Lewis Hamilton (Mercedes): «Ferrari am schnellsten»

Von Mathias Brunner
Lewis Hamilton

Lewis Hamilton

​Der fünffache Formel-1-Champion spricht offen darüber, wo Mercedes-Benz gemessen an Ferrari steht, was er von sich selber verlangt und wer Weltmeister 2019 wird.

Wenn der Weltmeister spricht, dann ächzt das Motorhome von Mercedes-Benz in den Federn: Volle Hütte bei den Silbernen, alle wollen vom fünffachen Champion Lewis Hamilton wissen, wo sein Rennstall vor dem Saisonbeginn in Australien steht. Der Engländer enttäuscht die Medienschar nicht und sagt klipp und klar, was Sache ist.

Lewis, gestern hat uns Valtteri Bottas gesagt: Das neue Aero-Paket von Mercedes sei eine spürbare Verbesserung, aber es sei nicht Antwort auf alle Fragen. Wie siehst du das?

Ich habe ähnliche Eindrücke. So wie die meisten Gegner auch haben wir zur zweiten Testwoche zahlreiche Verbesserungen am Wagen, dann geht es darum, wie gut sich das Versprechen aus dem Windkanal auf der Rennpiste gehalten wird. In der Regel ist das bei uns recht deckungsgleich. Wir arbeiten noch daran, das Beste aus dem Upgrade zu holen, wir lernen ständig dazu. Die letzten Tage waren sehr aufschlussreich.

Wie aussagekräftig ist die 1:16,5-min-Runde von Bottas am Freitagmorgen gemessen an den schnellsten Zeiten von Ferrari?

Testfahrten sind Testfahrten. Es gibt keine Auszeichnung für die beste Wintertestzeit. Also ist das nicht wichtig. Wichtig ist es, am Samstag in Australien der schnellste Mann zu sein. Derzeit würde ich sagen: Ferrari hat das schnellste Auto. Um ungefähr eine halbe Sekunde, schätze ich. Aber wir müssen die Ergebnisse hier mit Vorsicht geniessen, weil Testfahrten oft schwierig zu deuten sind. Letztlich wissen auch wir nicht, wie viel Sprit die Anderen im Tank hatten oder wie viel Leistung die Motortechniker freigegeben haben. Was wirklich Sache ist, das werden wir in Australien erleben. Und dann dauert es mindestens vier Rennen um zu erahnen, wo du wirklich stehst.

Dies ist ein Entwicklungsrennen. Mercedes hat in den vergangenen Jahren bewiesen, wie stark wir da sind. Wir lagen zu Beginn der Saison 2018 hinten und mussten uns gewaltig strecken, um wieder die Oberhand zu gewinnen. Aber ich bleibe ganz ruhig. Wir haben nicht aus Zufall fünf WM-Titel in Folge gewonnen. Wir sind hellwach, wir arbeiten unablässig, wir lassen uns nicht irremachen.

Ich sehe einen grossartigen Kampf auf uns zukommen, das ist toll für euch, für die Fans, das stachelt auch uns an. Zudem: Da ist nicht nur Ferrari. Ich sehe drei Rennställe auf Augenhöhe. Und das Mittelfeld ist näher an die Top-Teams herangekommen. Das war im vergangenen Jahr eine Sekunde, jetzt hat sich das auf eine halbe Sekunde verringert, vielleicht sogar weniger. Auch das finde ich spannend. Ob diese Rennställe gleich effizient entwickeln können wie die drei Top-Teams, das ist eine andere Frage.

Glaubst du, der Abstand zwischen Ferrari und Mercedes wird sich zu Australien hin verringern?

Es gibt keinen Grund, davon auszugehen. Aber wie gesagt: Testfahrten sind Testfahrten. Ich bin auf alles vorbereitet. Wir könnten nach Melbourne reisen, und der Abstand ist noch grösser geworden. Wir könnten nach Melbourne reisen, und wir sind näher dran. Ich weiss es wirklich nicht. Und weil wir nicht drauf zählen können, in Australien auf einmal in der Nähe von Ferrari zu sein, arbeiten wir unablässig.

Wo siehst du dich selber?

Ich strebe danach, mich ständig zu verbessern. Ich lerne jedes Jahr Menschen kennen, die Grosses vollbringen. Das ist für mich eine Quelle der Inspiration. So lange ich Luft in meinen Lungen habe, will ich mich verbessern. Was die Saison angeht: Ich stehe am Fuss eines Berges. Alles ist auf null gestellt. Ich weiss genau: Unsere Titel zählen nichts, wenn es in die neue Saison geht. Und so gehe ich auch mit einem Hunger ins neue Jahr, als hätten wir noch nichts gewonnen.

Du hast einen kurzen Film von deinem Hund Roscoe aufs Netz gestellt, der fand die Pirelli-Reifen offensichtlich lustig. Wie ist es mit dir?

(Lacht.) Um genau zu sein, fand er sie zu hart, wie er merkte, als er hineinbeissen wollte! Hmm, ich habe nicht viel Gutes über die Reifen zu sagen, also sage ich gescheiter wenig. Ich weiss noch, wie wir einen Reifen für England und Frankreich erhielten mit einer dünneren Lauffläche. Den fand ich klasse. Den hätte ich so umgestaltet, dass wir ihn für die ganze Saison 2019 verwenden können, das wäre einfach gewesen. Leider wurde das nicht getan. Stattdessen haben wir all diese Mischungen von C1 bis C5, was ich verwirrender finde als die Farben zuvor. Aber wir werden uns auch an diese Reifen gewöhnen. Es liegt an mir, das Beste aus den Reifen zu holen.

Das ist nun das zweite Jahr in Folge, dass Ferrari beim Wintertest einen besseren Eindruck macht als Mercedes. Müsst ihr für 2020 etwas umstellen?

Das steht nicht im Zentrum unserer Bestrebungen. Wir wollen nicht zum Beginn der Wintertests das beste Auto haben. Wir haben sehr schlaue Menschen bei uns, die gut abschätzen können, wie wir am besten vorzugehen haben. Grundsätzlich ist es so: Wenn du merkst, dass es wohl nichts wird mit dem Titel, dann kannst du mehr Ressourcen umpolen auf das nächstjährige Fahrzeug. Ferrari hat mit grosser Wahrscheinlichkeit früher mit dem 2019er Wagen begonnen als wir. Bei uns lief die Entwicklungsmaschine auf Volltouren, um den Titel 2018 erfolgreich zu verteidigen. Das haben wir geschafft.

Es ist nie leicht, die richtige Balance zu finden, zumal wir auch noch eine Reglementänderung hatten. Ich glaube, dass bei Ferrari mehr Fachkräfte arbeiten, (beginnt zu lachen) weil es auch nicht leicht ist, in Italien jemanden zu entlassen. Jedenfalls höre ich das. Aber es ist immer anders, Jäger zu sein oder Gejagter. Ferrari hatte Anfang 2018 ein starkes Auto, jetzt sind sie noch besser. Aber ich bin weder besorgt noch enttäuscht. Ich weiss, was bei uns alles aufgegleist ist. Auch die Saison 2019 ist ein Entwicklungsrennen. Da sind die drei Top-Teams ungefähr gleich gut, Ferrari, Red Bull Racing und wir. Gleichzeitig: Wenn du um drei Fuss voraus bist, dann ist es leichter, den Vorsprung von einem Fuss zu behalten.

Geht bei euch die Furcht um, dass der Silberpfeil einen Konzeptwechsel braucht, um Ferrari einzuholen?

Das spüre ich im Team nicht. Klar gibt es immer Fragezeichen darüber, wer das beste Konzept entworfen hat. Wir haben uns für einen bestimmten Weg entschieden, Ferrari für einen anderen, und ich bin sicher, die Techniker aller Rennställe gucken sich sehr aufmerksam an, was die Gegner so machen. Die Zeit wird zeigen, welches Konzept das bessere ist. Wir haben das Potenzial des neuen Silberpfeils noch nicht ausgeschöpft.

Als du erstmals Weltmeister geworden bist, haben 8,9 Millionen Menschen in Grossbritannien den Fernseher angeschaltet. Beim letzten Titel waren es noch 1,9 Millionen. Das liegt vorwiegend daran, dass die Formel 1 nicht mehr im freien Fernsehen zu geniessen ist. Was denkst du darüber?

Diese Zahlen kannte ich nicht, sie klingen schrecklich. Wenn die Fans Formel 1 nicht im freien Fernsehen sehen können, ist das einfach nicht cool. Ich bin so aufgewachsen, dass wir zuhause BBC eingeschaltet haben, und dann kam Formel 1. Das war genial. Ich verstehe die ganze Pay-TV-Situation nicht. Ich bin nicht der richtige Mensch, um hier eine Lösung zu finden, aber ich weiss: Die Leute haben ihre Rechnungen zu zahlen am Ende des Monats, dann kommt Pay-TV dazu, und obendrauf wird noch die Fernmeldegebühr gepackt, das ist einfach lächerlich. Ich glaube auch nicht, dass sich an den Einschaltquoten etwas ändern wird, weil wir in wirtschaftlich schwierigen Zeiten leben. Ich finde es jammerschade, dass nicht mehr Menschen Formel 1 gucken können. Die Fans machen diesen Sport zu etwas Grossem. Ich versuche, ihnen etwas zu geben, wenn ich sie treffe, aber die grossen Weichen kann ich nicht stellen.

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