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Kölner Kult-Geschichten: Turbo-Capri vorm Ratskeller

Kolumne von Rainer Braun
​Kölner Kult-Geschichten, Teil 4: Über rustikale Pressekonferenzen, kultige Sport-Journalisten und lockere Rennleiter.

In den 1970er- und 1980er-Jahren galt Köln als eine Art heimliche Motorsport-Hauptstadt in Deutschland. Große Rennfahrer-Namen und -Teams, Werke wie Toyota, Ford oder Renault mit eigenen Rennabteilungen, Manager und Macher sowie kultige Journalisten und locker agierende Rennleiter prägten das Bild dieser unbeschwerten Zeit.

Da waren zum Beispiel die berühmt-berüchtigten Pressekonferenzen des ADAC Nordrhein für deren Parade-Veranstaltungen Eifelrennen jeweils Ende April/Anfang Mai und nachfolgend 24 h-Rennen.

Oft genug versammelten sich die PK-Gäste in rustikalen Brauhäusern oder in typisch kölschen Restaurants. So ließ der damalige Rennleiter Kurt Bosch 1981 für die PK zum Eifelrennen den Turbo-Capri von Klaus Ludwig vor dem «Ratskeller» am berühmten «Alter Markt» auffahren. Auch sein Nachfolger Peter Geishecker setzte diese Tradition in allen möglichen Varianten fort.

Während wissbegierige Lokal-Journalisten drinnen bei Kölsch und rheinischen Gerichten erst artig zuhörten und danach harte Fragen stellten, drückten sich draußen Fans und Passanten am Capri die Nase platt, um Details zu erkunden, Fotos zu schießen oder sich ein Autogramm der Ford-Piloten Klaus Ludwig oder Manfred Winkelhock abzuholen.

Drinnen im Ratskeller hatten sich derweil am langen Vorstandstisch die handelnden Personen des bevorstehenden Rennens versammelt, um ihr Programm zu erläutern und Fragen der Journalisten zu beantworten.

In der Regel ging es um die Formel-2-EM, die Deutsche Rennsport Meisterschaft (DRM) und das Rahmenprogramm mit diversen Marken-Cups. Ansprechpartner waren wie immer Rennleiter Kurt Bosch (Leitspruch: «Et hätt noch immer jut jejange»), ADAC-Vorstände, Industrie-Vertreter und natürlich die eingeladenen zwei oder drei Fahrer.

Das Ritual wiederholte sich von Jahr zu Jahr: Erst Statements vom Veranstalter und den Sportchefs sowie der Fahrer, dann die offene Fragerunde.

Das war dann meist die große Stunde der Kölner Kult-Journalisten wie etwa Jupp Müller vom «Kölner Stadtanzeiger», der stets die gleiche bohrende Standard-Frage stellte: «Wat kost dat denn nu alles zusammen?»

Oder Lifestyle-Reporter Heinz Horrmann vom «Express», der für seine tägliche Kolumne «Cologne Intim» immer wissen wollte, welche Promis wann am Ring erscheinen. Auf den lieben Kollegen Heinz H. komme ich später nochmals zurück.

RTL-Radio-Mann Willy Knupp, für einige Zeit sogar selbst Sportpresse-Chef des ADAC Nordrhein, brachte sein Aufnahmegerät samt Mikro in Stellung und quetschte mit bohrenden Fragen seine Gesprächspartner bis aufs letzte Detail aus.

Auch der Wissensdurst von Rainer Päutz («Express») und Eberhard Gravenstein («Kölnische Rundschau») wurde gestillt. Nach dem offiziellen Teil gab’s reichlich zu essen und zu trinken. Mal ehrlich – welche Stadt hatte damals gleich drei auflagenstarke Zeitungen, fünf motorsportbegeisterte Journalisten und dazu auch noch zwei völlig zerstrittene Porsche-Teams zu bieten?

Übrigens ging so manche Pressekonferenz des ADAC Nordrhein in die Verlängerung – mit einem harten Kern fröhlicher Zecher.

So begab es sich Jahre später in der Frühzeit der alten DTM, dass ein gewisser «Dr. Adler» nach intensivem Kölsch-Genuss schon während des offiziellen Teils der PK im Brauhaus sanft entschlummerte. Kurzentschlossen packten zwei Kollegen den schlafenden Zecher und setzten ihn samt Stuhl vor den Eingang auf den Bürgersteig einer ziemlich belebten Straße. Dort schlief er zunächst weiter, bis er von Passanten geweckt wurde und den Ort der Schmach sogleich fluchtartig verließ.

Sehr gerne erinnere ich mich auch heute noch an diese herrlich verrückte Zeit mit den Kölner Kollegen der schreibenden Zunft – und hier besonders an meinen alten Kumpel Heinz Horrmann. Einst ein großer Fan des Rennsports, wie ich begeisterter Capri RS-Fahrer und einer meiner langjährigen Wegbegleiter. Wir waren sogar mal für mehrere Jahre Haus-Nachbarn, ich konnte ihm fast ins Wohnzimmer gucken.

Für seine Lifestyle-Kolumne «Cologne Intim» habe ich ihm ständig neues Futter geliefert. So war er immer hinter den Namen der bei Ford, Toyota, Renault oder in unserer Redaktion ein- und ausgehenden PS-Stars her. Oft genug kamen die nach Köln, um jeweils ihre neuen Verträge zu unterschreiben oder PR-Termine zu absolvieren.

Kollege Horrmann hat kaum eine PK und schon gar kein Event am Nürburgring ausgelassen. Mit den wichtigsten Ford-Vorständen und mit vielen Rennfahrern befreundet, war der Informationsfluss für ihn immer gewährleistet. Mit der Rennerei hat er allerdings schon lange nichts mehr zu tun. Stattdessen legte er nach seiner wilden Kölner Zeit und Stationen bei der «Welt» und «Welt am Sonntag» eine steile Karriere als höchst erfolgreicher Buchautor, Reise-Journalist und Hotel-Kritiker hin.

Überdies trat Horrmann in der RTL-TV-Serie «Der Hotel-Inspektor» auf und war Jury-Mitglied in den VOX-Sendungen «Kocharena» und «Grill den Henssler». Für seine «Verdienste um die deutsche Gaststätten-Kultur» wurde er sogar mit dem Bundesverdienstkreuzes ausgezeichnet. Außerdem erhielt er den «Five Star Diamond Award» als der weltweit beste Hotel-Kritiker.

Seine fast 40 Buchtitel (wie die vierteilige Reihe «Hotelgeschichten» oder «In fremden Betten») gelten durchweg als Bestseller. Im Januar 2024 feierte Heinz Horrmann seinen 81. Geburtstag, er lebt jetzt in Berlin.

Egal ob die rührigen ADAC Nordrhein-Rennleiter Rennleiter Kurt Bosch oder sein Nachfolger Peter Geishecker, ob die ehemaligen Spaß-Journalisten Jupp Müller, Willy Knupp oder Heinz Horrmann – sie allen waren Kult in Köln. Und es waren Typen, wie sie heute in unserem Sport schmerzlich vermisst werden.

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