Riccardo Patrese exklusiv: «Das ist doch verrückt!»

Von Mathias Brunner
Im Fahrerlager des Autodromo Enzo e Dino Ferrari treffen wir den sechsfachen GP-Sieger Ricciardo Patrese. Der inzwischen 68-jährige Italiener spricht über die moderne Formel 1 und die Chancen von Ferrari.

Ich kann mich gut an eine Aussage des 256-fachen GP-Teilnehmers Riccardo Patrese erinnern. Es war 1983 beim Grossen Preis von San Marino in Imola. Patrese hatte sich im Brabham an den führenden Ferrari von Patrick Tambay herangepirscht und überholt den Franzosen in der 55. von 60 Runden. Dann aber rutschte er in der Variante Alte von der Bahn. Die Fans tobten vor Freude, denn nun lag wieder ein Ferrari vorne. Tambay gewann.

Patrese sagte nachher: «Als Italiener bist du im eigenen Land nichts wert, wenn du nicht in einem Ferrari sitzt.»

Ricciardo rächte sich 1990 und gewann in Imola im Williams.

Heute spaziert Riccardo mit seinem Sohn Lorenzo durchs Fahrerlager des Autodromo Enzo e Dino Ferrari. Wir treffen den WM-Zweiten von 1992 auf einen Schwatz.

Riccardo, wie siehst du die moderne Formel 1?

Ich mag diese neue Formel 1, die Autos gefallen mir. Natürlich ist das etwas komplett Anderes als die Königsklasse zu meiner Zeit. Aber die Welt entwickelt sich weiter, und die Formel 1 ebenso. Die Formel 1 sollte eine glamouröse Show sein, und das ist sie zweifellos.

Ein grosses Thema in diesem Jahr ist dieses Hüpfen der Autos, das Bouncing oder Porpoising. Kennst du das noch von früher?

Ja, das hatten wir damals auch. Unsere Wagen lagen ebenfalls sehr tief, und die Autos haben die ganze Zeit aufgesetzt, das war schon sehr unangenehm, wie es deinen Kopf durchgeschüttelt hat. Aber den Technikern war das einerlei, Hauptsache, der Wagen war schnell. Und auf für uns Piloten galt: Speed kommt vor Komfort. Wie sich heute zeigt, hat sich daran nichts geändert.

Wie siehst du Ferrari in diesem Jahr? Kann dieses hohe Niveau über die ganze Saison gehalten werden, um endlich wieder einen WM-Titel zu erringen?

Ja, das halte ich für möglich. Die ersten Rennen sind sehr vielversprechend verlaufen. Red Bull Racing hat Probleme mit der Standfestigkeit, sonst wäre Ferrari mehr gefordert. Der erste Herausforderer ist Max Verstappen.

Weisst du, in der Vergangenheit war alles anders – wir konnten entwickeln auf Teufel komm raus. Theoretisch konntest du während der Saison ein komplett neues Auto bauen. Das ist beim heutigen Reglement und ganz besonders vor dem Hintergrund der Kostenobergrenze nicht mehr möglich. Früher hatten wir Teams, die kamen in den ersten drei Rennen unter Ferner liefen ins Ziel, und im Sommer haben sie Rennen gewonnen.

Heute ist das kaum mehr möglich. Wenn du mit einem guten Auto in die Saison gehen kannst, dann hast du einen Vorteil. Umgekehrt gilt auch: Wenn du mit deinem Auto Probleme hast, ist es doppelt schwierig, Boden gutzumachen. Selbst wenn du gute Ideen hättest, wie der Wagen schneller gemacht werden kann, so bist du begrenzt, was du alles ans Fahrzeug bringen kannst.

Du gibst mir ein schönes Stichwort. Reden wir von Mercedes. Hat es dich überrascht, wie schwer sich die Silbernen tun?

Ja, sehr. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass sie beim Schritt zu dieser neuen Rennwagen-Generation solche Schwierigkeiten haben würden. Ich bin gespannt darauf, ob sie die offensichtlichen Probleme mit dem Wagen in den Griff bekommen. Eines weiss ich – an Lewis Hamilton und George Russell liegt es nicht.

Wir fahren heute einen Sprint: Gefällt dir dieses Format?

Ich bin da ein wenig gespalten, einerseits erhalten die Fans ein Rennen mehr serviert, andererseits ist das ein wenig künstlich. Die Fahrer müssen auch aufpassen: Der Sprint definiert ja die Aufstellung für den Grand Prix, also reicht ein Patzer, und du bist für den WM-Lauf weg vom Fenster. Das hat dazu geführt, dass sich einige Piloten im Sprint doch eher zurückhalten. 2022 werden im Sprint mehr Punkte geboten, vielleicht ändert das etwas.

Reden wir über den WM-Kalender. Formel-1-CEO Stefano Domenicali will das Programm mittelfristig auf 25 Rennen ausbauen, sogar von 30 Grands Prix pro Jahr ist die Rede. Ist das der richtige Weg?

Das kann ich kaum einschätzen. Zu meiner Zeit hatten wir 16 Rennen im Jahr, mir hat das damals vollauf gereicht. Nun könnten es eines Tages doppelt so viele sein – das ist einfach verrückt. Wenn ich heute ein Fahrer wäre, dann wäre mir das wohl zu viel.

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