sportchefs als abgemacht, in der großen Hubraum-Division DRM nur je ein Werksauto einzusetzen. Auf der einen Seite war das ein Capri RS für Hans Heyer, auf der anderen ein CSL Coupé für Harald Menzel. Gleich beim ersten Punktrennen auf der Nordschleife im April 1973 kam es aber zu nachhaltiger Verstimmung bei Ford – entgegen aller Absprachen ließ Neerpasch einen zweiten Werks-CSL mit Oberschlitzohr Toine Hezemans an den Start rollen. Es kam, wie es kommen musste: Heyer und Menzel rieben sich gegenseitig auf und flogen von der Piste. Hezemans brauchte nur abzuwarten und gewann locker. Neerpasch lächelte tiefgründig, Kranefuss tobte.

Wie es danach mit dem Motorsport in München weiterging, kann als weitgehend bekannt vorausgesetzt werden. Nicht so bekannt ist vielleicht nur dieses kleine Detail: Jochen Neerpasch verließ seine BMW Motorsport GmbH Ende 1979 Knall auf Fall ziemlich frustriert, weil der Vorstand seine Formel-1-Pläne gekippt hatte.

Ironie des Schicksals: Wenige Monate später verkündete der derselbe BMW-Vorstand, doch in die Formel 1 einzusteigen. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

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