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Rennen in Israel: Abenteuer in einem wunderbaren Land

Kolumne von Rainer Braun
In der Küstenstadt Ashkelon fand am 22. November 1970 das erste und einzige Autorennen Israels statt. Aus aktuellem Anlass gibt es hier einen Rückblick auf das einmalige und unvergessliche Ereignis.

Diese Geschichte schreibe ich heute aus aktuellem Anlass, weil sie mir angesichts der von Raketenangriffen betroffenen Küstenstadt Ashkelon spontan eingefallen ist.

Wir Formel-V-Piloten müssen damals vor 53 Jahren alle ganz schön mutig und zugleich auch ziemlich unbedarft gewesen sein, als wir ohne jede Angst die Einladung des VW Importeurs «Champion Motors» in Tel Aviv zum ersten Autorennen Israels in Ashkelon angenommen haben. Immerhin war der brodelnde Gazastreifen in der Nähe und der Sechs-Tage-Krieg von 1967 zwischen Israel, Syrien und Ägypten erst drei Jahre vorbei.

Geimpft gegen Pocken und Cholera reisten die meisten Teilnehmer am 17. November 1970 frohgemut und in Vorfreude auf das Renn-Abenteuer an. Die einen mit dem Flieger nach Tel Aviv, andere zogen die Schiffspassage nach Haifa vor, zumal auch die Transporter mit den Rennwagen der Formel V und Formel 2 im Bauch des Dampfers ab Genua die Passage übers Mittelmeer antraten.

Nach Ashkelon brauchte man ab Flughafen Tel Aviv mit dem Mietauto eine gute Stunde. Die Formel-V-Clique wurde komplett im «Hotel Schechter» in Ashkelon einquartiert. Die Lage des Hotels war ideal, fußläufig konnte man in ein paar Minuten sowohl die Rennstrecke als auch den traumhaft schönen Mittelmeer-Strand erreichen.

Um ehrlich zu sein, wir alle haben die Tage dort unbeschwert und ohne jede Angst genossen. Manchmal konnte man sogar den Eindruck gewinnen, dass der «Große Preis von Israel» für die Teilnehmer weniger wichtig schien als in den Tagen davor grüppchenweise Land und Leute zu erkunden. So haben die Formel-V-Buben Harald Ertl und Helmut Bross samt FV-Chef Anton Konrad, AvD-Sportpräsident Huschke von Hanstein und mir eine Reise in die Negev-Wüste nach Beer Sheva unternommen – inklusive Kamelreiten und Besichtigung von Beduinen-Behausungen.

Auch die Klagemauer in Jerusalem stand auf dem Erkundungs-Programm. Kollege Ertl, so wurde kolportiert, soll an diesem heiligen Ort Kraft und Weisheit für einen Sieg im Formel-V-Rennen erbeten haben (hat aber leider nicht so ganz geklappt).

Gefahren wurde schließlich auch, allerdings mit einigen Irrungen und Wirrungen und nicht so, wie man das üblicherweise gewohnt war. Der Veranstalter, bestehend aus der gerade neugegründeten «Israel Racing Association» (IRA) in Tel Aviv und den beiden erfahrenen deutschen AvD-Ortsclubs HMSC und WAC aus Wiesbaden, war wirklich nicht zu beneiden. Zum einen befanden sich Rennstrecke und Fahrerlager in wirklich desolatem Zustand.

Und dann wollten religiöse Extremisten auch noch die Durchführung des Rennens wegen «Sabbat-Schändung» verhindern. Um die angekündigte Protest- und Sabotage-Aktionen abzuwenden und das Rennen zu retten, einigte man sich auf eine teuer erkaufte Lösung. Mit umgerechnet einer Viertelmillion D-Mark und der Verlegung des Rennens von Samstag auf Sonntag wurden die religiösen Fanatiker ruhiggestellt.

Obwohl der Sonntag in Israel bereits wieder der erste Arbeitstag der neuen Woche ist, kamen so viele Zuschauer, dass sogar die Polizei Mühe hatte, die begeisterte Menge in Schach zu halten. Auf engstem Raum drängten sich über 20.000 Fans. Schließlich hatten die Israelis noch nie ein Autorennen live im eigenen Land gesehen und waren sich somit auch nicht der Gefahren bewusst. Absperrungen wurden vor Neugier und Begeisterung überrannt, Zuschauer lagerten direkt am Rande der Strecke, mitgebrachte Hunde sorgten zusätzlich für Probleme.

Mehrfach musste der Start des Formel-V-Rennens verschoben und dann aus Sicherheitsgründen vorzeitig nach 15 von 20 Runden abgebrochen werden. Und auch das geplante Formel-2-Rennen mit Stars wie Derek Bell, Patrick Depailler und den Brambilla-Brüdern fiel der Unvernunft der Zuschauer zum Opfer – es waren lediglich ein paar Demo-Runden in gemäßigtem Gänsemarsch zu verantworten.

Das vorzeitige Ende war auch deshalb unvermeidlich, weil noch während des chaotischen Formel-V-Rennens bei Rennleiter Gerd Kroeber der örtliche Polizeichef erschien und die Abbruch-Verfügung überreichte. Kroeber sagte mir damals: «Uns blieb gar keine andere Wahl als abzubrechen, weil auch der Versicherungsschutz mit sofortiger Wirkung entzogen wurde.»

Es grenzte schon an ein Wunder, dass es keine ernsthaft verletzten Zuschauer oder Fahrer gab. Vor allem das Formel-V-Rennen (Sieger Roos/SWE vor Koinigg/AUT und Bross/GER) hatte es in sich. So verfehlte Harald Ertl bei einem Dreher die Schuhspitzen der direkt an der Piste sitzenden Zuschauer nur um Zentimeter. Sieger Bertil Roos rapportierte, dass er sich mehr auf umherspringende Menschen und Hunde als auf die Strecke konzentrieren musste. Helmut Koinigg fuhr einer Fangruppe über die Schuhspitzen und Manfred Jantke überschlug sich gar, als er einem Hund ausweichen musste. Als Krönung kam dann auch noch dem rennenden Formel-V-Feld erst ein Polizei-Jeep und gleich danach ein Feuerwehrauto entgegen.

Immerhin waren sich alle bei der Abreise einig, ein großes Abenteuer und ein wunderbares Land erlebt zu haben. Zweifel kamen unter Fahrern und Journalisten allerdings darüber auf, ob ein mutiger Plan der IRA jemals Realität werden würde. Zum 25-jährigen Bestehen des Staates Israel im Jahr 1973 wollte ein Zusammenschluss wohlhabender Geschäftsleute und Unternehmen einen Formel-1-WM-Lauf ins Land holen, der an gleicher Stelle stattfinden sollte. Man durfte berechtigte Zweifel an der Umsetzung der Idee haben.

Drei Jahre später feierte Israel sein Staats-Jubiläum wie erwartet ohne ein Formel-1-Rennen. Und auch eine Wiederholung der Darbietungen von Ashkelon fand nie mehr statt. So blieb es beim ersten, bis heute einzigen Autorennen im Heiligen Land.

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