Federico Gastaldi (Lotus): Ein Leben für die Formel 1

Von Agnes Carlier
Vor rund einem Monat rückte Federico Gastaldi dank der Beförderung zum stellvertretenden Teamchef von Lotus ins Scheinwerferlicht. Hinter den Kulissen ist der 56-Jährige aber schon seit Jahrzehnten in der Formel 1 tätig.

Dass Federico Gastaldi sein Leben der Formel 1 widmen würde, hätte er vor seiner aussergewöhnlichen Karriere in der Königsklasse nicht gedacht. Denn der 56-Jährige aus Buenos Aires hatte ganz andere Pläne, wie er auf Nachfrage von SPEEDWEEK.COM erklärt: «Ich wollte Musiker werden, und Gitarre und Saxophon spielen.»

Doch daraus wurde nichts, und das merkte Gastaldi schnell. Im zarten Alter von 17 Jahren arbeitete der Sohn einer zehnköpfigen Familie schon für Alessandro Benetton, dessen Familie in Argentinien eine reihe von Textilfabriken unterhielt. Gastaldi erinnert sich: «Die Benetton-Familie arbeitete sehr hart. Das sind ganz normale Leute, die ihren Traum durch harte Arbeit verwirklicht haben. Wir trafen uns, weil sie wie meine Familie auch aus dem Norden von Italien stammen – und da sie Angehörige in Argentinien hatten, ergab sich der Kontakt von alleine.»

Gastaldi erklärt lachend: «Damals verpackte ich T-Shirts und Sweatshirts in Kisten und half beim Verladen der Ware. Wie viel ich dabei verdiente, weiss ich nicht mehr. Viel war es aber nicht, denn ich war ja erst 17 Jahre jung...»

Der Sprung in die Formel 1 folgte in den späten 80er-Jahren, als Benetton mit Toleman in der Königsklasse Fuss fasste. «Ich verliess später Argentinien, um in den Staaten zu studieren. Nebenbei arbeitete ich wieder für die Benetton-Familie. Und auch dabei verdiente ich einen normalen Stundenlohn. Es ging aber auch nicht in erster Linie ums Geld. Für mich war es ein Privileg zu lernen, wie man erwachsen wird und arbeitet.»

Neben der Benetton-Familie spielte auch Bernie Ecclestone eine wichtige Rolle in Gastaldis Leben. An sein erstes Treffen mit dem Formel-1-Oberhaupt kann sich Gastaldi noch gut erinnern: «Das war 1985 in Monte Carlo im Hotel de Paris. Ich war mit Luciano Benetton, einigen seiner Kinder und meinem Bruder Marcos dort. Von Marcos stammte übrigens die Idee, die Formel 1 nach Argentinien zurück zu bringen. Er überzeugte sogar mich davon, den Grand Prix auf der alten Rennstrecke wieder aufleben zu lassen. Und ich hatte damals weder Interesse an der Formel 1 noch an irgendwelche anderen Rennautos.»

Der Falklandkrieg vereitelte die ersten Pläne, und so kam es, dass die Rückkehr der Formel 1 in Argentinien bis 1995 auf sich warten liess. Mit ein Grund für die späte Realisierung des Comebacks waren die umfangreichen Bauarbeiten, die an der alten Strecke vorgenommen werden mussten. Unterdessen hatte Gastaldi fast alle der 25 Formel-1-Piloten Argentiniens kennen gelernt.

Im SPEEDWEEK.COM-Interview erinnert sich Gastaldi an die Anfänge seiner langen und eindrucksvollen Formel-1-Karriere zurück.

Federico Gastaldi, wie sah die GP-Organisation in den 80er-Jahren aus?

Wir lernten jeden Tag dazu. Das ganze Projekt war privat finanziert, denn der Präsident hatte uns direkt mitgeteilt, dass man kein Geld habe, um in dieses Projekt zu investieren. Man freute sich zwar, die Formel 1 nach Argentinien zu holen, aber das Geld fehlte. Wir mussten also alles selbst erledigen. FIA und FOCA kamen, um die Strecke zu inspizieren. Roland Bruynseraede kam auch. Wir mussten an der Strecke, am Fahrerlager und an den Zufahrtstrassen Renovationen vornehmen – und dabei mit einem Budget über 40 Millionen Dollar auskommen – und dabei auch die ganze Strecke neu asphaltieren, denn die alte Piste wurde nach dem letzten Rennen 1980 einfach sich selbst überlassen. 1982 hätte der GP Anfang März stattfinden sollen, doch aus politischen Gründen wurde er dann fünf Wochen vor der Austragung storniert.

War das Ihre schlimmste Erinnerung an den Argentinien-GP?

Ja, denn dazu mussten sämtliche Teams, Bernie Ecclestone und Allsport an einem Strang ziehen. Die politische Lage Argentiniens war damals sehr schwierig. Alles sprach dafür, den WM-Lauf zu verschieben. Die ganze Veranstaltung rutschte in die roten Zahlen. So kam es, dass schon 1998 alles vorbei war. Leider hatten wir den GP nur vier Jahre lang – aber ich bin froh, dass wir es geschafft haben.

Welches Projekt folgte danach?

Ich arbeitete weiterhin für die Benetton-Familie im Bereich Südamerika. Alessandro Benetton war der Erste, der sich mit dem Formel-1-Projekt befasste. Erst danach kamen Flavio Briatore und David Richards an Bord. Roco Benetton überwachte das Ganze. Er gehörte auch zu jener Gruppe von Leuten, die das Team schliesslich an Renault verkauften. Es war ein grossartiges Projekt. Wir hatten Alex Wurz und Giancarlo Fisichella als Stammpiloten und Laurent Redon als dritten Fahrer engagiert. Aber Luciano Benetton und seine Familie waren überzeugt, dass die Konkurrenzfähigkeit nicht mehr da war und hatten auch beschlossen, eine andere Marketing-Strategie zu wählen.

Und was kam nach dem Teamverkauf?

Ich unterstützte verschiedene Rennfahrer aus Argentinien. 2000 versuchte Ecclestone schliesslich, den GP nach Mexiko zu holen, und er fragte mich, ob ich ihm dabei helfen kann. Auch beim letztlich erfolglosen Versuch, die Formel 1 nach Miami zurück zu holen, war ich mit von der Partie. Doch die Bemühungen wurden durch den Hurrikan Katrina durchkreuzt.

Hilft die Tatsache, dass mit Pastor Maldonado ein Venezolaner in der Startaufstellung steht, beim Versuch in Venezuela ein GP-Comeback zu realisieren?

Maldonados Sponsor PDVSA ist eine wichtige Verbindung zu Argentinien. Es wäre fantastisch, die Formel 1 zu Gast im Land zu haben. Entsprechende Pläne existieren schon, aber ich bin da nicht involviert. Entscheiden muss das aber Bernie Ecclestone.

Welches sind denn die grössten Stärken von Pastor Maldonado?

Er ist erfahren, reif, seriös und mit Herzblut bei der Sache. Jeder kann sehen, dass er sein Cockpit verdient hat, und nicht nur aufgrund seiner Sponsoren in der Formel 1 ist.

Welches sind Ihre grössten Stärken?

Ich habe schon viel Formel-1-Erfahrung sammeln können.

Und wie steht's mit Ihren Schwächen?

Ich liebe die Formel 1 zu sehr. Deshalb bin ich hier. Ich fühle mich geehrt, dass Bernie Ecclestone mir seit den 80er-Jahren vertraut. Luciano Benetton brachte mich in die Formel 1, aber Ecclestone gab mir die Chance, mich dort zu etablieren.

Wo steht Lotus derzeit – welches sind die grössten Stärken des Teams?

Das Lotus-Team blickt auf eine fantastische Geschichte zurück. Da arbeiten grossartige Leute und die Atmosphäre ist super. Das Team aus Enstone hat zwar mehrmals den Namen gewechselt, aber es arbeiten immer noch die alten Leute da – die schon bei den WM-Titeln von Michael Schumacher und Fernando Alonso ihren Teil beigetragen haben. Alle 500 Angestellten des Lotus-Teams haben alle einen grossen Kampfgeist bewiesen. Jeder weiss, was er macht. Deshalb sehe ich mich in erster Linie als Teammitglied, und nicht als Teamleiter.

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