Toro Rosso: Verstappen & Sainz – Risiko belohnt?

Von Mathias Brunner
Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost mit Max Verstappen (links) und Carlos Sainz

Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost mit Max Verstappen (links) und Carlos Sainz

Exklusiv spricht Teamchef Franz Tost darüber, ob sich das Risiko mit den jungen Piloten Max Verstappen und Carlos Sainz gelohnt hat und ob Toro Rosso Rang 5 als Saisonziel noch erreichen kann.

Was war im Winter nicht alles geschrieben worden: zwei Rookies als Fahrer, das sei ein schlimmer Fehler von Toro Rosso, wie könnten ein 17-Jähriger (Max Verstappen) und ein 20-Jähriger (Carlos Sainz) mit null GP-Erfahrung ein Auto entwickeln? Und als Teamchef Franz Tost keck von Schlussrang 5 in der Markenwertung sprach, gingen die Augenbrauen erst recht hoch.

Heute spricht niemand mehr davon, ob der Niederländer und der Spanier ihren Platz im Formel-1-Startfeld verdienen: Verstappen hat seinen Ruf als Star der Zukunft gefestigt, und der Madrilene bietet ihm die Stirn. Der Toro-Rosso-Renner aus der Feder von James Key verblüfft immer wieder mit erstaunlichen Platzierungen, teilweise noch vor den Autos des grösseren Red-Bull-Teams, von Red Bull Racing.

Aber wo steht Toro Rosso wirklich? Wir haben Teamchef Franz Tost zum Exklusiv-Interview gebeten.

Franz, ihr habt vor der Saison den fünften WM-Schlussrang als Ziel angegeben. Das hielten damals einige so genannte Fachleute für mindestens mutig, eher vermessen – angesichts der Tatsache, dass ihr mit zwei Rookies in die Saison gestartet seid. Nun ist Toro Rosso gegenwärtig WM-Achter mit 19 Punkten. Force India hälte den fünften Rang mit 39 Punkten. Wie ist euer Ziel noch zu schaffen?

Es stehen noch zehn Rennen im Kalender. Der STR10 ist ein sehr gutes Chassis, unsere beiden Fahrer sind überaus talentiert, und das Team findet in der Arbeitsmethodik so langsam einen Formel-1-Standard. Mangelnde Zuverlässigkeit ist die Ursache unserer gegenwärtig schwachen Position. Wer bei neun Rennen acht Mal die Zielflagge nicht sieht, kann nicht unter den ersten Fünf in der Konstruktionsmeisterschaft liegen. Wir müssen diese Schwachstelle zusammen mit unserem Partner schnellstmöglich aussortieren. Gelingt uns das, besteht nach wie vor die Chance, unser Saisonziel zu erreichen.

Niemand im Formel-1-Fahrerlager bezweifelt die Qualitäten des Toro-Rosso-Chassis. Max Verstappen hat es sogar als das Zweitbeste im Feld hinter Mercedes bezeichnet. Wieso dann aber die Ausbeute von nur 19 Zählern aus neun Rennen?

Der Hauptgrund liegt in der mangelnden Zuverlässigkeit, aber auch Unfälle und Fehler des Teams hinderten uns, mehr Punkte zu sammeln.

Oft liegen die Toro-Rosso-Fahrer im Training auf verblüffenden Plätzen, aber im Rennen scheint dieser Speed nicht umzusetzen zu sein. Wie kommt das?

Da wir zwei Neulinge im Team haben, steht am Freitag ein umfangreiches Programm an, das heisst, unsere Fahrer drehen sehr viele Runden. Wir wollen, dass sie mit dem Kurs vertraut werden. Natürlich kann man nicht mit vollen Tanks rausfahren, dann wären die Reifen sofort verbraucht. In anderen Teams wird zumindest das erste Training nicht so wichtig genommen wie bei Toro Rosso. Wenn eine Fahrerpaarung bereits mehre Jahre Rennerfahrung hat, ist es nicht notwendig, im ersten Training auf der noch schlechten Piste viel zu fahren. Man wartet, bis die Strecke schneller wird. Zudem pushen unsere Fahrer von Anfang an. Durch all diese Umstände sehen wir freitags besser aus als wir sind.

Welche Rolle spielen dabei die Reifenmischungen und wie empfindlich ist der Wagen dabei auf Umgebungstemperaturen?

Die Reifen spielen eine entscheidende Rolle. Auf ändernde Umgebungstemperaturen wird im Fahrwerksbereich und in der Aerodynamik die Abstimmung angepasst.

Carlos Sainz hat moniert, der Wagen liege mit randvollem Tank einfach weniger gut als mit niedriger Spritlast. Wie ist das zu erklären? Sprechen wir hier von einem Reifenproblem oder einem Chassisproblem?

Ein Fahrzeug mit 100 kg Benzin im Tank wird sich immer schwerfälliger verhalten, als ein Auto mit weniger Sprit. Nichts desto trotz widmen wir uns intensiv diesem Thema.

Welches Zwischenzeugnis kannst du deinen beiden Piloten Sainz und Verstappen ausstellen?

Beide erledigen einen hervorragenden Job.

Du hast im Winter sinngemäss gesagt: jungen Piloten muss man zugestehen können, dass sie auch mal Fehler machen werden. Was kannst du zur Fehlerquote des Madrilenen und des Niederländers sagen?

Die Fehlerquote ist in Relation zu ihrem Speed sehr gering. Ich will ja nicht den Tag vor dem Abend loben, aber ich erwartete wesentlich mehr Probleme.

Der 17jährige Max Verstappen steht meist im Brennpunkt des Interesses, wir haben aber den Eindruck, dass Sainz auf Augenhöhe fährt. Wird der Spanier verkannt?

Der Carlos hat nicht umsonst letztes Jahr die Formel Renault 3.5 überlegen gewonnen. Er ist ein sehr talentierter Red-Bull-Fahrer. Bei Max kommt sicher der Jugendeffekt dazu. Schliesslich ist er der jüngste Formel-1-Pilot, das weckt natürlich weltweit das Interesse.

In welchen Bereichen ortest du bei den beiden Piloten derzeit am meisten Verbesserungspotenzial?

Wer als Neuling in die Formel 1 kommt, muss sich in allen Bereichen weiterentwickeln. Das betrifft natürlich auch Carlos und Max. Entscheidend ist dann immer der Gradient der Lernkurve. Es gibt aber bei keinem der Fahrer ein gravierendes Defizit.

Welche Fortschritte hat Renault in den letzten Wochen und Monaten gemacht?

Man hat viel an der Haltbarkeit gearbeitet. Ich hoffe, das ist jetzt unter Kontrolle. Als nächstes muss die Performance verbessert werden.

Wie wird sich die zweite Saisonhälfte aus deiner Sicht entwickeln?

Ich erwarte eine starke zweite Saisonhälfte. Erstens weil die Haltbarkeit verbessert wurde, zweitens weil wir noch einige Modifikationen am Chassis vornehmen, die unsere Wettbewerbsfähigkeit verbessern werden, drittens weil die Fahrer mit der ganzen Materie Formel 1 immer vertrauter werden, und viertens weil das Team hoffentlich fehlerfrei agiert.

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