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Paul Rosche: Erinnerungen an «Nocken-Paule»

Von Uwe Mahla
​An diesem 1. April 2024 wäre der geradezu legendäre BMW-Rennmotorenpapst Paul Rosche 90 Jahre alt geworden. Aber 2016 hat das BMW-Urgestein für immer seine Augen geschlossen.

Paul Rosche kannte ich seit 1970. Ich ging gerade meine ersten zaghaften Schritte als freier Motorsport-Journalist, und da kannte man natürlich den schon damals großen Paul Rosche.

Persönlich kennengelernt habe ich ihn erst viel später, so um den Sommer 1977, als er sich um die Motoren der BMW-Junioren Eddie Cheever, Marc Surer und Manfred Winkelhock kümmerte. Ich denke, mein großes Vorbild Kalli Hufstadt stellte mich ihm vor. Da konnte noch keiner von uns Dreien wissen, dass wir jeweils eine sehr spezielle Beziehung zueinander bekommen sollten.

Ich würde ein paar Jahre später Kallis Nachfolger als Motorsport-Pressesprecher von BMW werden, und ein paar klasse Jahre mit Rosche um den Globus tingeln, um unser Formel-1-Engagement ins rechte Licht zu rücken.

Aus jener Zeit ist mir Vieles erinnerlich, aber einer von Rosches göttlichen Sprüchen besonders. Das war in Detroit, ich glaube 1982, und Rosche sagte: «Gehns, Mahla, schaugns amoil, wo’s da an gscheiden Biergarten gibt.»

Der Mann hat in seinem ganzen langen Leben nicht ein einziges ernst zu nehmendes Rennen gefahren, geschweige denn gewonnen. Aber er hat Motorsportgeschichte geschrieben wie nur ganz wenige seiner Zeitgenossen.

Geschichtchen und Geschichten ranken sich um seine erfolgreiche Laufbahn als begnadeter, aber auch unendlich fleißiger Motorenkonstrukteur.

Paul Rosche: Langjähriger technischer Geschäftsführer und gemeinsam mit Jochen Neerpasch 1972 Gründervater der BMW Motorsport GmbH, einer der Väter des BMW Motorsports, Motoren-Papst oder «Nocken-Paule» – je nachdem, aus welcher Perspektive man den kosmopolitischen Bilderbuch-Bayern betrachtet.

Paul Rosche ist am 15. November 2016 gestorben – an diesem 1. April 2024 wäre er 90 Jahre alt geworden.

Meilensteine des weiß-blauen Motorsports wären ohne das Mitwirken, ohne das unbeirrbare Anschieben Paul Rosches und ohne seinen ingenieusen Konstrukteursgeist kaum machbar gewesen: Seit den ersten BMW Erfolgen in der Formel 2 Ende der 1960er Jahre war er dabei.

Zu den Highlights seines Schaffens gehörte die glorreiche Tourenwagenzeit, die sich durch den BMW Motorsport zieht wie ein roter Faden. Dann fünf Formel-2-Europameistertitel für Fahrer mit Rosches sagenhaftem Vierzylinder.

Der absolute Höhepunkt aber war der Gewinn der Formel-1-Weltmeisterschaft 1983 durch Nelson Piquet im Brabham mit dem aufgeladenen BMW-Vierzylinder, der es im Lauf der Jahre auf bis zu 1400 PS brachte.

Fast unvorstellbar: BMW hatte dank Rosches Zielstrebigkeit und Stehvermögen den ersten Turbo-Weltmeister der Grand Prix-Geschichte beflügelt. Ein Ereignis, das dem Image der Marke als besonders innovativ, erfolgreich, sportlich, aber auch mutig unauslöschlich anhaften wird.

Weitere Meisterleistungen Rosches: Die Procar-Serie, in der sich arrivierte Formel 1-Stars wie Niki Lauda, Alan Jones, Didier Pironi oder Clay Regazzoni und Tourenwagen-Spezialisten wie Hans Heyer, Hans-Joachim Stuck oder Dieter Quester in identischen BMW M1 mit dem von ihm entwickelten Reihensechszylinder-Rennmotor auf spektakuläre und begeisternde Weise das Rennfahrerleben schwermachten.

Oder der BMW M3, der nicht zuletzt durch Rosches PS-Zauberei zum erfolgreichsten Tourenwagen aller Zeiten avancierte.

Oder, vielleicht neben dem Formel-1-Turbo Rosches Lieblingsprojekt, der Zwölfzylindermotor, mit dem er gemeinsam mit seinem kongenialen Freund Gordon Murray (dem Konstrukteur des Weltmeister-Brabham) den Supersportwagen McLaren F1 auf die ultrabreiten Räder stellte.

Solch ein McLaren gewann 1995 im wichtigsten Langstreckenrennen der Welt, den 24 Stunden von Le Mans.

Und vier Jahre später, 1999, schaffte der von Rosche immer weiter verfeinerte V12 im eigens für diesen Zweck konstruierten BMW V12 LMR einen Jahrtausenderfolg: Gesamtsieg eines lupenreinen BMW bei den 24 Stunden von Le Mans! Was für ein perfekter Ausstand für Rosche!

Über die Jahre war Rosche zum Meister des Organisierens mit penibler Sorgfalt, des Motivierens mit den Mitteln der Menschlichkeit, des Konstruierens nach allen Regeln der Kunst und des pfiffigen Taktierens geworden. Und dennoch hat ihn immer am meisten die Technik interessiert.

Seine Motoren mussten schneller und zuverlässiger sein als die der Konkurrenz – darin sah es seine Aufgabe, und der hatte er sich mit Haut und Haar verschrieben.

Gordon Murray ließ bei Rosches Trauerfeier diese Worte verlesen, wegen deren feinsinniger, liebenswerter englischer Wortwahl sich eine Übersetzung verbietet.

«Paul was a good friend, a gentleman and a genius. I am privileged to have known Paul and to have worked with him on so many successful projects. Paul always attracted deep respect from everyone that he came into contact with, His legacy of innovation and his work at BMW is and always will be an important piece of automotive history, but much more importantly we will remember Paul for his humour and his friendship.»

Dass er auf diesem Wege verlässliche Mitstreiter wie Murray brauchte, war Paul Rosche früh klar, und so webte er sich ein Netzwerk von Leuten, die ihm den Freiraum schufen: Manager, Techniker, Mechaniker, Helfer, Rennverrückte wie er selbst und natürlich Fahrer.

Fast alle Rennfahrer, die in seiner langen Zeit Rang und Namen hatten, sind für ihn gefahren. Vielen von ihnen hat er echte Freundschaft entgegengebracht. Wobei bemerkt sein muss, dass Rosche in jedem Rennfahrer erst einmal jemanden sah, der seine wunderbaren Motoren kaputt zu machen trachtete.

Wenn sie aber diese Attitüde einmal abgelegt hatten, stand der Freundschaft nicht mehr im Wege. Ob es nun ein Jo Siffert, ein Hubert Hahne, ein Dieter Quester, ein «Strietzel» Stuck, Manfred oder «Jockel» Winkelhock war oder ein Gerhard Berger oder Nelson Piquet – so eine echte Männerfreundschaft ist halt eine erstklassige Basis für den gemeinsamen Erfolg.

Unkonventionell waren dabei bisweilen Rosches Methoden zur Mittelbeschaffung.

In Tagen, da der Motorsport bei der Unternehmensleitung – nun, sagen wir – unpopulär war, ging das auch mit der Streichung der Finanzen für den «teuren Spaß» einher. Wenn dann wieder ein Auslandseinsatz anstand, passierte es schon mal, dass Rosche vor der Abfahrt noch kurz bei seiner Bank vorbeifuhr und namhafte Beträge abhob. Frau Rosche soll dann ziemlich schmale Lippen bekommen haben beim Betrachten der Kontoauszüge.

Ein anderes Mal, 1971, als Dieter Quester im Training seinen Formel 2 in die Leitplanken warf und in der Folge auch beide linken Räder samt Aufhängung verlor, wurde Ersatz beim Boxen-Nachbarn Frank Williams ausgeliehen. Leihgebühr: ein BMW-Feuerzeug aus Rosches Werbemittelfundus.

Nennen wir es Sturheit, nennen wir es Unbeirrbarkeit – Rosches Wille, seine einmal gesteckten Ziele zu erreichen, war Zeit seines Schaffens eines seiner herausragenden Wesensmerkmale.

Und auch der Höhepunkt seines Schaffens, die Durchsetzung und schließlich der Erfolg des Formel-1-Engagements in den 1980er Jahren, fußt letztlich auf Rosches «nachhaltigem» (wie man heute sagt) Bemühen.

Gemeinsam mit dem damaligen Rennleiter Dieter Stappert konnte er den Vorstand gegen einen früheren Beschluss, den Formel-1-Motor aufzugeben und zu verkaufen, davon überzeugen, dass das Abenteuer Grand-Prix-Sport sich für BMW auszahlen würde.

Als es dann so weit war, musste Rosche bald sein Gewicht noch mal in die Waagschale werfen, um das Projekt zu sichern: Beim GP USA in Detroit 1982 hatte sich Piquet im Zuge unglücklicher Umstände nicht qualifizieren können. Brabham-Teamchef Bernie Ecclestone weigerte sich darauf hin, Piquet eine Woche später in Montreal mit dem BMW-Motor starten zu lassen.

Rosche (und wiederum Stappert) zogen alle taktischen Register und setzten sich durch. Piquet fuhr im Rennen den BMW-Motor – und gewann!

Von allen vielleicht der wichtigste Sieg in Rosches Berufsleben.

Und unvergesslich mit dem Ingenieur und dem Menschen Paul Rosche verbunden.

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