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Nelson Piquet: 1983 mit BMW erster Turbo-Weltmeister

Von Uwe Mahla
​Ist das alles wirklich schon vierzig Jahr her? Ein Ass hinter dem Lenkrad, ein fast perfektes Rennauto, ein bärenstarker Motor, dazu Supersprit – Nelson Piquet wurde 1983 zum ersten Turbo-Weltmeister in der Königsklasse

Es waren die dramatischsten Minuten meiner Laufbahn als BMW-Motorsport-Pressesprecher. Zur Untätigkeit verdammt stand ich zwischen den Brabham-Mechanikern in der Box und erlebte mit, wie Nelson Piquets Mitfavoriten um den Titel nacheinander ausfielen – und wie ihn selbst plötzlich dasselbe Schicksal heimzusuchen schien.

Eigentlich war schon alles klar: Man schrieb den 15. Oktober 1983, Ortszeit Kyalami (Südafrika) 15.00 Uhr. Finallauf zur Formel-1-Weltmeisterschaft.

Als Titelkandidaten kamen noch in Frage – Alain Prost mit Renault, René Arnoux mit Ferrari, Nelson Piquet mit Brabham-BMW. Es würde erstmals in der damals 33-jährigen Geschichte des Grand-Prix-Sports einen Turbo-Weltmeister geben.

Während Renault bereits seit dem britischen Grand Prix 1977 mit dem aufgeladenen Motor fuhr und Ferrari seit der Saison 1981, war der BMW-Motor der Youngster unter den Favoriten-Motoren.

Dazu handelte es sich, anders als bei den zwei Konkurrenten mit sechs Zylindern, um einen Vierzylinder; als dessen Kernstück wurde der Motorblock gern als ein schon gebrauchter, quasi «gut abgehangener» hergenommen.

Prost war mit 57 Punkten und damit einem leichten Vorteil vor Piquet (55) nach Südafrika angereist. Arnoux hätte selbst bei einem Ausfall Prosts gewinnen müssen, um Weltmeister zu werden.

Für Dramatik ist also gesorgt, als die Meute in die sengende Hitze von Kyalami hetzt.

Nach wenigen Runden ergibt sich ein vermeintlich klares Bild: Piquet fährt, als wäre es das Natürlichste von der Welt, allen anderen und vor allem seinen Kontrahenten auf und davon.

Keiner hat gegen den perfekt eingestimmten Brasilianer, seinen glänzend ausbalancierten Brabham und den ebenso prächtig marschierenden wie tönenden Vierzylinder auch nur die Spur einer Chance. Der einzige, der ihm, allerdings mit ständig sich vergrößerndem Respektabstand, folgen kann, ist sein Teamkollege Riccardo Patrese.

In Runde 9 stellt Arnoux seinen Ferrari mit Motorschaden ab, in Runde 35 rollt Prost mit seinem Renault mit technischem Defekt an der Box aus.

Eigentlich ist da, wie eingangs angedeutet, schon alles klar. Piquet fährt derart souverän vornweg, dass zunächst gar nicht auffällt, wie ungesund der BMW-Motor plötzlich klingt. Und dass seine Zeiten dramatisch langsamer werden.

Mit dem Verlauf des Rennens wundert man sich, dass die führende Startnummer 5 trotz furchterregend schepperndem Auspuff doch Runde für Runde wieder bei Start und Ziel vorbei kommt.

Piquet am Ende? Aus der Traum? In so aussichtsreicher Position alles dahin?

Doch dann stabilisieren sich die Zeiten des cleveren Brasilianers wieder. Er lässt in aller Seelenruhe erst seinen Teamkollegen, dann auch noch Andrea de Cesaris im Alfa Romeo überholen und fährt mit größter Selbstverständlichkeit sein Rennen auf Platz 3 zu Ende.

Mit bis zum Anschlag zurückgedrehtem «Dampfrad» (zur Einstellung des Ladedrucks) und im Wissen, dass ihm diese Platzierung den so mühsam erarbeiteten Erfolg, die Weltmeisterschaft, die erste Turbo-Weltmeisterschaft bescheren würde.

Hart erarbeiteter Erfolg

Warum der Erfolg so hart erarbeitet war, ruft dieses Stenogramm noch einmal in Erinnerung: Paul Rosche, genialer Rennmotoren-Papst von BMW, hatte schon seit Beginn der 1970er Jahre mit dem Zweiliter-Formel-2-Motor ein ganz heißes Eisen im Feuer, das es auf sechs EM-Titel brachte.

Das von dem serienmäßigen BMW-Vierzylindermotor abgeleitete Kraftpaket bildete auch die Basis für den ersten aufgeladenen 1,4 Liter-Werks BMW 320, mit dem der Österreicher Markus Höttinger in der Deutschen Rennsportmeisterschaft für Aufsehen sorgte.

Leise, sehr leise wurde in den Werkstätten der BMW Motorsport GmbH über unseren potenziellen Formel-1-Motor gemurmelt, bis es schließlich hieß, wer dieses Thema auch nur ansatzweise weiter verfolge, flöge stante pede raus.

Während Weichen gestellt wurden, dass Jochen Neerpasch, der damalige BMW-Rennchef, mit dem halbwegs entwickelten Motor zu Talbot wechseln könnte, bogen Rosche und Dieter Stappert, Neerpaschs Nachfolger, die Sache so weit um, dass der Motor zunächst erst einmal bei BMW blieb. Unendlich viele, lange und zähe Besprechungen führten dann schließlich doch noch dazu, das Unterfangen Formel-1-Motor von BMW anzugehen.

Die vielen hundert Prüfstandstunden, die hoffnungsvollen ersten brauchbaren Testergebnisse, die herben Rückschläge und die schwierigen Rennen, die nun folgten, würden ein eigenes Buch füllen. Was bleibt, ist dies: Erster Start am 23. Januar 1982 in Südafrika, erster Sieg am 23. Juni 1982 in Kanada, am 15. Oktober 1983 erneut in Südafrika dann Formel-1-Weltmeister.

Gerade mal 630 Tage hatte der kleine BMW-Motor vom Einsteiger zum Weltmeistermacher gebraucht!

Der Weg zum Titel

Wenn wir Nelson Piquets Weg und den des BMW-Motors zur Weltmeisterschaft 1983 analysieren, dann liest sich das so: Sieg in Brasilien, Ausfall in Long Beach, Zweiter in Le Castellet, Ausfall in Imola, Zweiter in Frankreich, Monte Carlo und England, Vierter in Belgien und Detroit, Ausfall in Montreal, Hockenheim und Zandvoort, Dritter in Österreich, danach zwei überlegene Siege in Monza und Brands Hatch sowie der beschriebene dritte Platz in Kyalami.

Von der Tragik einzelner Ausfallursachen des Brabham-BMW-Piloten wie einem verstopften Lufteinlass, einer klemmenden Drosselklappe, einem gerissenen Gaszug oder einem Rempler von Alain Prost einmal abgesehen, lässt sich festhalten: Bis spät in die Saison lagen die Titelaspiranten Arnoux (Ferrari), Prost (Renault) und Piquet auf höchstem Niveau nahezu gleichauf. Die drei Stars, Rennautos und Motoren erwiesen sich als weitgehend ebenbürtig.

Von Zandvoort an war aber nicht mehr zu übersehen, dass Nelson den anderen Protagonisten ein wenig davonzog. In den holländischen Dünen konnte er seine Überlegenheit trotz Pole-Position zwar noch nicht ausspielen, weil – wie angedeutet – Prost sein Heil darin sah, den Widersacher abzuschießen. Doch dann: unangefochtene Siege in Italien und England, Titelgewinn für Piquet und Sieg für Patrese in Südafrika.

Was war geschehen?

Paul Rosche erinnerte sich: «Unser Problem war das so genannte Hochgeschwindigkeitsklingeln. Wie Ferrari und Renault waren wir uns darüber klar geworden, dass wir da über den Treibstoff irgendwie noch zusätzliche Leistung gewinnen könnten. Wie sie haben wir zunächst mit Wassereinspritzung experimentiert, sind dort aber schnell an die Grenzen geraten.»

Die Gedankenkette lautete: Kein Hochgeschwindigkeitsklingeln gleich höherer Ladedruck gleich höhere Leistung. Also machten sich die BMW-Techniker auf die Suche nach einem Kraftstoff, der die vom Reglement vorgegebene Oktan-Obergrenze möglichst nur ganz knapp, aber sicher unterschritt.

Es gelang ihnen gemeinsam mit Spezialisten auf diesem Gebiet genau solchen, übrigens bleifreien, Treibstoff zu designen. Die offizielle Untersuchung des Sprits nach einem förmlichen Protest bestätigte zweifelsfrei, dass man bei BMW die Grenze sehr genau ertastet und eingehalten hatte.

Die ingeniöse Meisterleistung, mit der sie die Möglichkeiten des Reglements beim Treibstoff ebenso kompromisslos ausgelotet hatten wie ihre Kollegen auf den Sektoren Fahrwerks- und Motorentechnik wurden zum letzten Steinchen im Mosaik der ersten Turboweltmeisterschaft der Formel 1.

Der bayerische Vierzylinder kam von 1982 bis 1987 insgesamt bei 91 Grands Prix zum Einsatz, neben Brabham bei Arrows, ATS und Benetton. 15 Pole-Positions und neun Siege stehen zu Buche – der erste beim GP Kanada 1982 (Piquet), der letzte beim GP Mexico 1986 (Berger), ehe Ralf Schumacher in Imola 2001 im Williams-BMW an die alten Erfolge anknüpfte und den ersten Sieg einer neuen BMW Formel-1-Ära markierte.

Aber das ist wieder eine andere Geschichte.


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